Papornița Moșului
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Subiect: Diskriminierung

  1. #1
    Senior Member
    Data înscrierii
    18.02.2013
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    652

    Diskriminierung

    Mehrdimensionale Diskriminierung –
    Begriffe, Theorien und juristische
    Analyse
    Teilexpertise
    erstellt im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes durch
    Prof. Dr. Susanne Baer, LL. M, Melanie Bittner und Anna Lena Göttsche
    Annex: Dokumentation des Expert_innen-Workshops
    vom 16. April 2010, erstellt von Kerstin Kühn
    2
    Inhaltsverzeichnis
    Zusammenfassung................................... .................................................. .................................. 4
    1. Einleitung: Fragestellungen und Vorgehen.......................................... ............................. 7
    2. Begriffe.......................................... .................................................. .......................................... 10
    2.1 Geschichten von „Intersektionalität“.............................. ............................................ 10
    2.2 Prominente Konzepte.......................................... .................................................. ........ 16
    2.2.1 „Achsen der Ungleichheit“ .................................................. ............................ 18
    2.2.2 „Interdependenzen“ .................................................. ....................................... 20
    2.2.3 „Intersectionality“ .................................................. .......................................... 21
    2.2.4 Mehrfachdiskriminierung: „Multiple, compound und
    intersectional discrimination“................................... ..................................... 23
    2.3 Zwischenfazit..................................... .................................................. ............................ 24
    3. Rechtsetzung...................................... .................................................. .................................... 29
    3.1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz........................... .......................................... 29
    3.1.1 Mehrdimensionalität im Regelungstext des AGG ...................................... 30
    3.1.2 Begründung zum Gesetzentwurf..................................... ............................. 30
    3.1.3 Stellungnahmen zum Regierungsentwurf................................. ................. 32
    3.1.4 Kommentare........................................ .................................................. ............. 33
    3.1.5 Weitere rechtswissenschaftliche Literatur......................................... ......... 35
    3.2 Mehrdimensionale Diskriminierung in Regelungen außerhalb des AGG........... 36
    3.2.1 Soldatinnen- und Soldatengleichbehandlungsgesetz................... ............ 37
    3.2.2 Schutz vor Diskriminierung behinderter Menschen
    im SGB IX, BGG und BGleiG............................................ .................................. 38
    3.3. Regelungen der EU................................................ .................................................. ....... 39
    3.3.1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union...................................... 40
    3.3.2 Die Gleichstellungsrichtlinien der EU................................................ ........... 40
    3.4 Regionale/globale Menschenrechte.................................... ........................................ 45
    3.4.1 AEMR.............................................. .................................................. .................... 45
    3.4.2 VN-Konventionen...................................... .................................................. ...... 45
    3.4.3 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten.... 47
    3.5 Zwischenfazit..................................... .................................................. ............................ 47
    4. Rechtsdurchsetzung................................ .................................................. ............................. 49
    4.1 Herausforderungen der Forschung......................................... .................................... 49
    4.2 Hürden auf dem Weg zum und vor Gericht........................................... .................... 50
    4.3 Die Höhe einer Entschädigung nach dem AGG............................................... .......... 52
    4.4 Kategorisierungen vor Gericht .................................................. .................................. 53
    4.4.1 Geschlecht, Religion/Weltanschauung, „Rasse“/ethnische Herkunft.... 53
    4.4.2 Religion, ethnische Herkunft.......................................... ................................ 55
    4.4.3 Geschlecht, „Rasse“/ethnische Herkunft.......................................... ............ 56
    4.4.4 Geschlecht, Behinderung, sexuelle Identität .............................................. 57
    4.4.5 Geschlecht, Alter............................................. .................................................. . 57
    4.4.6 Zwischenfazit..................................... .................................................. .............. 57
    3
    5. Handlungsempfehlungen............................. .................................................. ....................... 59
    5.1 Forschung......................................... .................................................. .............................. 59
    5.2 Öffentlichkeitsarbeit, Information und Beratung.......................................... .......... 60
    5.3 Rechtsetzung...................................... .................................................. ........................... 63
    5.4 Rechtsdurchsetzung................................ .................................................. .................... 63
    Literatur .................................................. .................................................. ..................................... 65
    Anhang .................................................. .................................................. ..................................... 74
    4
    Zusammenfassung
    Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das 2006 zur Umsetzung europäischer
    Richtlinien verabschiedet wurde, hat laut § 1 zum Ziel, „Benachteiligungen aus Gründen
    der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung,
    einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu
    beseitigen“. Diese „Gründe“ markieren nicht Unterschiede, Differenz oder Diversität, sondern
    benennen Lebensrealitäten als Diskriminierungserfahrungen. Entlang dieser „Gründe“
    verteilen sich gesellschaftlich Chancen; anhand dieser „Gründe“ werden Menschen
    stereotypisiert und bewertet. Daher handelt es sich in der Sache um Kategorisierungen.
    Diese Kategorisierungen stehen nicht nebeneinander, sondern sind intersektional verschränkt,
    voneinander abhängig, miteinander verwoben. Konzepte von und Studien zu
    Intersektionalität zeigen, dass Diskriminierung nicht eindimensional, also nicht exklusiv
    auf einen „Grund“ bezogen geschieht, sondern in komplexen Formen existiert und erlebt
    wird. Daher greift ein Verständnis von Diskriminierung, das sich nur auf eine Kategorisierung
    bezieht, zu kurz; problematischer noch: Eine eindimensionale Sicht stereotypisiert,
    verzerrt und verkürzt die Probleme, um die es eigentlich geht.
    Diskriminierung kann daher als Erfahrung verstanden werden, in der sich bestimmte „Achsen
    der Ungleichheit“ überkreuzen. Alle Menschen haben ein Geschlecht, eine sexuelle
    Identität, eine Herkunft etc., und nehmen entlang dieser Achsen hinsichtlich aller Kategorisierungen
    unterschiedliche soziale Positionen ein. So hängen z. B. an der Benachteiligung
    von alten Menschen Vorstellungen über Beweglichkeit, aber auch über Geschlechterrollen
    und sexuelle Identitäten; und Benachteiligungen von Frauen hängen eng mit Alter oder
    auch Ethnizität oder auch Behinderung zusammen. Daher ist von mehrdimensionaler
    Diskriminierung als Regelfall auszugehen. In der wissenschaftlichen Diskussion werden
    teilweise unterschiedliche Formen mehrdimensionaler Diskriminierung begrifflich abgegrenzt:
    Manchmal führt erst die Verschränkung von mehreren Kategorisierungen zu einer
    Benachteiligung, manchmal wirken verschiedene Kategorisierungen „nebeneinander“. In
    der gesellschaftlichen Wirklichkeit lässt sich das aber nicht „sauber“ trennen.
    Welche rechtlichen Konsequenzen mehrdimensionale Diskriminierung hat, ist bislang
    weitgehend ungeklärt. Das AGG definiert mehrdimensionale Diskriminierung nicht. Es
    legt fest, dass eine Rechtfertigung hinsichtlich jedes einzelnen Diskriminierungsgrundes
    vorliegen muss, um nicht das Diskriminierungsverbot zu verletzen.
    Eine Bestandsaufnahme zu rechtlichen Regelungen gegen Diskriminierung zeigt auch,
    dass auf Mehrdimensionalität bislang selten explizit eingegangen wird. Allerdings anerkennt
    der Gesetzgeber auch außerhalb des AGG vereinzelt, dass Kategorisierungen zusammentreffen.
    Eine Analyse ausgewählter Gerichtsentscheidungen zeigt jedoch, dass Gerichte mehrdimensionale
    Diskriminierungen tendenziell nicht erkennen oder nicht angemessen berücksichtigen.
    Umfassende Prüfungen des gesamten Lebenssachverhalts mit Blick auf verschiedene
    potenziell relevante Kategorisierungen sind die Ausnahme. Dabei kommt erschwerend
    hinzu, dass die Beweiserleichterung des AGG nicht angewandt wird.
    5
    Aus den theoretischen und juristischen Analysen der Expertise lassen sich einige Handlungsempfehlungen
    ableiten. Sie richten sich an die ADS sowie an weitere Akteure.
    So besteht zu Diskriminierung insgesamt und speziell zu mehrdimensionaler Diskriminierung
    Bedarf an kritischer, transdisziplinärer Forschung. Ein Ziel müsste es sein, bessere
    methodische Instrumente zu entwickeln, um Diskriminierung eben mehrdimensional und
    angemessen zu verstehen. Das betrifft z. B. auch die Erhebung von Beschwerdedaten, in der
    mehrdimensionale Diskriminierung systematisch berücksichtigt werden müsste. Zudem
    wäre es wichtig, partizipative Methoden der Forschung einzusetzen und zu stärken, da
    gerade der Bereich Diskriminierung von dominanten Vorurteilen geprägt ist, die auch in
    der Wissenschaft leicht reproduziert werden. Dabei geht es um qualitative Forschungsmethoden,
    um reflexive Kompetenzen und Reflexionsinstrumente im Forschungsprozess und
    um die Anerkennung der Expertise Betroffener oder auch Beratender.
    Für die Öffentlichkeitsarbeit muss mehrdimensionale Diskriminierung als gesellschaftliches
    Problem in großer Bandbreite von individueller, institutioneller und struktureller
    Benachteiligung vermittelt werden. Gerade die Öffentlichkeitsarbeit muss einem horizontalen
    Ansatz folgen, also mehrdimensionale Diskriminierung immer thematisieren, um
    Stereotypen und anderen problematischen Verkürzungen, insbesondere der Hierarchisierung
    und Funktionalisierung von Diskriminierungen auf Kosten anderer, entgegenzuwirken.
    Besonders wichtig scheint Öffentlichkeitsarbeit für Akteure zu sein, die dem Antidiskriminierungsrecht
    ablehnend gegenüberstehen, aber selbst Verantwortung tragen.
    Es geht vor allem um
    I Sensibilisierung und Wissensvermittlung für Jurist_innen und Verantwortliche
    in der
    Politik,
    I Sensibilisierung und Wissensvermittlung für Verantwortliche im Bildungswesen,
    insbesondere
    in Schule,
    I Sensibilisierung und Wissensvermittlung für Arbeitgeber_innen und für Gewerkschaften
    sowie für die Wohlfahrtsverbände,
    I Information und Empowerment Betroffener,
    I Austausch, Unterstützung und Vernetzung von Beratenden,
    I Information der allgemeinen Öffentlichkeit über Diskriminierung und Beseitigung der
    Desinformation und Vorurteile zum AGG.
    Die Öffentlichkeitsarbeit muss insbesondere dem bislang eher negativen Image des Antidiskriminierungsrechts
    aktiv etwas entgegensetzen.
    Weitere Handlungsempfehlungen zielen auf die Rechtsetzung. Die Liste der Diskriminierungsgründe
    im AGG müsste als offene Liste von Kategorisierungen gefasst werden, aufgrund
    derer Diskriminierung verboten ist. Die Verbindung der Kategorisierungen mit
    einem „oder“ sollte durch ein „und“ ersetzt werden, denn das „oder“ suggeriert ein unrea6
    listisches isoliertes Nebeneinander, keine Verschränkung. Des Weiteren sollte darauf hingewirkt
    werden, jeglicher Hierarchisierung zwischen verschiedenen Diskriminierungen
    durch unterschiedliche Anwendungsbereiche und durch unterschiedliche Rechtfertigungen,
    insbesondere in § 9 AGG, entgegenzutreten. Bezüglich wirksamer, verhältnismäßiger
    und abschreckender Sanktionen muss eine rechtsdogmatisch überzeugende Lösung
    gefunden werden, die mehrdimensionale Diskriminierung nicht additiv, sondern einzelfallgerecht
    berücksichtigt.
    Mit Blick auf die Rechtsdurchsetzung gilt es, Hürden für Betroffene auf dem Weg zum und
    vor Gericht abzubauen. Es bedarf empirischer Forschung zu Rechtsmobilisierung, damit
    entsprechende Maßnahmen nicht auf stereotypisierenden Vermutungen, sondern auf
    gesicherten Erkenntnissen fußen. Weil fehlende Klagen zu einem Mangel an Rechtsprechung
    führen, was wiederum problematische Effekte hat, ist die Förderung strategischer
    Prozessführung sinnvoll und auch notwendig. Eine solche Förderung sollte darauf zielen,
    insbesondere Menschen mit weniger „spektakulären“ Erfahrungen Unterstützung zukommen
    zu lassen. Sonst besteht die bereits aus dem Gleichstellungsrecht für Frauen bekannte
    Gefahr, dass nur Privilegierte derartige Angebote nutzen und auch nur potenziell „erfolgreiche“
    Klagen verfolgt werden.
    Für die Rechtsdurchsetzung ist eine Klarstellung der Beweiserleichterung des AGG wichtig.
    Dabei sollten die erforderlichen Indizien für einen Anfangsverdacht bei mehrdimensionaler
    Diskriminierung und die Nutzung von statistischen Daten bei mittelbarer Diskriminierung
    thematisiert werden.
    Schließlich bietet das AGG mit den positiven Maßnahmen ein geeignetes Instrument, um
    strukturelle und institutionelle Diskriminierung zu bekämpfen. Auch hier muss mehrdimensional
    analysiert und gehandelt werden, um insbesondere zu verhindern, dass die
    Förderung der einen die anderen diskriminiert. Hierauf zielt das Konzept der politischen
    Intersektionalität, da es zeigt, wer genau von einer Regelung profitiert und welche impliziten
    Normen und Privilegien reproduziert werden, wenn Diskriminierung nicht mehrdimensional
    gedacht wird.
    Die Expertise wurde erstellt von Prof. Dr. Susanne Baer, LL. M., Professorin für Öffentliches
    Recht und Geschlechterforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie den wissenschaftlichen
    Mitarbeiterinnen Melanie Bittner und Anna Lena Göttsche.
    7
    1.
    Einleitung:
    Fragestellungen und Vorgehen
    Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das 2006 zur Umsetzung europäischer
    Richtlinien verabschiedet wurde, hat laut § 1 zum Ziel, „Benachteiligungen aus Gründen
    der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung,
    einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu
    beseitigen“. Offensichtlich ist jedoch, dass Diskriminierung in komplexen Formen existiert
    und der Bezug auf nur eine Dimension wie Geschlecht, Ethnizität, Alter, Behinderung usw.
    dies nicht greift. Das AGG nennt diese Dimensionen „Gründe“, andernorts heißen sie Merkmale1,
    Kategorien2 oder, analytisch überzeugend, Kategorisierungen.3 Diese Expertise
    sucht zu verdeutlichen, wie mehrdimensionale Diskriminierung auch juristisch verstanden
    werden kann.
    Es gibt zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass Diskriminierung fast nie ein klarer, eindimensionaler
    Fall ist. Vielen Menschen leuchtet das unmittelbar ein, wenn Altersgrenzen errichtet
    werden. Endet die Chance, beruflich gefördert zu werden, mit 30 Jahren, gehen nicht
    nur schlicht Ältere leer aus, sondern diese Älteren sind dann überwiegend Menschen, die
    sich Mitte 20 vorübergehend für Familienzeit entschieden oder die erst Mitte 20 einen
    zweiten Bildungsweg begonnen haben. Sie sind mit 30 nicht da, wo andere ohne Einbußen
    sein können. Dann ist die Altersgrenze unfair, im Hinblick aber nicht nur auf das Alter,
    sondern auch auf das Geschlecht oder auf den sozialen Hintergrund.4
    Oft ist es aber auch noch komplizierter: Die Debatte und auch die gerichtlichen Entscheidungen5
    um das muslimische Kopftuch sind da aufschlussreich. Hier wirken mehrere
    Kategorisierungen, an die § 1 des AGG anknüpft, zusammen: Sowohl Religion als auch
    Geschlecht und ethnische Herkunft spielen eine Rolle; zudem kann auch der Bildungshintergrund
    und damit die soziale Schicht nicht außen vor gelassen werden, was deutlich
    wird, wenn das Kopftuch von Lehrerinnen kontrovers debattiert wird, das von Reinigungskräften
    (auch an staatlichen Schulen) jedoch nicht. Zudem offenbart dieser Konflikt auch
    das Risiko der Funktionalisierung einer Diskriminierung zulasten einer anderen. Es kommt
    hier zu einer Kulturalisierung und Exotisierung von Geschlechterdiskriminierung, wenn
    das Kopftuch nur als ein Symbol für die Unterdrückung von muslimischen Frauen und
    eine negative Vorbildwirkung für muslimische Schülerinnen und Schüler betont werden,
    jedoch außer Acht bleibt, dass Frauen, die Lehrerinnen werden wollen, studiert haben,
    1 Schiek-Schiek, § 1 AGG Rn. 4 ff., Rust/Falke-Rust, § 1 AGG Rn. 1 ff., Bauer u. a., § 1 AGG Rn. 13 ff., Däubler/
    Bertzbach-Däubler, § 1 AGG Rn. 13, Rudolf/Mahlmann (2007), § 1 Rn. 35.
    2 Zinsmeister (2007), Althoff (2006).
    3 Hof (1995), Klinger (2003), McCall (2005), Verloo (2006), Walgenbach u. a. (2007).
    4 Zu einer ähnlichen Konstellation vor Gericht unten 4.4.5.
    5 Dazu unten 4.4.1.
    8
    erwerbstätig sein wollen und Bildung eine hohe Bedeutung zumessen, und dass alle Schülerinnen
    und Schüler mit geschlechtsbezogenen Vorurteilen auch der nicht-muslimischen
    Mehrheitsgesellschaft zu kämpfen haben.6 Demgegenüber soll Antidiskriminierungsrecht
    dazu beitragen, Vorurteilen der Mehrheitsgesellschaft entgegentreten zu können. Daher
    wurde höchstrichterlich auch schon vor Inkrafttreten des AGG die Argumentation eines
    Arbeitgebers zurückgewiesen, Kundinnen und Kunden würden sich weniger gerne von
    einer Verkäuferin mit Kopftuch beraten lassen, weshalb man ihr kündigen dürfe7: Stereotype
    dürfen Diskriminierung gerade nicht legitimieren.
    Schließlich gibt es Fälle, die als mehrdimensionale Diskriminierung angesehen werden,
    aber wieder andere Fragen aufwerfen: Ein Mann wird in eine Diskothek nicht eingelassen,
    weil er „arabisch“ aussieht.8 Ist hier – nach § 1 AGG – die „Ethnizität“ Grund der Benachteiligung?
    Oder das Geschlecht, weil der Mann nicht, aber alle Frauen eingelassen werden?
    Oder ist das (auch) eine sexistische Einlasspolitik, weil sie darauf setzt, dass Frauen (eines
    bestimmten Alters, Aussehens, ohne sichtbare Behinderung?) eine Disko „attraktiver“
    machen? Hier zeigt sich, dass in Situationen sozialer Ausgrenzung nicht nur unterschiedliche
    Dimensionen zusammenkommen, sondern diese auch nicht schlicht einen Unterschied
    machen, sondern in sich problematisch funktionieren. Im Fall der Diskothek geht es
    ja um mehr als um „Ausländerfeindlichkeit“ oder Geschlechterdifferenz. Multidimensionale
    Diskriminierung muss also genau verstanden werden, um beurteilen zu können, wie
    nicht zuletzt juristisch darauf reagiert werden muss.
    Das AGG selbst thematisiert mehrdimensionale Diskriminierung ausdrücklich nicht auf
    der Ebene des Tatbestandes, also des Vorliegens einer Diskriminierung. Vielmehr beschäftigt
    sich § 4 AGG mit der „unterschiedlichen Behandlung wegen mehrerer Gründe“ auf der
    Ebene der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung. Eine unterschiedliche Behandlung
    wegen mehrerer der in § 1 AGG aufgezählten Ungleichheiten muss danach in Bezug auf
    jede einzelne Kategorisierung gerechtfertigt sein, um nicht das Diskriminierungsverbot zu
    verletzen. Desgleichen lässt sich § 9 AGG als Hinweis auf mehrdimensionale Diskriminierung
    verstehen: Umstritten und entsprechend unklar ist allerdings, inwieweit beim
    Zusammentreffen von Religion und anderen Ungleichheitskategorisierungen eine Rechtfertigung
    unter Hinweis auf das religiöse Selbstverständnis zulässig ist.9 Das AGG regelt
    nicht ausdrücklich, welche Auswirkungen die Konstellation einer mehrdimensionalen
    Diskriminierung auf die Beweisanforderungen hat und welche Konsequenzen sich auf der
    Rechtsfolgenseite ergeben. Diese Fragen sind für eine künftig gute Praxis noch zu klären.
    Für eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Phänomen mehrdimensionaler Diskriminierung
    ist zunächst allerdings eine Klärung von Begriffen wie „mehrfache“, „verstärkende“,
    „mehrdimensionale“ und „intersektionelle Diskriminierung“ erforderlich. Zudem
    können verschiedene Konzepte von „Intersektionalität“ dabei helfen, genauer zu verstehen,
    welche Fragen gerade mehrdimensionale Diskriminierung für die juristische, beratende
    und politische Praxis aufwirft. So wird das Zusammenwirken von Kategorisierungen
    beispielsweise als „Achsen sozialer Ungleichheit“ beschrieben, als „Interdependenz“ oder
    eben als „Intersektionalität“.
    6 Berghahn/Rostock (2009).
    7 BAG 2 AZR 472/01, Urteil v. 10.10.2002, bestätigt vom BVerfG 1 BvR 792/03, Beschluss v. 30.07.2003.
    8 Dazu unten 4.4.3.
    9 Ausführungen zu § 9 AGG unten 3.
    9
    Mit dem Zwischenfazit soll gezeigt werden, welche Bedeutung die verschiedenen bislang
    wissenschaftlich diskutierten Konzepte für das Antidiskriminierungsrecht haben. Daraus
    ergeben sich erste Vorschläge zur Begriffsverwendung. Da die Expertise im Auftrag der
    Antidiskriminierungsstelle des Bundes entsteht, konzentrieren wir uns auf die Kontexte
    der Rechtspraxis und der Informations-, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit sowie auf die
    Forschung. Für die Beratungsarbeit, die wir in dieser Expertise nur streifen, können mit
    guten Gründen andere und auch je unterschiedliche Begriffe sinnvoll Verwendung finden.
    Im zweiten Teil wenden wir uns dann der juristischen Ebene zu. Zunächst lässt sich zeigen,
    wie auf der Ebene der Normtexte, also seitens der Rechtsetzung und der sie interpretierenden
    Literatur, mit mehrdimensionaler Diskriminierung umgegangen wird. Sodann haben
    wir die wenigen gerichtlichen Entscheidungen genauer untersucht, die sich mit mehrdimensionaler
    Diskriminierung befassen. Am Ende der Expertise stehen Handlungsempfehlungen
    für Forschung, Öffentlichkeitsarbeit, Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung.
    Grundlage unserer Ausführungen ist die einschlägige Forschung aus den Gender Studies
    und der feministischen Soziologie, Politik- und Rechtswissenschaft sowie der Critical Race
    Theory.10 Dazu kommt die Recherche zur Rechtspraxis in den öffentlichen Datenbanken
    und der Urteilsdatenbank, die an der Humboldt-Universität zu Berlin für die LADS Berlin
    bearbeitet wird,11 die Sichtung der juristischen Kommentarliteratur und einschlägiger
    dogmatischer Arbeiten zum AGG. Zudem flossen in diese Expertise maßgeblich Diskussionen
    mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und Antidiskriminierungsberatung
    ein, die sich im Rahmen eines Workshops mit unseren Zwischenergebnissen
    kritisch und aus unterschiedlichen Perspektiven befassten.12
    10 Eine spezialisierte Sammlung ist über die Literaturdatenbank des Lehrstuhls zugänglich, unter
    http://baer.rewi.hu-berlin.de. Profitiert haben wir zudem von dem europäischen Forschungsprojekt QUING
    von Susanne Baer und Lucy Nowottnick Chebout (www.quing.eu) und den Werkstattgesprächen zu
    „Intersektionalität in Beratung, Trainings, Fort- und Weiterbildung“ (http://baer.rewi.hu-berlin.de/aktuell/
    Veranstaltungen/flyer_intersek_ws.pdf) als Teil einer Veranstaltungsreihe, die Sabine Hark, Hannah
    Meissner, Ina Kerner, Susanne Baer und Lucy Nowottnick Chebout in Berlin organisieren.
    11 Mehr zur Recherche zur Judikatur unter 4.1. Die LADS (Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung
    Berlin) stellt eine Datenbank zu Entscheidungen zum AGG zur Verfügung, die in Kooperation mit
    Susanne Baer und Maria Ketteler erstellt wird (http://www.berlin.de/lb/ads/agg/urlteile/index.html). Dort
    entstehen auch Facheinschätzungen zu konkreten Problemlagen aus der Arbeit der
    Berliner Beratungseinrichtungen (http://www.berlin.de/lb/ads/agg/expertisen/index.html).
    12 Wir möchten allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Workshops ganz herzlich für ihre hilfreichen
    Fragen, Anmerkungen und Vorschläge danken. Vgl. die Dokumentation des Workshops im Anhang.
    10
    2.
    Begriffe
    Zunächst geht es um die Klärung und Systematisierung von Begriffen, die zur Beschreibung
    von mehrdimensionaler Diskriminierung benutzt werden. Die ausführliche Darstellung
    soll in erster Linie begriffliche und konzeptuelle Klarheit ermöglichen. Zudem soll
    zumindest ansatzweise deutlich werden, in welchen Formen mehrdimensionale Diskriminierung
    auftreten kann, um einen Teil der Lebensrealitäten und damit eben auch der Diskriminierung
    sichtbar zu machen, die in der deutschen Rechtspraxis bisher weitgehend
    unbekannt sind.13 Beschrieben werden hier also nicht etwa neue Erfahrungen und gesellschaftliche
    Phänomene. Vielmehr greifen wir auf, was bereits seit längerer Zeit von betroffenen
    Menschen, in politischen Bewegungen und in wissenschaftlichen Publikationen
    thematisiert, kritisiert und bekämpft wird. Dazu liegen Erkenntnisse vor; allerdings wäre
    weitere sozial- und kulturwissenschaftliche Forschung zu den Erfahrungen in Deutschland
    angebracht.
    „Intersektionalität“ ist mittlerweile der Oberbegriff im wissenschaftlichen Kontext, um das
    Zusammenwirken mehrerer Ungleichheitskategorien zu beschreiben. Allerdings werden
    unter diesem Titel sehr unterschiedliche Konzepte verhandelt. Diese sind vor dem Hintergrund
    der Geschichte von Diskussionen um Intersektionalität zu verstehen. Hier gibt es
    bereits keine lineare Begriffsgeschichte mit einem Anfang und einem Ende, sondern
    Geschichten der politischen und theoretisch-konzeptionellen Auseinandersetzungen. Im
    Vordergrund stehen dann vier prominente, also in Deutschland viel zitierte und häufig
    diskutierte Konzepte. Diese verdeutlichen jeweils unterschiedliche Problemstellungen, die
    für den Umgang mit mehrdimensionaler Diskriminierung wichtig sind. Daraus kann ein
    Fazit für die Verwendung der Begriffe in politischen und juristischen Kontexten sowie für
    die informierende Kommunikation mit der Öffentlichkeit gezogen werden.
    2.1 Geschichten von „Intersektionalität“
    Das Prinzip von Intersektionalität lässt sich sehr gut mit den Arbeiten der Autorin verdeutlichen,
    die wohl als Erste den Begriff und damit ein zentrales Intersektionalitätskonzept
    geprägt hat. Es ist die US-amerikanische Rechtswissenschaftlerin Crenshaw14. Sie argumentierte
    anhand einer Analyse von Gerichtsentscheidungen zu Diskriminierungsfällen, dass
    wirksamer Rechtsschutz auf einem Konzept beruhen muss, in dem Diskriminierung nicht
    in Einzelteile zerlegt, sondern als komplexes Geschehen verstanden wird. Anlass war, dass
    13 Ursachen dafür sind vielfältig. Es dürfte sich um fehlende Mobilisierung handeln, die auch an fehlenden
    oder fehlerhaften Vorstellungen der juristischen Akteure – Beratung, Anwaltschaft, Gerichte – hängt.
    14 Zum Konzept auch unten 2.2.1.
    11
    Unternehmenspolitiken zu Einstellung, Beförderung, Entlassung und Entlohnung dazu
    führten, dass Schwarze15 Frauen benachteiligt wurden, und dagegen in den USA weder ein
    Recht gegen Geschlechterdiskriminierung noch ein Recht gegen rassistische Diskriminierung
    geltend gemacht werden konnte, weil unterschiedliche Schutzstandards für unterschiedliche
    Merkmale galten (und verfassungsrechtlich auch weiterhin gelten). Crenshaw
    führte aus, dass Schwarze Frauen folglich von intersektionaler Diskriminierung spezifisch
    betroffen seien und ohne Rechtsschutz wären. Sie benutzte das Bild einer Kreuzung („intersection“),
    an der zwei Diskriminierungsgründe („race“ und „sex“) zusammenträfen, was
    rechtlich erst begriffen werden müsse. Crenshaw kritisiert damit einen „single-axisapproach“,
    also einen auf separate Gründe oder Merkmale zielenden Ansatz von Antidiskriminierungspolitik,
    als unzureichend und hinderlich für die Beseitigung von Diskriminierung.
    Er nehme Diskriminierte als entweder rassistisch oder sexistisch oder aus anderen
    Gründen diskriminiert wahr, begreife aber spezifische, eben intersektionale Diskriminierungen
    nicht. Crenshaws Kritik zielt damit auf die Ebene der Dogmatik, die aus einem
    allgemeinen Gleichheitssatz (in den USA dem 14th Amendment) unterschiedliche Schutzniveaus
    („levels of scrutiny“) konstruiert und Menschen zwingt, sich einem von diesen
    exklusiv zuzuordnen.16 In weiteren Arbeiten hat Crenshaw diese Kritik dann auch auf Politiken
    bezogen: Trennungen in einzelne Diskriminierungen führten beispielsweise im Kampf
    gegen häusliche Gewalt dazu, keine Koalitionen zwischen der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung
    und der Frauenbewegung bilden zu können und eventuell sogar gegeneinander
    in Konkurrenz zu arbeiten.17 Diese müsse durch ein besseres Verständnis für intersektionale
    Diskriminierung überwunden werden.
    Zum Thema Intersektionalität sind in der Folge dann zahlreiche weitere Texte und Theorien
    entstanden. Sie wurden insbesondere in Crenshaws Arbeitskontext der „critical race theory“
    (in den USA oft auch „CRT“) publiziert, was ein zentraler Ort der Debatte um Intersektionalität
    mit wertvollen Beiträgen auch jenseits der Verwendung des Begriffs Intersektionalität ist18.
    Daneben stehen zahlreiche feministische Arbeiten, z. B. von Rich und MacKinnon, die sich
    mit dem Zusammenwirken insbesondere von Rassismus und Sexismus und von Sexismus und
    Heteronormativität befassten, also z. B. Benachteiligungen von Homosexuellen
    als Zusammenwirken
    von Geschlechterstereotypen mit einer spezifischen Sexualmoral verstehen19.
    Insbesondere Schwarze Frauen und dann auch Asian Americans wie Matsuda und andere,
    die nicht der weißen Mehrheitsgesellschaft angehörten, thematisierten seit den 1980er-Jahren
    spezifische Formen der Unterdrückung, die durch Rassismus und Sexismus sowie andere
    Dominanzverhältnisse geprägt sind. Ihre Arbeiten zielten einerseits immer auf eine
    Verbesserung der rechtlichen Möglichkeiten, gegen Diskriminierung vorzugehen. Sie
    waren andererseits aber auch immer Interventionen, die auf Ausschlüsse, Marginalisierungen,
    Verzerrungen und implizite Normen innerhalb sozialer Bewegungen wie der zweiten
    Frauenbewegung („Second Wave Feminism“) oder bestimmter antirassistischer Politiken
    hinweisen, diese kritisieren und verändern wollten. Damit richtet sich Kritik z. B. auch
    gegen Teile der feministischen Theorie, soweit diese mit einer homogenen Vorstellung von
    „den Frauen“ arbeiten, und geht gegen die daraus folgende Vereinnahmung und Ausblendung
    von Hierarchien unter Frauen an, oder gegen Teile der CRT, soweit diese mit einer
    15 Die Großschreibung von „Schwarz“ soll sichtbar machen, dass es sich dabei um ungleichheitsrelevante
    Kategorisierungen handelt, nicht um essenzialistische Zuschreibungen, vgl. Eggers u. a. (2005), 13.
    16 Crenshaw (1991). Im Vergleich erläutert dies Sacksofsky (2006).
    17 Crenshaw (1994).
    18 Combahee River Collective (1981), hooks (1981), Hull/Scott (1982), Lorde (1987), Collins (1998), u. a.
    Die Arbeiten wurden großteils nicht ins Deutsche übersetzt und zum Teil sehr spät rezipiert.
    19 MacKinnon (2007), 420–431, hooks (1990).
    12
    homogenen Vorstellung von „Minderheiten“ operierte. Entscheidend ist für beide Seiten,
    die Vorstellungen zu verändern, die die juristische Wahrnehmung von Diskriminierung
    ebenso problematisch prägen können wie Politiken.
    Ähnliche Kritiken wie in den USA wurden auch in Deutschland formuliert.20 So reichen die
    Forderungen nach wirksamem rechtlichen Schutz gegen unterschiedliche Diskriminierungen
    weit zurück, entwickelten sich allerdings auch sehr unterschiedlich. Politisch stand
    die Gleichberechtigung hinsichtlich des Geschlechts lange nur für Frauen – und nicht wie
    heute zunehmend mit Blick auf Geschlechterstereotype – auf der Agenda. Anerkannt
    waren auch Forderungen nach Fürsorge für Menschen mit Behinderung, nicht aber, wie
    heute deutlicher, nach Enthinderung. Konsens bestand in der Ablehnung von Antisemitismus,
    aber Recht gegen „Rassismus“ zu fordern, wird bis heute oft als ungerechtfertigte Provokation
    empfunden. Auch Rechte gegen Nachteile wegen der sexuellen Identität werden
    weiterhin nicht mehrheitlich anerkannt. Deutlich wird hier zunächst, dass Diskriminierung
    nicht je dasselbe oder analog zu betrachten ist. Nicht nur wissen wir unterschiedlich
    viel über die jeweiligen Diskriminierungen; wir nehmen sie auch unterschiedlich ernst
    und wahr.
    Die Ungleichzeitigkeiten und Ungereimtheiten einer Auseinandersetzung mit mehrdimensionaler
    Diskriminierung zeigen sich auch in der Geschichte feministischer Debatten in
    Deutschland. Die Erziehungswissenschaftlerin Walgenbach zeigt in einer historisierenden
    Analyse unterschiedliche Positionen innerhalb der westdeutschen Frauenbewegungen auf.
    Sie stellt diese nicht als eine Bewegung vor, sondern nennt diverse Akteurinnen und Kritikpunkte,
    Forderungen und Erfolge von Frauen mit Behinderung, Migrantinnen, jüdischen
    Frauen und Schwarzen Frauen. Diese sahen sich, so Walgenbach, im feministischen „Mainstream“
    mit ihren Erfahrungen nicht repräsentiert, sondern durch Prozesse des „othering“
    zu „den Anderen“ gemacht, also marginalisiert oder vereinnahmt. Daraus folgt nun allerdings
    nicht, „die“ Frauenbewegung in viele Unterbewegungen aufzuteilen, denn dies wäre
    eine unzulässige Homogenisierung marginalisierter Frauen. Vielmehr wird hier deutlich,
    dass Ungleichheiten nicht entlang einer Differenz verlaufen. Frauen sind mehrdimensional
    von Diskriminierung betroffen. Daher zielte die Kritik nicht auf binäre Gegenüberstellungen
    von Diskriminierten oder Marginalisierten und Privilegierten oder „Etablierten“,
    sondern auf die Anerkennung je spezifischer Erfahrungen und eben mehrdimensionaler
    Verhältnisse. Diskriminierung findet auch unter Marginalisierten statt, in je bestimmten
    Kontexten, die wiederum hinsichtlich einer (oder auch mehrerer) Kategorisierung(-en)
    nicht immer und überall und in jeglicher Hinsicht, aber irgendwo privilegiert sind. Es gibt,
    so Walgenbach, also keinen „genuinen Kern“ von Kategorien:
    „Der Überblick über die politischen Interventionen […] zeigte deutlich, dass ein solch ‚genuiner
    Kern‘ nur zu deklarieren wäre, wenn man spezifische Lebensformen, Subjektpositionen
    oder Diskurse privilegiert und zum theoretischen Zentrum erklärt (wie z. B. die mehrheitsdeutsche
    Mittelschichtsfrau). […] Nimmt man […] sämtliche angeführten Dominanzverhältnisse
    zusammen (Befähigung/Behinderung, Alter, Sexualität, Lokalität, Nation, Klasse/
    Schicht, Ethnizität, ‚Rasse‘) so stellt sich die Frage, ob die Figur der ‚marginalisierten Frau‘
    wirklich auf einen ‚Sonderfall‘ oder ‚Spezialinteressen‘ reduziert werden kann.“21
    20 Ausführlich dazu Walgenbach (2007), weiter Hornscheidt (2007), 84: Einen genuinen Kern von Kategorien
    abzulehnen heißt, dass „so auch implizite Normalvorstellungen von Identitätskategorisierungen analysierund
    explizierbar“ werden.
    21 Walgenbach (2007), 39.
    13
    Auch Geschlecht, oder daher genauer: Gender, muss folglich als interdependente Kategorie
    gedacht werden. Damit werde eine Konstruktion von „Frauen“ oder „den Frauen“ durchbrochen,
    die weiße, heterosexuelle, nicht behinderte usw. Frauen der Mittelschicht implizit
    zur Norm macht.22
    Sehr früh war in den deutschen Frauenbewegungen zudem, was Walgenbach ausblendet,
    die Ausgrenzung von Homosexualität bzw. Lesben ein Thema23, aber auch die Ausgrenzung
    anderer spezifischer Erfahrungen, die nicht alle Frauen teilen, wie z. B. der Mutterschaft.
    Der Perspektivwechsel erfolgte hier in Anknüpfung an Rich’s Kritik am „System der
    Zwangsheterosexualität“.24 Dabei „handele es sich um Heterosexualität als Institution und
    um Machtbeziehungen“25, die nicht nur das Leben von lesbischen Frauen prägten, sondern
    grundlegend mit einer politischen Kritik an der Vorstellung der Existenz zweier „natürlicher“
    Geschlechter, einer „natürlichen“ Begehrensform26 und den damit entstehenden
    Ausblendungen und Hierarchisierungen zusammenhingen.
    Daneben ging es aus einer antirassistischen Perspektive27 um den Zusammenhang von
    Geschlechterdiskriminierung und Aufenthaltsrecht, beispielsweise bei häuslicher Gewalt:
    Für Frauen ohne eigenständigen, von ihrem gewalttägigen Ehemann unabhängigem
    Aufenthaltstitel war eine Trennung oder Scheidung mit dem Risiko der Abschiebung verbunden.
    28 Schwarze Frauen kritisierten auch, dass weiße Frauen von Unterdrückungsverhältnissen
    wie Rassismus und Kolonialismus profitierten, wenn Reproduktionsarbeit mehr
    und mehr durch Migrantinnen29 und Frauen ohne Papiere geleistet würde.30
    Zudem wurden die spezifische soziale Position und Diskriminierung von Frauen mit Behinderung
    seit den späten 1979er-Jahren innerhalb der Krüppelbewegung analysiert und
    bekämpft.31 So gelten für Frauen mit Behinderung im Gegensatz zu Frauen ohne Behinderung
    unterschiedliche Geschlechternormen. Frauen mit Behinderung kritisierten, dass
    ihnen Geschlechtlichkeit eher abgesprochen würde und sie auch häufig entsexualisiert
    würden. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass barrierefreie Toiletten für Menschen mit
    Körperbehinderung nicht die gesellschaftliche Norm der Zweigeschlechtlichkeit herstellen.
    32 In Bezug auf reproduktive Rechte erfahren Frauen mit Behinderung spezifische
    Einschränkungen, da sie gegen gesellschaftliche Normen kämpfen müssen, die ihren
    potenziellen Kinderwunsch verurteilen: Die Durchführung einer Sterilisation auch ohne
    das informierte Einverständnis der Frau33 und medizinische statt sozialer Indikation bei
    Schwangerschaftsabbrüchen34 sind deren Folge. Frauen mit Behinderung wird, wenn sie
    22 Mit dem Begriff Interdependenzen arbeiten auch Weiß u. a. (2001), Lorey (2006), El-Tayeb (2003).
    23 Vgl. dazu Dennert u. a. (2007), beiträge zur feministischen theorie und praxis (1989), Hark (2004), 104 f.
    24 Rich (1983).
    25 Hauer/Paul (2006), 10.
    26 Hagemann-White (1984).
    27 Oguntoye (1986), Arbeitsgruppe Frauenkongress (1984), Ani (2004), die getrennte Darstellung der Frauenbewegungen
    von Lesben und Schwarzen Frauen mit Behinderung soll exemplarisch deren Inhalte verdeutlichen,
    zu Schwarzen Lesben Ani (2007).
    28 Schweikert (2000), 513 f., Leuze-Mohr (2001), 303–321, Ratsch (1984), zur Bedeutung des Aufenthaltstitels
    für die Situation von und soziale Arbeit mit Frauen mit unsicherem Aufenthaltstitel oder ohne Papiere trotz
    rechtlicher Härtefallregelung s. Prasad (2008), 8 f.
    29 Zu antimuslimischem Rassismus Attia (2009).
    30 FeMigra (1994), Bednarz-Braun/Heß-Meining (2004), 72–91.
    31 Daniels (1983), zu Krüppellesben Raab (2007).
    32 Zemp (1993), Arnade (1992).
    33 Köbsel (1987).
    34 Boll/Degener u. a. (1985).
    14
    sexuelle Gewalt erfahren, empirisch seltener geglaubt35, während sie gleichzeitig einer
    spezifischen Gefahr der sexualisierten Gewalt ausgesetzt sind durch Abhängigkeit von
    Institutionen der Pflege und Versorgung36.
    Insgesamt thematisierte „die“ Frauenbewegung damit Mehrdimensionalität oder das, was
    heute in theoretischen Diskussionen weithin als „Intersektionalität“ diskutiert wird. Hier
    wird auch deutlich, dass sowohl innerhalb der sozialen Bewegungen gegen Ungleichheiten –
    Frauenbewegungen, Bewegungen gegen Rassismus, für Enthinderung usw. – als auch in
    den etablierten politischen Räumen der Mehrheitsgesellschaft sehr uneinheitliche – und
    oft nur eindimensionale – Vorstellungen davon bestehen, was Diskriminierung ist.
    Zudem zeigt sich, dass trotz der Vielfalt von Kritiken von Frauen an feministischen Positionen,
    Forderungen und Arbeitsformen immer eine Tendenz zu einer gewissen Priorisierung –
    im ungünstigsten Fall: einer Hierarchisierung37 – vorhanden ist. So werden – ganz im Einklang
    mit der Geschichte, die mit den Lebenslagen Schwarzer Frauen in den USA beginnt –
    oft vorrangig „gender“ und „race“ thematisiert. Weitgehend fehlen in Deutschland, so auch
    Walgenbach, Aussagen zur Diskriminierung von Frauen in Zusammenhang mit der Zugehörigkeit
    zu Sinti und Roma, zu Alter, Klasse oder Ost/West-Herkunft.38 Insofern unterscheiden
    sich Ungleichheitsdimensionen hinsichtlich ihrer Geschichten nicht nur voneinander,
    sondern es gibt auch Auslassungen, Tabuisierungen, Unaufmerksamkeiten, auf die in der
    Arbeit zu achten ist.
    Zudem wird deutlich, dass sich Intersektionalitätskonzepte in Deutschland aus diversen
    politischen und auch akademischen Kontexten speisen. Es ist nicht unwichtig, wer diese
    Geschichten erzählt oder schreibt. Einige Beschreibungen kommen von Betroffenen, andere
    von Interessenvertretungen, wieder andere aus der Wissenschaft von Menschen, die
    Diskriminierung nachteilig erlebt haben oder auch nicht. Manchmal ist Forschung eng mit
    sozialen oder politischen Bewegungen verknüpft (z. B. Disability Studies, feministische Wissenschaft),
    manchmal weit von diesen entfernt, und auch je unterschiedlich institutionalisiert.
    Vertiefte Forschung zu Diskriminierung ist in Deutschland nach wie vor kaum in die
    Studien- und Forschungsprofile in den Fächern integriert. Soweit dazu eigene Schwerpunkte
    existieren, verfügen die Genderstudies über die weitreichendste Institutionalisierung
    und teilweise auch institutionelle und personelle Überschneidung mit anderen Schwerpunkten,
    wie den Queer-Theorien39, Postkolonialen Studien und kritischer Migrations- und
    Rassismusforschung40, Disability Studies41 und Diversity Studies42, nur in Ansätzen in der
    Alternsforschung43. Diesbezüglich besteht der Bedarf, kategorien- und disziplinenübergrei-
    35 Becker (1995), Boll/Degener u. a. (1985).
    36 Boll/Degener u. a. (1985), Becker (1995), 81–89.
    37 Dazu eingehend Baer (2008).
    38 Walgenbach (2007), 39.
    39 Dazu arbeitet u. a. das außeruniversitäre Institut für Queer Theory Berlin/Hamburg, www.queer-institut.de
    (Zugriff 21.05.10) oder auch Prof. Sabine Hark an der TUB.
    40 Hier ist beispielsweise das Frankfurt Research Center for Postcolonial Studies (FRCPS) aktiv,
    http://normativeorders.net/de/component/article/289 title= (Zugriff 25.05.10), oder auch Prof. Ina Kerner
    mit entsprechender Denomination einer Juniorprofessur an der HUB.
    41 Vgl. dazu die Dokumentationen: Waldschmidt (2003), Hermes/Köbsel (2003).
    42 Die Alice Salomon Hochschule Berlin stellt die Diversity Studies in die Tradition der britischen Cultural
    Studies und thematisiert auch Aspekte wie Migration, Flucht, Klasse und Behinderung (s. Dokumentation
    des Workshops im Anhang); anders profiliert ist die FUB, Interdisziplinäres Forum Gender und Diversity
    (http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/ifgd/index.html, Zugriff 25.05.10); wieder andere befassen sich mit
    Diversity als betriebswirtschaftlichem Konzept, Krell (2007).
    43 Vgl. m. w. N. Baer (2009a).
    15
    fende Forschung zu Diskriminierung auch strukturell zu fördern.44 Durch die Behindertenrechtskonvention45
    ist Deutschland seit 2009 verpflichtet, „die Bedeutung der internationalen
    Zusammenarbeit und deren Förderung“46 anzuerkennen und „geeignete und wirksame
    Maßnahmen, zwischenstaatlich sowie, soweit angebracht, in Partnerschaft mit den einschlägigen
    internationalen und regionalen Organisationen und der Zivilgesellschaft,
    insbesondere Organisationen von Menschen mit Behinderung“47 zu treffen. Es kann dafür
    u. a. Maßnamen ergreifen, „die Forschungszusammenarbeit und den Zugang zu wissenschaftlichen
    und technischen Kenntnissen [...] erleichtern“48.
    Desgleichen ist bereits 1995 in der „Beijing Declaration and Platform for Action“ festgehalten
    worden, dass umfassender Bedarf besteht, Forschung vernetzt und übergreifend zu
    betreiben. Konkret mehrdimensionale Diskriminierung betreffend werden folgende Maßnahmen
    vorgeschlagen, die von statistischen Ämtern sowie relevanten Stellen gefördert
    werden sollen:
    „(a) Ensure that statistics related to individuals are collected, compiled, analysed and presented
    by sex and age and reflect problems, issues and questions related to women and men
    in society;
    (b) Collect, compile, analyse and present on a regular basis data disaggregated by age, sex,
    socio-economic and other relevant indicators, including number of dependants, for utilization
    in policy and programme planning and implementation;
    (c) Involve centres for women’s studies and research organizations in developing and testing
    appropriate indicators and research methodologies to strengthen gender analysis, as well as
    in monitoring and evaluating the implementation of the goals of the Platform for Action;
    (d) Designate or appoint staff to strengthen gender-statistics programmes and ensure coordination,
    monitoring and linkage to all fields of statistical work, and prepare output that
    integrates statistics from the various subject areas;
    (i) Strengthen vital statistical systems and incorporate gender analysis into publications and
    research; give priority to gender differences in research design and in data collection and
    analysis in order to improve data on morbidity; and improve data collection on access to health
    services, including access to comprehensive sexual and reproductive health services, maternal
    care and family planning, with special priority for adolescent mothers and for elder care;
    (j) Develop improved gender-disaggregated and age-specific data on the victims and perpetrators
    of all forms of violence against women, such as domestic violence, sexual harassment,
    rape, incest and sexual abuse, and trafficking in women and girls, as well as on violence
    by agents of the State;
    44 Erste Schritte zeigt das Projekt „Forschungslücken schließen“ der ADS; ADS (2010), 17.
    45 Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen
    mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention) sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember
    2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen,
    BGBl II. v. 31.12.2008, 1419.
    46 Behindertenrechtskonvention, Art. 32.
    47 Behindertenrechtskonvention, Art. 32.
    48 Behindertenrechtskonvention, Art. 32c.
    16
    (k) Improve concepts and methods of data collection on the participation of women and men
    with disabilities, including their access to resources.“ 49
    An die Regierungen werden für die Forschung folgende Forderungen gestellt:
    „(a) Ensure the regular production of a statistical publication on gender that presents and
    interprets topical data on women and men in a form suitable for a wide range of non-technical
    users;
    (b) Ensure that producers and users of statistics in each country regularly review the adequacy
    of the official statistical system and its coverage of gender issues, and prepare a plan for
    needed improvements, where necessary;
    (c) Develop and encourage the development of quantitative and qualitative studies by
    research organizations, trade unions, employers, the private sector and non-governmental
    organizations on the sharing of power and influence in society, including the number of
    women and men in senior decision-making positions in both the public and private sectors;
    (d) Use more gender-sensitive data in the formulation of policy and implementation of programmes
    and projects.“50
    Insgesamt zeigt sich also, dass Forschung gefragt ist, die eine differenzierte Auseinandersetzung
    mit unterschiedlichen Dimensionen von Diskriminierung ermöglicht.
    2.2 Prominente Konzepte
    In Deutschland gibt es bereits einige viel zitierte, also prominente Konzepte zu Intersektionalität.
    Im Zusammenhang dieser Expertise fragt sich, inwiefern sich diese Konzepte
    explizit oder implizit mit Diskriminierung beschäftigen. Nur selten sind daher Diversity-
    Konzepte ertragreich.51 Sie werden in Deutschland bislang primär in der Privatwirtschaft
    und dort primär im Personalmanagement52 genutzt. Sie verfolgen dort in erster Linie, oft
    auch ausschließlich ökonomische Ziele, wenden sich aber anders als z. B. in den USA selten
    deutlich gegen Diskriminierung.53 Zudem beinhalten sie mehrheitlich eher problematische
    Annahmen über Diskriminierung, insofern z. B. Geschlecht, Ethnizität, Alter etc. als
    „innere Dimensionen“ affirmativ aufgegriffen, aber auch fixiert und essenzialisiert werden,
    anstatt zu thematisieren, wie sehr diese Kategorisierungen ständig wechselnd konstruiert
    werden, und den Nachteilen entgegenzuwirken, die sich an ihnen festmachen.54
    Nachfolgend geht es demgegenüber um eine – begrenzte55 – Auswahl der bekanntesten,
    aber auch unterschiedlichen machttheoretisch informierten Konzepte von Intersektionalität,
    die also Diskriminierung thematisieren.
    49 Beijing Declaration and Platform for Action (1995), paragraph 206.
    50 Beijing Declaration and Platform for Action (1995), paragraph 207.
    51 Über den Nutzen von Diversity-Konzepten wurde auch auf dem Expertinnen- und Experten-Workshop
    diskutiert,
    s. Anhang. Zudem hat Diversity Eingang in diverse politische Programme gefunden (u. a. den
    Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP), bleibt dort aber bislang ein Schlagwort, mit dem eine
    gewisse demografische Vielfalt markiert werden soll.
    52 Frey (2007), 133.
    53 Heinrich-Böll-Stiftung (o. J.).
    54 Frey (2007), 129.
    55 Interessant sind hier auch Terkessidis (2010), Degele/Winker (2009) u. a.
    17
    Theoretisch wird dabei oft zwischen intra- oder interpersonalen Ebenen, mikro-, mesooder
    makrosozialen Ebenen und symbolisch-diskursiver oder materieller Ebene unterschieden.
    Hier scheint es produktiver, bestimmte andere Aspekte in den Vordergrund zu
    stellen. Zuerst stellt sich die zentrale Frage56, was sich jeweils eigentlich genau überschneidet
    oder kreuzt. Was sind die „Sektionen“ der Intersektionalität? Geht es um Individuen
    oder um Gruppenzugehörigkeiten? Geht es um (subjektive oder zugeschriebene) Identitäten
    oder um („natürliche“ oder sozio-kulturelle) Merkmale der Betroffenen, oder geht es
    um Gründe derjenigen, die diskriminieren?
    Zweitens geht es um den genauen Charakter des Sich-Überschneidens oder Kreuzens. So
    unterscheidet die Soziologin McCall drei Möglichkeiten57: Antikategoriale Konzepte stellen
    Kategorien grundsätzlich infrage, weil bereits die Konstruktion von Kategorien Ein- und
    Ausschlüsse mit sich bringe, denn Kategorien seien Normen und konstruierten immer auch
    ein Abweichen von der Norm. Solche Konzepte müssten sich auch von jeder Bezugnahme
    auf Benachteiligungsgründe (wie derzeit in § 1 AGG) verabschieden. Intrakategoriale Konzepte
    fragen nach dem Grad der Homogenisierung und nötigen Binnendifferenzierung
    von Kategorien, versuchen also, sie treffender zu fassen. Solche Konzepte interessieren sich
    vorrangig dafür, was Benachteiligungen hinsichtlich eines „Grundes“ für unterschiedliche
    Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen bedeuten. Interkategoriale Konzepte verwenden
    Kategorien strategisch, also makrosoziale Kategorien, entlang derer soziale Ungleichheiten
    konstatiert werden können, gemessen und abgebaut werden sollen. Hier geht es also
    eher um die größeren sozialen Zusammenhänge, die dazu führen, dass Menschen benachteiligt
    werden.
    Drittens fragt sich, welche – und damit auch wie viele – Kategorien warum berücksichtigt
    werden, ob es also Priorisierungen oder gar Hierarchisierungen gibt. Bislang ist in wissenschaftlichen,
    aber auch in den erwähnten politischen Debatten ein gewisser Schwerpunkt
    bei der Überschneidung von Rassismus und Sexismus zu beobachten. In den Gender
    Studies galt, eine weitere Kategorie hinzufügend, lange Zeit die Trias „race, class, gender“
    als erkenntnisleitend.58 Im Diversity Management gibt es eine große Variation an Ansätzen59
    und berücksichtigten Dimensionen, wobei
    „[in] der deutschen Diversity-Praxis [...] i. d. R. folgende Merkmale bzw. Merkmalsausprägungen
    berücksichtigt werden: Geschlecht bzw. Frau, Kultur im Sinne von Ethnizität/Nationalität
    bzw. Migrationshintergrund, Alter bzw. Ältere, Behinderung und familiäre Situation
    bzw. Interessen und Bedürfnisse hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben“60.
    56 Yuval-Davis (2006), 195: „However, … what is at the heart of the debate is conflation or separation of the different
    analytic levels in which intersectionality is located, rather than just a debate on the relationship of the
    divisions themselves.“
    57 McCall (2005). Ihr geht es um Forschungsmethodologien. Das mögliche Verhältnis zu Kategorien korreliert
    teilweise mit Disziplinen bzw. theoretischen Ansätzen und hat unterschiedliche methodische Arbeitsweisen
    zur Folge.
    58 Collins (1990), Strobl u. a. (1993), Klinger (2003), zu Hierarchisierungen innerhalb der Triade Walgenbach
    (2007), 42 f.
    59 Koall u. a. (2007).
    60 Krell (2008), 64, dort auch zur Vernachlässigung der Dimension Sexualität in der Diversity-Praxis, ebenso
    Losert (2007).
    18
    In § 1 AGG werden, je nach Auffassung, sechs oder auch acht Kategorien genannt, wenn
    „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des
    Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der
    sexuellen Identität“
    verboten werden. Aus einer Perspektive der Sozialwissenschaft schlagen Lutz und Wenning
    13 Differenzlinien vor: Geschlecht, Sexualität, „Rasse“/Hautfarbe, Ethnizität, Nation/Staat,
    Klasse, Kultur, Gesundheit, Alter, Sesshaftigkeit/Herkunft, Besitz, Nord-Süd/Ost-West,
    gesellschaftlicher Entwicklungsstand61.
    Hier stellt sich die Frage nach den Gründen für die Auswahl62. Sind in allen Kontexten die
    gleichen Kategorien relevant oder muss das immer neu, empirisch63, bestimmt werden?
    Deutlich wird, dass die Auswahl nicht nur begründet werden muss, sondern dass für
    bestimmte Kontexte eine offene Liste, also ein mittlerweile in den Gender Studies berühmtes
    „etc.“ am Ende einer Liste von Kategorisierungen, den Vorteil hat, je nach Kontext weitere
    relevante Kategorisierungen aufgreifen zu können64. Im Antidiskriminierungsrecht ist
    dies auf der Ebene der Menschenrechte als Verbot der Diskriminierung auch aus vergleichbaren
    Gründen mit unterschiedlichen Formulierungen lange anerkannt.65
    Deutlich ist auch, dass eine Hierarchisierung von Kategorisierungen problematisch wird.
    Einerseits fragt sich daher nicht nur, ob und welche Diskriminierungen thematisiert, sondern
    auch, ob und welche ausgeblendet und tabuisiert werden. Andererseits fragt sich, wann es
    in der Forschung, aber auch in der politischen Kommunikation sinnvoll und gerechtfertigt
    ist, sich auf bestimmte Kategorien zu konzentrieren.66 So mag es Kontexte geben, in denen
    über Rassismus gesprochen werden muss, ohne gleichzeitig Behinderung zu thematisieren,
    oder sexuelle Identität das Thema ist, ohne gleichzeitig über Alter zu sprechen. Die
    international bekannte Theoretikerin der Subalterne Spivak hat dies als „strategische
    Essenzialisierung“ diskutiert; ähnlich lässt sich auch die von der Rechtswissenschaftlerin
    Crenshaw benannte „politische Intersektionalität“ verstehen.67 Dann ist wieder wichtig,
    diese Priorisierungen transparent zu machen und inhaltlich zu begründen.
    2.2.1 „Achsen der Ungleichheit“
    Ein in Deutschland aus sozialwissenschaftlicher und philosophischer Perspektive von
    Klinger und Knapp entwickeltes Konzept der Intersektionalität thematisiert „Achsen der
    Ungleichheit“. Es setzt auf der makrosozialen Ebene an, denn diskutiert werden aus gesellschaftstheoretischer
    Sicht Überschneidungen von strukturellen Ungleichheiten, also
    61 Lutz/Wenning (2001), 20 .
    62 Hornscheidt (2007), 90 f., kritisiert, dass die Auswahl häufig willkürlich getroffen zu werden scheint, womit
    fälschlicherweise Beliebigkeit suggeriert wird und Forscherinnen und Forscher ihre Verantwortung nicht
    wahrnehmen.
    63 Rommelspacher (2009).
    64 Degele/Winker, (2009), 11.
    65 Die Auflistung von Diskriminierungsgründen wird mit unterschiedlichen Techniken offengehalten: „insbesondere“
    (z. B. Art 21 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta, Art. 14 EMRK), „ohne irgendeine Unterscheidung wie
    etwa“ und „oder sonstigen Umständen“ (Art. 2 AEMR); „oder des sonstigen Status“ (Art. 2 Abs. 2 IPWSKR).
    66 Für die Forschung ist es auch wichtig, keine Schlüsse von einer Kategorisierung auf die andere zu ziehen,
    sondern die Spezifika der Kategorisierungen für sich und im Zusammenwirken zu erkennen, dazu Vorschläge
    bei Verloo (2006) und Kerner (2009).
    67 Crenshaw (1994), 93 („identity-based politics has been a source of strength, community, and intellectual
    development“), Spivak (1988), 205.
    19
    Verhältnissen. Damit wenden sich die Autorinnen gegen eine zu starke Konzentration auf
    eine individuelle Ebene von Subjekten und deren Identitäten und Erfahrungen, die „starke
    Konzentration auf mikro- bis mesotheoretische Aspekte von Identität und Diskriminierung“
    68. Was sich hier „kreuzt“ sind also Strukturen. Es geht um strukturelle Diskriminierung
    und lässt sich auch gut mit institutioneller Diskriminierung verknüpfen, nach Supik:
    „die direkte oder indirekte Benachteiligung durch Mechanismen, die in die Organisationsstruktur
    gesellschaftlicher Institutionen eingelassen sind, und so ohne ‚böse Absicht einzelner‘
    Teilhabechancen ungleich verteilen. Sie finden statt im Ausbildungssystem, auf dem
    Arbeitsmarkt, oder im Gesundheitssystem, um einige Beispiele zu nennen. Sie zeigt sich
    häufig erst im statistischen Gruppenvergleich.“69
    Ähnlich wird von „struktureller“ Diskriminierung oft gesprochen, um Ungleichheitslagen
    zu kennzeichnen, die sich gesellschaftlich verfestigt haben, also individuelle Erfahrungen
    bedingen, aber von individuellen Absichten usw. weitgehend unabhängig funktionieren.
    Die drei Achsen der Ungleichheit, die nach Klinger und Knapp Beachtung finden sollen,
    sind Klasse, Geschlecht und „Rasse“/Ethnizität. Die Autorinnen erklären sowohl die Auswahl
    der Achsen als auch deren Vergleichbarkeit. Nur diese drei prägten nachhaltig
    Ungleichheit „nahezu aller Gesellschaften“70. Sie bilden, so Klinger und Knapp, das Grundmuster
    gesellschaftlicher Ungleichheitsverhältnisse durch den gemeinsamen Bezug auf
    Arbeit, denn alle drei wirken als Strukturierung und Segregation des Arbeitsmarkts, insgesamt
    der Reproduktions- und der Erwerbsarbeit. „Rasse“, Klasse und Geschlecht dienten der
    Legitimation der Abwertung bestimmter Tätigkeiten, durch die je spezifische, aber strukturell
    vergleichbare und sich wechselseitig informierende Erzeugung von Fremdheitseffekten.
    Damit liegt ein interkategorialer Ansatz vor. Empirisch lässt sich so das Zusammenwirken
    verschiedener Ungleichheiten beispielsweise bezüglich des „pay gap“ auf dem
    Erwerbsarbeitsmarkt untersuchen. Klinger und Knapp meinen das aber auch programmatisch:
    „Für uns steht außer Zweifel, dass die inter-kategoriale Zugangsweise das eigentliche Ziel ist,
    das allerdings noch in weiter Ferne steht.“71
    Das Konzept ist damit für ein Verständnis von mehrdimensionaler Diskriminierung im
    Bereich des AGG produktiv. Es ermöglicht, die in § 1 AGG genannten „Gründe“ als „Achsen
    der Ungleichheit“ zu begreifen, auf denen sich dann Benachteiligungssituationen abspielen,
    die als Diskriminierung untersagt sind.
    68 Klinger/Knapp (2007), 35 f.
    69 Supik (2008), 2; s. a. Gomolla/Radtke (2007); Hormel/Scherr (2004).
    70 Klinger/Knapp (2007), 20.
    71 Klinger/Knapp (2007), 36.
    20
    2.2.2 „Interdependenzen“
    In Deutschland ist daneben ein weiteres Konzept entwickelt worden, dass anders als bei der
    Kreuzung („intersection“) keinen Zusammenprall getrennter Gründe, sondern eine wechselseitige
    Verschränkung der Diskriminierungsgründe von Anfang an und in sich kenntlich
    machen will. Es beruht auf den Arbeiten in den Gender Studies an der Humboldt-Universität
    zu Berlin, die anhand von „Gender“ exemplarisch zeigen, dass Konzepte von
    abgrenzbaren, sich überschneidenden Kategorien eine Vorstellung reproduzieren, in der
    Kategorien einen „genuinen Kern“ haben.72 Demzufolge liegt das Risiko von Intersektionalitätskonzepten,
    die mit Metaphern wie Straßenkreuzungen oder Achsen arbeiten, in der
    Bestätigung einer Norm, die doch gerade infrage gestellt werden soll. Daher schlagen die
    Autorinnen vor,
    „Gender als interdependente Kategorie zu fassen. Mit dem Begriff Interdependenzen werden
    folglich nicht mehr wechselseitige Interaktionen zwischen Kategorien gefasst, vielmehr
    werden soziale Kategorien selbst als interdependent konzeptualisiert. In der Konsequenz
    bedeutet dieser Vorschlag, dass auch die Kategorien Klasse, Ethnizität oder Sexualität als
    interdependente Kategorien gedacht werden müssen.“73
    Dies ist ein tendenziell antikategoriales Konzept von Intersektionalität, hat aber auch
    Anteile einer intrakategorialen Analyse. So ist die Konstruktion von Kategorien selbst zum
    Thema gemacht und kritisch analysiert, um aber auch mehrdimensionale Ungleichheitserfahrungen
    eingedenk der sie prägenden Kategorisierungen verstehen zu können.
    „Die Annahme von Kategorien ist in Theoretisierungen zu Interdependenzen und Intersektionalität
    die unhinterfragte Grundlage der Untersuchung ihrer Komplexität und Bedingtheit.
    Daher soll in diesem Beitrag ergänzend und in Kritik an bisherigen Ansätzen die Ebene der
    Kategorie genauer betrachtet werden.“74
    Die Herstellung von Kategorien erfolgt, so die Linguistin Hornscheidt, durch Sprache:
    „Aus einer perspektivisch-pragmatischen linguistischen Sicht75 […] sind Kategorien durch
    sprachliche Benennungspraktiken getragene und hergestellte Kategorisierungen, die so
    stark konventionalisiert
    sind, dass sie den Anschein der Vorgängigkeit und Natürlichkeit
    besitzen können – aus der prozesshaften Kategorisierung wird so im Sprachgebrauch und im
    Denken eine zumindest temporär feststehende und der sprachlichen Benennung vorgängige
    Kategorie.“ Fn: Hornscheidt (2007), 67.
    Benennungspraktiken führen also zur Kategorisierung von Menschen und damit immer
    sowohl zu Ein- als auch Ausschlüssen. Damit sind sie eine machtvolle Differenzierung in
    diejenigen, die dazugehören, und diejenigen, die nicht dazugehören – beispielsweise in vor
    72 Nicht immer ganz klar ist, was genau intersektional zusammenwirkt. Angesprochen werden z. B. Dominanzverhältnisse,
    aber auch Subjektpositionen und Identitätskategorisierungen. Nach Walgenbach liegt
    dem Konzept ein „Verständnis von sozialen Kategorien, welche die Qualität struktureller Dominanz aufweisen“,
    zugrunde. Die Auswahl der relevanten Kategorien sei „kontextabhängig und historisch variabel“, es
    gebe „keine ‚richtige‘ Analyse“, Walgenbach (2007), 58.
    73 Walgenbach u. a. (2007), 9.
    74 Hornscheidt (2007), 72.
    75 „Sprache wird in einem perspektivisch-pragmatischen Ansatz nicht als Mittel der Abbildung einer außersprachlichen
    Realität, sondern als ein Realität herstellendes Mittel aufgefasst“, Hornscheidt (2007), 79.
    21
    Diskriminierung rechtlich Geschützte oder von Antidiskriminierungsberatung Adressierte
    oder auch „die anderen“ oder die „nicht Betroffenen“. Benennung teilt damit in imaginierte
    Gruppen und stellt weitere Bedeutungsebenen her76. Zudem sind Benennungen ontologisierende
    Vorgänge, denn was benannt wird, „ist“ in dem Moment „so“. Für die auch juristische
    Arbeit gegen Diskriminierung ergibt sich daraus das „feministische Dilemma“ oder
    „Dilemma der Differenz“77, einerseits etwas als Unrecht benennen zu wollen, andererseits
    aber damit zu verdecken, dass dies hergestellt wird, Veränderungen unterliegt, nicht
    essenziell ist.
    Genauer: Die im Diskriminierungskontext häufige ontologisierende Kategorisierung durch
    Sprache erzeugt das Problem, das es lösen soll, Menschen zu kategorisieren. Das ist mit
    Blick auf die Bezeichnung einiger Kategorien auch bereits Thema öffentlicher Debatten. So
    wird vielfach kritisiert, dass und wenn sich Recht gegen Diskriminierung auf den Begriff
    „Rasse“ bezieht, der selbst rassistisch ist.78 Desgleichen entzünden sich Diskussionen am
    Begriff „Behinderung“.79 Aber auch der Begriff „Alter“ fixiert etwas, was sich eigentlich
    nicht fixieren lässt, weil das chronologische Lebensalter äußerst unterschiedlich wirkt,80
    und der Begriff „Geschlecht“ suggeriert zwei klar voneinander abgrenzbare Geschlechter,
    obwohl heute Geschlecht schon in der Rechtsprechung als mehrdimensionales und höchst
    heterogenes Spektrum verschiedener Merkmale betrachtet wird, was es ermöglicht, auch
    Inter- und Transsexualität sowie Transgender-Lebensweisen besser zu verstehen.81
    Das Konzept der Interdependenzen ist also besonders informativ, wo es um die Folgen sprachlicher
    Benennungspraxen geht. Es zwingt dazu, infrage zu stellen, wie wir über Menschen
    und deren Erfahrungen sprechen, und fordert dazu auf, angemessene Formen zu entwickeln,
    wie Diskriminierung adressiert werden kann, ohne sie sprachlich zu wiederholen.82
    2.2.3 „Intersectionality“
    Neben den beiden deutschen Vorschlägen steht das Konzept von Crenshaw, das bereits
    einführend skizziert worden ist. Was genau bringt es für das Verständnis mehrdimensionaler
    Diskriminierung? Crenshaw selbst hat die Metapher einer Straßenkreuzung benutzt,
    um im Fall einer Klage gegen General Motors zu zeigen, wo Gleichstellungsrecht problematisch
    ist und Diskriminierung nicht verhindern kann. In der Geschichte des Unternehmens
    spiegelte sich eine gesellschaftliche Entwicklung von diskriminierenden Ausschlüssen und
    Chancenungleichheiten beim Zugang zum Erwerbsarbeitsmarkt der Industrie, die in dem
    Fall kulminierte: Als aus ökonomischen Gründen ein Teil des Personals entlassen werden
    76 Wie zum Beispiel, dass es immer nur genau zwei mögliche Gruppen gäbe, dass eine Zuordnung zu der
    einen Gruppe die Zuordnung zu der anderen Gruppe ausschließe und dass sich die Gruppen in ihren Eigenschaften
    ergänzen würden, Hornscheidt (2007), 77.
    77 Baer (1996).
    78 Cremer (2009, 2010), RL 2000/43/EG, Erwägungsgrund 6, BT- Drs. 16/1780 vom 08.06.2006, 31 f. Hier stellt sich
    auch die Frage, wie das Verhältnis zwischen den im AGG benannten Aspekten und Nationalität bzw. Staatsangehörigkeit
    ist. Vom Regelungsbereich soll diese nicht umfasst sein; tatsächlich werden Menschen aber
    auch „als Ausländer“ diskriminiert.
    79 Dederich (2007), 48: „Die Unterdrückung und Diskriminierung von behinderten Menschen wird demnach
    in der Sprache nicht einfach abgebildet, sondern wird durch diese manifestiert und gefördert – es sind Funktionen
    der Sprache.“
    80 M. w. N. Baer (2009a).
    81 Büchler/Cottier (2004), Adamietz (2006), Koch-Rein (2006), Tesauro im Schlussantrag zu EuGH C-13/94,
    „P./S.“, Slg. I-2143 (2153).
    82 Bekannt ist diese Problematik beispielsweise im Falle der – von Gegnern dieses Gleichstellungsinstruments
    benutzten – Stigmatisierung von Frauen durch die „Quote“.
    22
    sollte, waren in erster Linie Schwarze Arbeitnehmerinnen – die erst nach Schwarzen Männern
    und weißen Frauen eingestellt worden waren – betroffen. Ihre Klage blieb vor Gericht
    erfolglos, da dies weder akzeptierte, dass sexistische Diskriminierung vorlag – weil weiße
    Frauen keine Kündigung erhalten hatten –, noch, dass rassistische Diskriminierung vorlag –
    weil Schwarze Männer ihre Arbeitsplätze behalten konnten. Dieser Typ von Diskriminierung,
    so Crenshaw, sei intersektional:
    „discrimination as Black women – not the sum of race and gender discrimination, but as
    Black women“83.
    Schwarze Frauen, so Crenshaw, befänden sich metaphorisch auf einer Straßenkreuzung,
    wo aus unterschiedlichen Richtungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten Diskriminierung
    auf sie zukomme, sie erfasse und verletze. Intersektionalität steht also bei Crenshaw für die
    spezifische soziale Position von „women of color“. Sie sei, so Crenshaw, vor Gericht nicht
    sichtbar. Die Erfahrung Schwarzer Frauen werde unsichtbar gemacht, indem weiße Frauen
    zur Betroffenheitsnorm sexistischer und Schwarze Männer zur Betroffenheitsnorm rassistischer
    Diskriminierung gemacht würden. Dadurch werde nicht nur ein verkürztes Verständnis
    von Rassismus und Sexismus reproduziert, nämlich jeweils nur die Auswirkungen
    auf die jeweils relativ Privilegierten, sondern so werde auch grundlegender gesellschaftlicher
    Wandel verhindert, da alle Diskriminierten davon profitieren könnten, wenn die
    Veränderung der Situation Mehrfachdiskriminierter zum Ziel von Antidiskriminierungspolitiken
    gemacht würde.
    Crenshaws Analyse verdeutlicht die Problematik von Antidiskriminierungspolitiken, die
    sich auf nur jeweils eine Achse konzentrierten: Sie blenden die Erfahrungen Schwarzer
    Frauen aus, wenn Diskriminierung eben nicht auf alle (weißen) Frauen zutrifft („es wurden
    ja nicht alle Frauen diskriminiert“). Oder sie konstruieren sie als so unterschiedlich gegenüber
    weißen Frauen oder Schwarzen Männern, dass der Tatbestand von Schwarzen Frauen
    nicht erfüllt werden kann („Schwarze Frauen können nicht wegen sexistischer Diskriminierung
    klagen, es ist doch ein Sonderfall“). Demgegenüber gehe es nicht zuletzt im Recht
    darum, strukturelle Intersektionalität ernst zu nehmen, also die Überschneidung von
    Herrschaftssystemen – „the interaction of racism and patriarchy generally“84 – und auch
    spezifische soziale Positionen an dieser Kreuzung:
    „the location of women of color both ... within overlapping systems of subordination“85.
    Etwas anders gelagert ist demgegenüber die politische Intersektionalität. Letztlich identitätsbasierte
    Politiken können sich so überschneiden, dass sie sich zum Nachteil derjenigen
    auswirken, die von struktureller Intersektionalität betroffen sind. Deutlich wird dies am
    „intersectional disempowerment“, von dem Schwarze Frauen betroffen sein können, wenn
    sie in feministischen Kontexten mit Rassismus und in antirassistischen Kontexten mit Sexismus
    konfrontiert werden und um einen Ort kämpfen müssen, an dem sie nicht einen Teil
    ihrer politischen Interessen verteidigen oder abspalten müssen.86 Dies ist auch für die
    83 Crenshaw (1991), 64.
    84 Crenshaw (1994), 12.
    85 Crenshaw (1994), 12, zu politischer Intersektionalität oben in 2.2.
    86 „So kann beispielsweise die Angst davor, Rassismus zu schüren, Migrantinnen und Migranten dazu verleiten,
    bestimmte Unrechtserfahrungen zumindest gegenüber Mehrheitsangehörigen zu negieren“, Prasad
    (2008), 12.
    23
    institutionelle, konsultative und partizipatorische Gestaltung von Beratungsarbeit gegen
    Diskriminierung wichtig: Hier sollte verhindert werden, dass sich Menschen als Vertretung
    für eine Diskriminierung präsentieren müssen, also als Frau, als Migrant, als behindert
    usw., sondern es geht darum, sowohl die Spezifik einzelner Diskriminierungsstrukturen
    als auch diejenige individueller mehrdimensionaler Erfahrungen zu thematisieren.
    Ein Beispiel für die Herausforderungen, die darin liegen, ist wieder die Debatte um das
    muslimische Kopftuch in Deutschland: Wenn Gleichberechtigung im Geschlechterverhältnis
    zur Anforderung wird, die nur an Muslime oder „den Islam“ gestellt wird, finden emanzipierte
    Muslima keinen Ort, denn sie werden gezwungen, entweder auf der Seite „des Islam“
    zu stehen und damit keine Gleichberechtigung von Frauen zu fordern, oder aber „feministisch“
    zu „sein“, sich also gegen ihren Glauben zu stellen.87 Wenn Runde Tische o. Ä. zu
    Fragen der „Integration“ usw. dann Muslime und Frauen gegeneinanderstellen, wird diese
    Stereotypisierung gefördert, anstatt Diskriminierung zu bekämpfen.
    2.2.4 Mehrfachdiskriminierung: „Multiple, compound und intersectional
    discrimination“
    Der Rechtswissenschaftler Makkonen, Mitglied des von der Europäischen Kommission
    geprägten „European Network of Independent Experts in the Non-Discrimination Field“,
    hat ein weiteres Konzept vorgelegt, das auch von der Europäischen Kommission genutzt
    wird.88 Er unterscheidet „multiple discrimination“, „compound discrimination“ und „intersectional
    discrimination“89 als Oberbegriffe. „Multiple discrimination“ oder Mehrfachdiskriminierung
    meint nach Makkonen
    „a situation in which one person suffers from discrimination on several grounds, but in a
    manner in which discrimination takes place on one ground at a time“90.
    „Multiple“ bezeichnet also eine Addition oder Akkumulation von Diskriminierung aus
    unterschiedlichen Gründen zu unterschiedlichen Zeitpunkten bzw. an unterschiedlichen
    Orten. Als Beispiel nennt Makkonen die Diskriminierung einer Frau mit Behinderung beim
    Zugang zu Karriere aufgrund ihres Geschlechts und beim Zugang zu einem Gebäude aufgrund
    ihrer Behinderung. Sozial verbinden sich diese Erfahrungen zu einer Lebenslage für
    eine Person. Anders als in dem Fall der rassistisch-sexistischen Kündigungspraxis, der bei
    Crenshaw im Vordergrund stand, sind hier jedoch unterschiedliche Zeitpunkte und Akteure
    von Bedeutung. Juristisch wären sie auch deshalb als zwei Fälle zu behandeln. Das Beispiel
    von Makkonen ist jedoch wichtig für die politische Kommunikation und die Aufklärungsarbeit
    gegen Diskriminierung sowie die Beratungspraxis und Organisationskulturen, die
    auf Diskriminierungsfreiheit setzen: Sie müssen alle Strukturen begreifen, die Benachteiligungen
    ausmachen. Makkonen konzipiert daneben die „compound discrimination“ als
    87 Umgekehrt funktioniert das auch, aber mit weniger nachteiligen Folgen: Feministinnen sind gefordert,
    sich gegen Muslime zu stellen, und gelten als frauenfeindlich, wenn sie eine pauschale Kritik an fehlender
    Gleichberechtigung verweigern.
    88 Europäische Kommission (2007), 15–17.
    89 Zudem erwähnt er die „overlapping discrimination“ in Situationen, in denen mehrere Diskriminierungsgründe
    präsent sind, aber nicht gleichzeitig wirken. Das Beispiel (ein Unternehmen mit der informellen
    Politik, keine Menschen mit Migrationshintergrund und keine Menschen mit Behinderung einzustellen) ist
    allerdings schon Beispiel für „compound discrimination“, denn behinderte Menschen mit Migrationshintergrund
    sind spezifisch betroffen. Makkonen (2002), 12.
    90 Makkonen (2002), 10.
    24
    „a situation in which several grounds of discrimination add to each other at one particular
    instance: discrimination on the basis of one ground adds to discrimination based on another
    ground to create an added burden“91.
    Beispiel sei die Segregation des Erwerbsarbeitsmarkts, nach der bestimmte Berufe als
    Frauenberufe, andere als Männerberufe betrachtet werden, aber gleichzeitig bestimmte
    Berufe auch als Berufe für Menschen mit bestimmten Migrationshintergründen, andere als
    Berufe für weiße Deutsche ohne diese Migrationshintergründe gelten. Für Migrantinnen
    erschwert dies die Chancen der Jobsuche, da sich für sie beide Segregationsmechanismen
    diskriminierend auswirken. Diese „compound discrimination“ wird meist als „verstärkende
    Diskriminierung“ übersetzt, was allerdings eine mathematische Addition oder Multiplikation
    nahelegt. Das legt den Schluss nahe, Migrantinnen hätten die schlechtesten Chancen
    am Arbeitsmarkt. Vielfach erweist sich dies jedoch als Kurzschluss. So gibt es Bereiche,
    in denen insbesondere junge Männer mit Migrationshintergrund chancenlos bleiben. Das
    spricht dafür, sich hier eher an Crenshaw zu orientieren und nicht von „Verstärkung“,
    sondern von einem je spezifischen Zusammentreffen zu sprechen.
    Schließlich ist nach Makkonen – ausdrücklich im Anschluss an Crenshaw – die „intersectional
    discrimination“ in einem engeren Sinn – also nicht als Oberbegriff –
    „such a situation in which there is a specific type of discrimination, in which several grounds
    of discrimination interact concurrently“92.
    Diese Diskriminierung kommt also durch das spezifische Zusammenwirken mehrerer
    Diskriminierungsgründe zustande. Als Beispiel wird die Zwangssterilisation von Frauen
    mit Behinderung angeführt. Weder Frauen ohne Behinderung noch behinderte Männer
    seien davon betroffen.93 Dies ähnelt dem Fall der rassistisch-sexistischen Kündigung:
    Bestimmte Menschen stehen an der Stelle, wo sich zwei Benachteiligungspolitiken treffen.
    Insgesamt hilft das Konzept von Makkonen also vorrangig dabei, auch Diskriminierung zu
    verstehen, die sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten aus unterschiedlichen Gründen in
    unterschiedlichen Situationen für ein und dieselbe Person verwirklicht; dies lässt sich als
    Mehrfachdiskriminierung kennzeichnen.
    2.3 Zwischenfazit
    Das Konzept der Intersektionalität hat, so zeigt die Untersuchung, sowohl in sozialen Bewegungen
    als auch in der Forschung als Auseinandersetzung mit Diskriminierung eingedenk
    der in sich interdependenten „Achsen der Ungleichheit“ eine vielfältige Geschichte. Diese
    ist für die Konzeptionalisierung mehrdimensionaler Diskriminierung wichtig. Die Probleme,
    die hier Thema sind, werden auch im Umgang mit den verschiedenen Formen von
    Diskriminierungen in rechtlichen Normen, in der Rechtspolitik, der Rechtsprechung und
    der Rechtswissenschaft deutlich werden. Doch schon jetzt ergeben sich für die Öffentlichkeits-
    und Bildungsarbeit sowie für die politische Arbeit der Antidiskriminierungsstelle
    und auch für die juristische Praxis wichtige Hinweise.
    91 Makkonen (2002), 11.
    92 Makkonen (2002), 11.
    93 Makkonen (2002), 11.
    25
    Ausgangspunkt der Entwicklung der Auseinandersetzung mit Intersektionalität ist eine
    Kritik an der Reduzierung auf ein Merkmal, einen Grund, eine Dimension der Diskriminierung.
    Es geht hier nicht um Verschiedenheit, Differenz oder schlichte Vielfalt, sondern um
    Ungleichheiten und Hierarchien, um Diskriminierung, denn
    „es ist eine blinde, eine unhistorische Vorstellung – als ginge es bei Sexismus mal um die Frauen,
    mal um die Männer, bei Rassismus mal um Schwarze, mal um Weiße usw. – und nicht
    etwa um tradierte Benachteiligungen, die nicht automatisch oder immer, aber im sogar
    empirisch nachweisbaren Regelfall ‚die Anderen‘ treffen, also hierzulande: Frauen, Migrantinnen
    und Migranten, nicht-Christinnen und Christen, Alte und Kinder, Behinderte etc. Es
    ignoriert den Kern von Diskriminierung – die ungleiche Verteilung von Chancen, Ressourcen,
    Anerkennung, die eben nicht willkürlich oder gar zufällig, sondern historisch gewachsen tief
    in gesellschaftliche Strukturen eingeschrieben ist, die Privilegien der Normalität sichern.“94
    Die gesellschaftliche Chancenverteilung ist durch Kategorisierung entlang bestimmter
    Strukturen, die sich als „Achsen“ darstellen lassen, eben spezifisch ungleich. Geld, frei oder
    flexibel verfügbare Zeit, Zugang zu einflussreichen Positionen, die Verwirklichung persönlicher
    Wünsche, Sicherheit vor jeglicher Form von Gewalt, also Anerkennung und Ressourcen,
    mithin Chancen sind nicht zufällig verteilt, sondern durch Rassismus, durch altersbezogene
    Benachteiligung, durch Behinderungen, also die Ausgrenzung von Menschen als
    behindert, durch Sexismus und Heterosexismus strukturiert. Es handelt sich dabei nicht in
    erster Linie um „Phobien“ oder „Feindlichkeit“, auch wenn diese Redeweise sich teilweise
    im politischen Kontext etabliert hat. Sie birgt jedoch die Gefahr der Individualisierung und
    Psychologisierung.95 Vielmehr findet Diskriminierung ihre Grundlage in bestimmten
    kulturellen, symbolischen Ordnungen, ideologischen Verfestigungen und in Strukturen,
    die sich in verletzenden, nachteiligen Erfahrungen manifestieren. So verdeutlicht Heterosexismus
    im Gegensatz zu „Homophobie“ oder „Transphobie“, dass es sich um Diskriminierung
    aufgrund der Norm der heterosexuellen Zweigeschlechtlichkeit – mit genau zwei
    verschiedenen, natürlichen, sich ergänzenden, sich begehrenden Geschlechtern – handelt.
    Damit wirkt sich die Orientierung an einer binären biologischen Geschlechterordnung
    sowohl in den Lebensweisen zulasten von Homosexuellen oder Bisexuellen wie auch in der
    individuellen Identität zulasten von Inter- und Transsexuellen aus.
    Unterschiedliche Menschen sind von sozial wirksamen Kategorisierungen daher auch
    unterschiedlich betroffen, denn Menschen nehmen soziale Positionen hinsichtlich aller
    Kategorisierungen ein: Alle haben ein Geschlecht, eine sexuelle Identität, ein Alter usw. Das
    wird auch in der Begründung des Gesetzentwurfes des AGG deutlich.96 Manche Kategorisierungen
    sind wichtig für die Identität einer Person, dies ändert sich im Laufe der Zeit und
    es kann Benachteiligungen, aber in bestimmten Zusammenhängen auch Privilegien ausmachen.
    So sind in Deutschland weiße Menschen hinsichtlich rassistischer Kategorisierung
    regelmäßig privilegiert, was dazu führt, dass Weißsein die Norm darstellt und auch
    unsichtbar gemacht wird, eine Person also auch nie gezwungen ist, darüber nachzudenken,
    ob oder dass sie weiß ist, wenn sie sich nicht damit beschäftigt, um sich zu fragen, was
    sie als Weiße für den Abbau struktureller oder institutioneller Diskriminierung an ihrem
    Arbeitsplatz, einer Schule usw. tun kann. Desgleichen werden Frauen und Männer regelmäßig
    als heterosexuell kategorisiert, weshalb lesbische bzw. schwule oder bisexuelle
    94 Baer (2009b), 4.
    95 Hartmann/Klesse (2007), 10 f.
    96 Dazu unten 3.1.2.
    26
    Frauen und Männer, soweit und wo sie Diskriminierung befürchten, ihre sexuelle Identität
    nicht thematisieren. Vielleicht werden sie aufgrund von Geschlechternormen, die unsere
    Einschätzung von Aussehen und Verhalten prägen, von manchen für lesbisch bzw. schwul
    gehalten, aber niemand spricht darüber. Andere erzählen vielleicht auch ganz selbstverständlich
    von sich, zum Beispiel von Partnerschaft, in der sie ein Kind haben. Strukturen
    wirken also hierarchisierend, aber Individuen erfahren dies unterschiedlich.
    Eingedenk dieser Überlegungen liegt es nahe, anstelle von Gründen oder Merkmalen von
    „Dimensionen“ der Benachteiligung zu sprechen. Zwar kann der Begriff allein abstrakt
    wirken. Als Oberbegriff ermöglicht er aber dann eine kontextualisierte Differenzierung. So
    sollte insbesondere in Kontexten, in denen es um Forschung und Expertise geht, aber auch
    in rechtspolitischen und weiteren politischen Zusammenhängen unseres Erachtens der
    Begriff „Kategorisierung“ im Vordergrund stehen. Dagegen spricht zwar der Charakter als
    Fremdwort. Doch ist gerade die Verfremdung eine wichtige Botschaft: Einfach sind die
    Fälle der Diskriminierung nicht. Das Wort betont im Unterschied zu „Gründe“, „Merkmale“
    oder auch „Kategorien“ den aktiven Prozess der Herstellung von benachteiligender Wirklichkeit
    durch Sprache.97 Werden ethnische (oder dann besser: ethnisierte) Herkunft,
    Geschlecht (oder: Vergeschlechtlichung), Religion und Weltanschauung (oder: Kulturalisierung),
    Behinderung (oder: behinderte Entfaltung), Alter (oder: Bio-chronologisierung) und
    sexuelle Identität (oder: sexuelle Normierung) als „Kategorisierungen“ bezeichnet, wird
    sprachlich deutlich, dass es nicht um etwas geht, was Menschen haben oder in unterschiedlichen
    Ausprägungen „sind“, sondern um Einteilungen, die von diskriminierenden Personen
    in bestimmten Machtpositionen gemacht werden. „Kategorisierungen“ können sich
    dann auch in Selbstwahrnehmungen und Identitäten widerspiegeln, als Mann, als heterosexuelle
    Mutter, als junge Lesbe, als reiche Muslima etc., aber – und das macht einen großen
    Unterschied – sie müssen es nicht. Der Begriff „Kategorisierung“ suggeriert zudem den
    Zusammenhang zwischen Benachteiligungen und Normen, also kategorialen Unterscheidungen.
    Ausgrenzung oder eben Diskriminierung ist eine Einteilung in normkonform und
    nicht normkonform, was grundlegend für ein Verständnis von Diskriminierung ist.
    „Kategorisierung“ bewirkt also assoziativ ein differenziertes, durchaus gewollt komplexes
    Verständnis von Diskriminierung. Darin liegt in der Rechtswissenschaft und vor Gericht, in
    der Politik und in der Sensibilisierung und in bestimmten Teilen der Bildungsarbeit zu
    Diskriminierung ein deutlicher Mehrwert. In bestimmten Kontexten können andere
    Begriffe sinnvoll sein, doch sollten die Argumente, die gegen die üblichen Begriffe stehen,
    dann jeweils aktiv adressiert werden. Wichtig ist auch hier, dass Intersektionalität nichts
    Abstraktes, sondern etwas Kompliziertes, nichts Unbegreifliches, sondern etwas Wichtiges
    ist, und dass auch die wissenschaftliche Beschäftigung damit mit der Komplexität von
    Lebensrealitäten und vielschichtigen Ungleichheiten umgehen muss.
    Daneben ist es wichtig, Diskriminierung benennen zu können, bei der mehrere Kategorisierungen
    zusammenwirken. Auch im Englischen sind hier mehrere Begriffe im Umlauf
    („intersectional“ und „multiple discrimination“) und es werden Ausprägungen unterschieden:
    additive Diskriminierung (auch „compound“, „vermehrt“ oder „doppelt“ genannt) und
    verschränkte Diskriminierung (auch „intersectional“ im engeren Sinne bzw. „intersektionell“
    genannt). Analytisch ist das teilweise hilfreich; juristisch scheint es nicht zwingend.
    97 Dies ist auch der Vorteil gegenüber dem Begriff Kategorie, der in der Intersektionalitätstheorie wie oben
    gezeigt gebräuchlich ist.
    27
    Deutlich ist, dass Begriffe, die Addition nahelegen, problematisch sind. Das gilt wohl auch
    für den Begriff „mehrfach“. Ziel muss dagegen vielmehr sein, Hierarchisierungen zwischen
    Ungleichheiten und Stigmatisierungen von Betroffenen als doppelten Opfern zu vermeiden,
    also mit der Benennung nicht die ontologisierende Verkürzung zu wiederholen, die
    gerade die Diskriminierung ausmacht. Das wird in der Forschung auch als Dilemma
    beschrieben, fordert aber eher dazu auf, hier bessere Begriffe zu finden. Deutlich ergibt
    sich aus der Forschung, dass Kategorisierungen wie beispielsweise die des § 1 AGG nicht
    getrennt voneinander betrachtet werden können. Sie sind eng miteinander verknüpft,
    verschränkt, überschneiden sich, beeinflussen sich, sind interdependent und äußern sich
    als mehrdimensionale Diskriminierung.
    Es scheint daher sinnvoll, vorrangig mit dem Begriff mehrdimensionale Diskriminierung
    zu arbeiten. Dagegen ließe sich einwenden, dass „… dimensional“ kompliziert klinge und
    ein Fremdwort nutze. Andererseits ist das auch hier Teil der Botschaft: Diskriminierung
    sollte als nicht einfacher Fall markiert werden. Der alternative Begriff „intersektional“
    würde demgegenüber die Grenze der Alltagsvorstellungen eher sprengen: „Dimensionen“
    liegen näher am hier interessierenden Problem als „Sektionen“.
    Weiter ließe sich gegen diesen Begriff einwenden, dass § 4 AGG wie auch die Gesetzesbegründung
    von „mehreren Gründen“ spricht. Es ist sicher Aufgabe der Rechtswissenschaft
    und Rechtsprechung, das sinnvoll zu dogmatisieren und so eine Anwendung auf Fälle
    sicherzustellen, die gerade nicht mehrere aufeinander folgende Handlungen beinhalten,
    sondern ein spezifisches Zusammentreffen. Der Sinn der Regel wird mit dem Begriff „mehrdimensional“
    deutlicher. So ließen sich auch Fehlschlüsse vermeiden, die Benachteiligte
    entgegen der Absicht des Gesetzgebers schlechter stellen.98
    In der informierenden Kommunikation mit der Öffentlichkeit wird es selbstverständlich
    wichtig sein, mehrdimensionale Diskriminierung zu erläutern und dabei auf unterschiedliche
    Fallkonstellationen, auf die Gefahr der Stereotypisierung, der Priorisierung und
    Hierarchisierung und der Essenzialisierung deutlich hinzuweisen.99 Der Begriff „mehrdimensionale
    Diskriminierung“ lässt grundsätzlich offen, wie das Zusammenwirken von
    Kategorisierungen ist, was es als Vorteil zu nutzen gälte.
    Weiterer Oberbegriffe bedarf es unseres Erachtens nicht. Es ist zwar wichtig, darüber zu
    sprechen, dass Menschen auch von unterschiedlichen Benachteiligungen in unterschiedlichen
    Zusammenhängen betroffen sind („additiv“), doch ist jede Diskriminierung Unrecht
    und eine Einteilung als weitere Kategorisierung (im „Dilemma der Differenz“) eher problematisch.
    Die Alternativen bieten weniger Vorteile. Gegen eine Verwendung des Begriffs Mehrfachdiskriminierung
    spricht, dass er eine mathematische Assoziation aufruft. Die Vorstellung,
    verschiedene Diskriminierungen könnten schlicht addiert werden und ergäben dann eine
    doppelte oder dreifache Diskriminierung, wird der Komplexität von Diskriminierung
    jedoch nicht gerecht. Außerdem legt der Begriff nahe, die Diskriminierung würde „schlimmer“
    oder „verletzender“. Damit läge der Fokus jedoch auf den Gründen für eine Benachteiligung,
    nicht aber auf der Benachteiligung, also den Folgen der Diskriminierung selbst.
    98 Das problematische Beispiel ist Adomeit/Mohr zur Nichtanwendbarkeit § 4 AGG, s. 3.1.4.
    99 ADS (2010), 5.
    28
    Dann wären die Beweggründe der Verantwortlichen oder gesellschaftliche Strukturen
    auch wichtiger als die Erfahrung der Betroffenen. Arbeit gegen Diskriminierung bedeutet
    aber gerade, die Erfahrung der Betroffenen als Benachteiligung anzuerkennen, auch wenn
    sie sich „nur“ auf einen Grund bezieht. Eine Hierarchisierung schwerer und weniger schwer-
    wiegender Benachteiligungen ist mit Blick auf die Gründe unangemessen.
    Desgleichen sprechen auch Argumente gegen eine weitere systematische Differenzierung
    in Unterfälle. Das Wesentliche lautet: Jede Diskriminierung ist anders, jede wird individuell
    erlebt, und fast alle sind mehrdimensional, auch wenn nicht immer alle Dimensionen
    gleichermaßen gewichtig sind. Manchmal führt erst die Verschränkung von mehreren
    Kategorisierungen zu einer Benachteiligung, manchmal wirken verschiedene Kategorisierungen
    „nebeneinander“. In Lebenssituationen lässt sich das aber nicht „sauber“ trennen.
    Die schlechte Beurteilung in einem Bewerbungsgespräch kann auf diskriminierende Vermutungen
    über die verminderte Leistungsfähigkeit aufgrund einer Behinderung oder die
    Unterstellung, Frauen wären weniger karriereorientiert als Männer, oder den als nicht
    deutsch wahrgenommenen Namen zurückgehen, oder auf eine bestimmte Kombination
    dieser Vermutungen. Zudem sind, was das Konzept der Interdependenzen verdeutlicht,
    Kategorisierungen miteinander verwoben, voneinander abhängig, eben interdependent:
    An rassistischer Diskriminierung hängen immer spezifische Vorurteile über und Normvorstellungen
    für Schwarze (und andere für weiße) Männer und für Schwarze und (andere
    für weiße) Frauen, also ist rassistische Diskriminierung auch vergeschlechtlicht. An der
    Benachteiligung von alten Menschen hängen Vorstellungen über Beweglichkeit, aber auch
    über Geschlechterrollen und sexuelle Identitäten. Und die Benachteiligung von Männern
    hängt an Geschlechterstereotypen, aber auch an Vorstellungen über Stärke, also fehlende
    Behinderung und „richtiges“ Alter, oft auch über Heterosexualität.
    Versuche, mehrdimensionale Diskriminierung in klar abgrenzbare Typen zu unterteilen,
    sind insofern eine weitgehend unnötige, und, so paradox es klingt, auch eine gefährlich
    vereinfachende Verkomplizierung. Auch die von uns in der Rechtsprechung identifizierten
    Fallbeispiele lassen sich eher nicht eindeutig zuordnen. Das AGG schlägt keine derartige
    Systematisierung vor und auch die Gerichte und Rechtsbeistände scheinen sich nicht daran
    zu orientieren.
    29
    3.
    Rechtsetzung
    Auch in der Rechtswissenschaft und in der Rechtspraxis ist mehrdimensionale Diskriminierung
    mittlerweile Thema. Hier werden teilweise ebenfalls die Aspekte betont, die wir
    bereits als besonders wichtig identifiziert haben: Diskriminierung lebt von Kategorisierungen,
    die alle treffen, aber je nach Zusammenhang ungleiche, benachteiligende oder privilegierende
    Folgen haben.100 Doch fragt sich, welche Herausforderungen sich daraus juristisch
    konkret ergeben. Dabei geht es um Formulierungen nicht nur in Normtexten, sondern
    auch in der rechtspolitischen und auf Rechtsdurchsetzung orientierten Arbeit. Zudem geht
    es um die dogmatische Verarbeitung aller Aspekte mehrdimensionaler Diskriminierung,
    letztlich also den effektiven Schutz vor Diskriminierung und die Durchsetzung entsprechende
    Rechte.
    Zunächst erfolgt daher eine Bestandsaufnahme zu mehrdimensionaler Diskriminierung in
    nationalen und internationalen Normtexten, in der rechtswissenschaftlichen Literatur
    und in den rechtspolitischen Papieren, die in Zusammenhang mit dem AGG stehen. Diese
    ergibt ein recht uneinheitliches Bild.
    3.1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
    Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) trat am 18. August 2006 in Kraft und ist
    Teil des „Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes
    der Gleichbehandlung“ vom 14. August 2006.101
    100 Schiek verdeutlicht den Zusammenhang zwischen mehrdimensionaler Zugehörigkeit aller Menschen und
    die unterschiedlichen Auswirkungen, die Gleichstellungsrecht auf alle hat: „Human beings do not exist
    as compartmentalised entities, but rather as one person each with different characteristics some of which
    might fall into the category of personal features serving as starting points for social exclusion or inequality.
    No single human being is male only and not at the same time ascribed a specific ethnic identity, and no one
    can be heterosexual without being considered as male or female. Any single person will be affected by each
    of the different prohibitions of discrimination, either as someone against whom discrimination is likely
    to work in social reality or as someone whose social position is threatened by effective implementation of
    equality law.“; Schiek MJ (2005), 440 f., ähnlich Däubler/Bertzbach-Däubler, § 4 Rn. 5 und die Begründung
    der Bundesregierung, BT-Drs. 16/1780, 21.
    101 BGBl I 2006, 1.897 ff.
    30
    3.1.1 Mehrdimensionalität im Regelungstext des AGG
    Im Normtext geht das AGG an mehreren Stellen auf mehrdimensionale Diskriminierung
    ein: §§ 4, 9, 27 Abs. 5 AGG.
    In § 4 AGG heißt es zur Rechtfertigungsebene einer Benachteiligung:
    „Erfolgt eine unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer der in § 1 genannten Gründe,
    so kann diese unterschiedliche Behandlung nach den §§ 8 bis 10 und 20 nur gerechtfertigt
    werden, wenn sich die Rechtfertigung auf alle diese Gründe erstreckt, derentwegen die
    unterschiedliche Behandlung erfolgt.“
    § 9 AGG regelt den Sonderfall eines Zusammentreffens von Religion mit anderen Diskriminierungskategorisierungen,
    allerdings in einer ambivalenten Kombination:
    „Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung
    bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten
    Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder durch Vereinigung, die sich die
    gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, auch
    zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses
    der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr
    Selbstbestimmungsrecht oder nach Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung
    darstellt.“
    Daneben adressiert § 27 Abs. 5 AGG die institutionelle Rechtsdurchsetzung:
    „Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen
    Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages sollen bei Benachteiligungen
    aus mehreren der in § 1 genannten Gründe zusammenarbeiten.“
    Die Regelung ist der politischen Arbeit der Antidiskriminierungsstellen gewidmet und
    betrifft die effiziente Vernetzung unterschiedlicher Stellen bezüglich mehrdimensionaler
    Diskriminierung.
    Folglich ist im AGG die mehrdimensionale Diskriminierung weder beim Tatbestand noch
    bei den Rechtsfolgen noch hinsichtlich der prozessualen Durchsetzung ausdrücklich
    adressiert.
    3.1.2 Begründung zum Gesetzentwurf
    In der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des AGG102 taucht die mehrdimensionale
    Diskriminierung an mehreren Stellen auf. Zunächst werden alle Menschen als Trägerinnen
    und Träger der verschiedenen in den Richtlinien genannten Kategorisierungen
    identifiziert und gleichzeitig wird anerkannt, dass nicht alle in gleichem Maße von Diskri-
    102 BT-Drs. 16/1780 vom 08.06.2006, Entwurf und Begründung mit Änderungen übernommen von der Fraktion
    Bündnis 90/Die Grüne, BT-Drs. 15/4538 vom 16.12.2004. Im Falle des § 27 Abs. 5 wiederholt die Begründung
    lediglich den Normtext; BT-Drs. 16/1780, 51.
    31
    minierungen betroffen sind.103 Weiterhin wird in der Begründung eine schlechtere soziale
    Lage bestimmter Gruppen in Deutschland entlang kategorisierungsbezogener Unterschiede
    beschrieben, wobei viele Menschen mehrere dieser Kategorisierungen auf sich vereinten
    und dadurch häufiger Ausgrenzung, wirtschaftliche Einbußen und andere materielle
    und immaterielle Nachteile erlebten, was in verschiedenen Berichten der Bundesregierung
    dokumentiert worden sei.104 Zu § 4 des vorgeschlagenen AGG erläutert die Regierung
    den Sinn der Norm und bemerkt, dass die Regelung den Umstand berücksichtige, dass
    bestimmte Personengruppen typischerweise der Gefahr der Benachteiligung aus mehreren
    nach § 1 unzulässigen Gründen ausgesetzt seien.105 Zudem heißt es zur Rechtsfolge der
    Entschädigung, dass im Falle einer Benachteiligung oder Belästigung aus mehreren Gründen
    eine erhöhte Summe geboten sei.106
    Dabei geht die Bundesregierung davon aus, dass „Frauen in besonderem Maße von Benachteiligungen
    betroffen sind, nicht nur beim Diskriminierungsmerkmal Geschlecht, sondern
    auch bei den übrigen Diskriminierungsmerkmalen“.107 Insofern sollen die angestrebten
    (Schutz-)Wirkungen des Gesetzes insbesondere Frauen mit umfassen. Weitere beabsichtigte
    Wirkung des Gesetzes ist die Überwindung eventueller Zugangsbarrieren, welche sich in
    besonderem Maße im Falle einer Mehrfachdiskriminierung auswirken könnten.108 In diesem
    Zusammenhang betont die Bundesregierung, dass „sich Frauen weniger als Männer
    mit den ihnen zustehenden rechtlichen Möglichkeiten identifizieren, weil diese oftmals
    nicht ihren Strategien der Konfliktlösung entsprechen.“109 Dies stimmt zwar ebenso wie die
    Aussage, dass Ähnliches für „Menschen mit Migrationshintergrund“ gelte, „die einer fremden
    Rechtsordnung gegenüberstehen“, mit den Ergebnissen rechtssoziologischer Forschung
    überein, birgt aber auch die Gefahr der Stereotypisierung: Nicht alle Frauen haben
    ein Problem damit, ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen, und nicht alle Menschen mit
    Migrationshintergrund stehen einer fremden Rechtsordnung gegenüber. Vorschnelle
    Kategorisierungen oder die Einteilung nach „Merkmalen“ in bestimmte Gruppen („Frauen
    mit Migrationshintergrund“, „behinderte Frauen“) verkürzen also die Sicht auf eine komplexe
    Situation. Zudem ist es problematisch, anzunehmen, dass allein die „fremde“ Rechtsordnung
    für diskriminierte Personen ein Problem ist. Wie schon in der Begrifflichkeit der
    „Gründe“ kann hier der Eindruck erweckt werden, die Verantwortung für fehlende Rechtskenntnis
    liege bei Migrantinnen und Migranten oder Wissen könne diese Hürde beseitigen.
    Daneben wäre zu thematisieren, dass Erfahrungen von Rassismus durch staatliche
    Institutionen auch abschreckende Wirkung bezüglich der Rechtsdurchsetzung in staatlichen
    Einrichtungen haben.
    Zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung
    nach § 9 AGG merkt die Bundesregierung an, dass zwar grundsätzlich keine
    solche erfolgen darf. Entsprechend der Richtlinie 2000/78/EG erlaube § 9 Abs. 1 AGG aber
    Religionsgemeinschaften, im Hinblick auf ihre Beschäftigten zu differenzieren, wenn dies
    eine gerechtfertigte berufliche Anforderung in Bezug auf ihr Selbstbestimmungsrecht
    oder auf die Art der Tätigkeit darstelle.110 Im Übrigen gälten die Regeln des § 8 AGG und die
    103 BT-Drs. 16/1780, 21.
    104 BT-Drs. 16/1780, 23 f.
    105 BT-Drs. 16/1780, 33.
    106 BT-Drs. 16/1780, 38. Dies bezieht sich in der Sache auf § 15 Abs. 2.
    107 BT-Drs. 16/1780, 29.
    108 BT-Drs. 16/1780, 30.
    109 BT-Drs. 16/1780, 30.
    110 BT-Drs. 16/1780, 35.
    32
    Regelung zur mehrdimensionalen Benachteiligung des § 4 AGG.111 In der Begründung wird
    demnach angedeutet, dass zwar eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion
    gerechtfertigt sein kann, dies aber gerade keine Diskriminierung hinsichtlich anderer
    Kategorisierungen legitimiere. Tatsächlich stellt dies die Religionsgemeinschaften vor
    erhebliche Herausforderungen, da insbesondere Homosexuellen wird nach wie vor
    gekündigt.
    112
    3.1.3 Stellungnahmen zum Regierungsentwurf
    Im März 2005 führte der Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
    eine öffentliche Anhörung zum Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien113
    durch. Zahlreiche Institutionen verfassten hierzu Stellungnahmen,
    von denen sich einige auch mit dem Problem der mehrdimensionalen Diskriminierung
    auseinandersetzen. So vermisste namentlich der Deutsche Gewerkschaftsbund
    (DGB) die Thematisierung und explizite Nennung von „Mehrfachdiskriminierung“ in § 1
    des Gesetzes.114 Umstritten war auch die Reichweite des § 9 AGG.
    Von den ablehnenden Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf wird § 4 ADG-E als überflüssig
    beurteilt, da bereits durch § 7 ADG-E das Benachteiligungsverbot für jeden Grund klargestellt
    sei.115 Kritisch zu § 4 äußert sich auch Rieble116, der die Regelung im Falle von Mehrfachdiskriminierung
    (i. S. v. additiver) zwar als überflüssig betrachtet, im Falle von „Schnittmengendiskriminierungen“
    (i. S. v. intersektionaler) aber Regelungsbedarf sieht:
    „Werden behinderte Frauen benachteiligt, könnte bei enger Auslegung von § 3 ADG-E angeführt
    werden, dass die Vergleichsgruppen der Behinderten oder der Frauen nicht benachteiligt
    werden und somit keine Benachteiligung aufgrund eines Diskriminierungsmerkmales
    vorliegt. Daher sollten die Absätze des § 3 ADG-E jeweils Benachteiligungen ‚aufgrund eines
    oder mehrerer in § 1 genannten Gründe‘ umfassen.“117
    Unter den grundsätzlich befürwortenden Stellungnahmen werden der horizontale Ansatz
    des Gesetzes und in diesem Zusammenhang auch die Einrichtung einer zentralen Antidiskriminierungsstelle
    begrüßt. Hierdurch würden eine Hierarchisierung der unterschiedlichen
    Kategorisierungen und Abgrenzungsprobleme zwischen ihnen vermieden und durch
    die Bearbeitung aller Diskriminierungskategorisierungen durch eine Stelle könnten Formen
    von mehrdimensionaler Diskriminierung wirksam adressiert werden.118
    111 BT-Drs. 16/1780, 36.
    112 Dazu unten 3.1.
    113 Diese betrifft also den in weiten Teilen gleichlautenden Entwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grüne,
    BT-Drs. 15/4538.
    114 DGB, A.-Drs. 15(12)435-(28), 7.
    115 Stellungnahmen der BDA, A.-Drs. 15(12)435-(18), 12 f. und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks,
    A.-Drs. 15(12)435-(23), 4.
    116 A.-Drs. 15(12)440-B.
    117 Rieble, A.-Drs. 15(12)440-B.
    118 Vgl. Stellungnahmen des Deutschen Juristinnenbundes (djb), A.-Drs. 15(12)435-(8), 16 f., des Deutschen Instituts
    für Menschenrechte (DIMR), A.-Drs. 15(12)440-J, 7, des DGB, A.-Drs. 15(12)435-(28), 25 sowie Nickel, A.-Drs.
    15(12)440-Q, 3 und Raasch, A.-Drs. 15(12)440-A, 1 und 9.
    33
    3.1.4 Kommentare
    In der deutschsprachigen juristischen Literatur zum AGG ist derzeit mehrheitlich von
    „Mehrfachdiskriminierung“119 die Rede. Sie orientiert sich an der Formulierung des § 4 AGG
    („unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer Gründe“). Allerdings fällt die überwiegende
    Kommentarliteratur zu § 4 AGG im Vergleich zu den anderen AGG-Regelungen auch
    recht sparsam aus. Meist wird nur die klarstellende Funktion des § 4 AGG beschrieben.120
    Zinsmeister verwendet allerdings den Begriff „mehrdimensionale Diskriminierung“.121
    Dann wird zwischen verschiedenen Formen der Mehrfachdiskriminierung unterschieden.
    122 Zinsmeister unterscheidet wie auch Schiek u. a. zwischen „additiver“ (auch: „vermehrter“)
    Diskriminierung und „intersektioneller“ (auch: „verschränkter“) Diskriminierung.
    123 Additiv seien, so Schiek, aufeinander folgende Benachteiligungen aufgrund
    mehrerer Merkmale, „so z. B., wenn eine Arbeitnehmerin zuerst sexuell belästigt wird
    (Diskriminierung wegen des Geschlechts) und sodann rassistisch beleidigt wird.“124 Ähnlich
    benennen hier auch andere Benachteiligungen aus mehreren Gründen in einer
    zeitlichen Abfolge, z. B. wenn ein Arbeitnehmer über mehrere Monate hinweg auf unterschiedliche
    Art und Weise belästigt wird.“125 Hier handele es sich um mehrere Diskriminierungshandlungen,
    die getrennt voneinander betrachtet werden können und von denen
    jede für sich rechtfertigungsbedürftig ist.126
    Von „intersektioneller Diskriminierung“ seien hingegen „spezifisch Personen mit bestimmter
    Ausprägung mehrerer Diskriminierungsmerkmale, also beispielsweise Frauen arabischer
    Herkunft, Homosexuelle mit islamischem Bekenntnis oder behinderte Menschen
    höheren Alters“ betroffen.127 Es ist auch in anderen Kommentaren zum AGG diejenige Diskriminierung,
    bei der „die einzelnen Diskriminierungsgründe [nicht] voneinander getrennt
    werden können“128, also beispielhaft die Benachteiligung wegen des Tragens eines „islamischen
    Kopftuchs“.129 Die Betroffene sei unter Umständen wegen der ihr zugeschriebenen
    Religion und ethnischen Herkunft, aber auch, zumindest mittelbar, wegen ihres
    Geschlechts diskriminiert.130
    119 So verwendet von Schiek (2007) insg., Däubler/Bertzbach-Däubler, § 4 AGG Rn. 5 ff., Hey-Hey, § 4 AGG Rn. 1 ff.,
    Rust/Falke-Rust, § 4 AGG Rn. 2 ff., Roetteken, § 4 AGG Rn. 4, Rudolf/Mahlmann (2007) insg., Rühl u. a. (2007),
    26, Althoff (2006), 150 ff.
    120 Siehe z. B. Rust/Falke-Rust, § 4 AGG Rn. 2, Roetteken, Bauer u. a., § 4 AGG Rn. 5, § 4 AGG Rn. 1, Nollert-Borasio/
    Perreng, § 4 AGG Rn. 2, MüKoAGG-Thüsing, § 4 AGG Rn. 1, Hey-Hey, § 4 AGG Rn. 8, Meinel u. a., § 4 AGG Rn. 1.
    121 Zinsmeister (2008), 200 ff. und Zinsmeister (2007).
    122 Schiek-Schiek, § 4 AGG Rn. 2; Däubler/Bertzbach-Däubler, § 4 AGG Rn. 19 ff. Angedeutet, aber nicht genannt
    wird dies bei Rust/Falke-Rust, § 4 AGG Rn. 5. Nur Bauer u. a., § 4 AGG und Nollert-Borasio/Perreng, § 4 AGG
    differenzieren überhaupt nicht.
    123 Zinsmeister (2007), 113 ff.; Schiek-Schiek, § 4 AGG Rn. 2; ähnlich für das europäische Recht Schiek/Chege
    (2009).
    124 Schiek-Schiek, § 4 AGG Rn. 2.
    125 Vgl. auch Hey-Hey, § 4 AGG Rn. 6.
    126 Fälschlich a. A. Adomeit/Mohr, § 4 AGG Rn. 4.
    127 Schiek-Schiek, § 4 AGG Rn. 2.
    128 Schleusener u. a.-Voigt, § 4 AGG Rn. 1, Meinel u. a., § 4 AGG Rn. 2.
    129 Meinel u. a., § 4 AGG Rn. 2, Schleusener u. a.-Voigt, § 4 AGG Rn. 1; anders Däubler/Bertzbach-Däubler, § 4 AGG
    Rn. 6, der die „Kopftuch-Fälle“ nicht den „Sonderfällen“ der „intersektionellen Diskriminierung“ (Rn. 19)
    zuordnet und in dieser auch gar kein effektives Problem sieht.
    130 Holzleithner argumentiert für eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, „if the notion
    of gender one uses focuses on gender norms“ Holzleithner (2008), 36.
    34
    Schiek meint, dass „additive Diskriminierung“ keine besonderen Schwierigkeiten aufwerfe,
    die juristischen Probleme der „intersektionellen Diskriminierung“ jedoch noch nicht
    gelöst seien.131 Dies betreffe insbesondere die durch das Diskriminierungsrecht notwendige
    „Zuordnung der von Diskriminierung Betroffenen zu einer Gruppe“132, die an der Diskriminierungsrealität
    von Menschen auf der Schnittstelle mehrerer Gründe vorbeigehe.
    Schiek thematisiert auch, ob die Regelung des § 5 AGG zu positiven Maßnahmen zur Überwindung
    intersektionaler Benachteiligungen dienen kann, findet aber keine befriedigende
    Antwort.133 Für den Diskriminierungsschutz behinderter Frauen geben die Maßnahmen
    der Gleichstellungsgesetze zur Förderung der Gleichberechtigung behinderter Frauen ein
    Beispiel134, grundsätzlich besteht nach Auffassung der Kommentatorinnen und Kommentatoren
    bei Mehrfachbenachteiligungen aber kein Anspruch auf eine bevorzugte Berücksichtigung.
    135
    Regelmäßig wird mehrfache Diskriminierung in Kommentaren zum AGG auch im Rahmen
    der Entschädigungsregelung des § 15 thematisiert. Die Mehrheit plädiert hier ganz allgemein,
    aber entsprechend der Begründung zum Gesetzentwurf, für eine Erhöhung der
    Entschädigung.136
    In Zusammenhang mit § 9 AGG wird außerdem der unterschiedliche Rechtfertigungsmaßstab
    für Religionsgemeinschaften thematisiert. Obwohl die Norm selbst das Problem
    der mehrdimensionalen Diskriminierung nicht anspreche, beschränke sich die Erweiterung
    der Rechtfertigung benachteiligenden Handelns auf die religiöse Benachteiligung.
    Läge eine Diskriminierung wegen einer weiteren Kategorisierung vor, müsse diese gemäß
    § 4 AGG für sich einer Rechtfertigungsprüfung standhalten und könne nicht durch § 9 AGG
    gerechtfertigt werden.137 Beispielsweise werden
    „infolgedessen [...] Kirchen die Eingehung einer Lebenspartnerschaft durch ihre Mitarbeiter
    sowie auf andere Weise praktizierte Homosexualität künftig dulden müssen und nicht
    länger durch Kündigungen sanktionieren können.“138
    Daneben geht es – wie im Text des AGG – um die institutionellen Vorkehrungen. Zu § 27
    Abs. 5 AGG wird angemerkt, dass die Vorschrift wohl keine unbedingte Rechtspflicht zur
    Zusammenarbeit beinhalte. Zweck sei die Vermeidung von Doppelarbeit und die Sicherung
    inhaltlich übereinstimmender Antworten der verschiedenen Stellen. Grundsätzlich
    sei die ADS jedoch unabhängig; ihre Entscheidungsfindung dürfe nicht eingeschränkt
    werden.139
    131 Schiek-Schiek, § 4 AGG Rn. 2, in diesem Sinne auch Rudolf/Mahlmann (2007), § 6 Rn. 77.
    132 Schiek-Schiek, § 4 AGG Rn. 7.
    133 Schiek-Schiek, § 5 AGG Rn. 8.
    134 Vgl. dazu ausführlich Rust/Falke-Raasch, § 5 AGG Rn. 90 ff.
    135 Rust/Falke-Raasch, § 5 AGG Rn. 89, Däubler/Bertzbach-Hinrichs, § 5 AGG Rn. 30c.
    136 Vgl. Däubler/Bertzbach-Deinert, § 15 AGG Rn. 73, Bauer u. a., § 15 AGG Rn. 36, Meinel u. a., § 4 AGG Rn. 6,
    Nollert-Borrasio/Perreng, § 15 AGG Rn. 21. Zur differenzierenden Sicht siehe unten.
    137 Schiek-Schmidt, § 9 AGG Rn. 19, Bauer u. a., § 9 Rn. 11 f., Rust/Falke-Stein, § 9 AGG Rn. 39.
    138 Schiek-Schmidt, § 9 AGG Rn. 19.
    139 Roetteken, § 27 AGG Rn. 119.
    35
    3.1.5 Weitere rechtswissenschaftliche Literatur
    Das Thema Diskriminierung ist in der deutschen Rechtswissenschaft im internationalen
    Vergleich eher jung.140 In der Ausbildung ist es bislang kaum Thema. So liegen bislang auch
    nur zu bestimmten Diskriminierungsfragen vertiefte Studien vor. Das gilt insbesondere für
    geschlechtsbezogene Diskriminierung und im Ansatz für Diskriminierung von Menschen
    mit Behinderung, hinsichtlich der sexuellen Orientierung und sukzessive auch mit Blick
    auf Migration bzw., vorsichtiger, Rassismus. Arbeiten zu mehrdimensionaler Diskriminierung
    finden sich noch selten.
    Zinsmeister diskutiert mehrdimensionale Diskriminierung mit Blick auf die Rechte behinderter
    Frauen noch vor Inkrafttreten des AGG. Sie unterscheidet zwischen mehrdimensionaler
    als „vermehrter“ Diskriminierung, bei der jede Benachteiligung auf je eine bestimmte
    Zuschreibung zurückzuführen sei, was mehrheitlich „additiv“ genannt wird141, und der
    „verschränkten“ Diskriminierung, bei der Benachteiligungen aus den spezifischen Wechselwirkungen
    zwischen den Kategorien entstehen, was meist „intersektional“ genannt
    wird.142 Ein Problem bestehe bei verschränkter/intersektionaler Diskriminierung, wenn die
    Kausalität für Benachteiligungen nachzuweisen sei. Monokausale Formeln143 seien daher
    ungeeignet für den Nachweis verschränkter Diskriminierung.144 Der Bezug auf Merkmale
    ist dann problematisch, aber auch unerlässlich für die Sichtbarmachung von Unterschieden.
    Zinsmeister schlägt daher eine inzidente Prüfung der Verletzung von Gleichheitsgarantien
    vor. So müsse im Fall einer behinderten Frau innerhalb der Frage nach einer
    geschlechtsspezifischen Diskriminierung auch die Frage nach einer Diskriminierung
    aufgrund ihrer Behinderung geprüft werden.145
    Dies ist ein Grundproblem des Antidiskriminierungsrechts, insofern hier einer nicht nur
    symmetrischen Auffassung von Gleichheit, sondern auch einer auf Gruppen setzenden
    Konzeption gefolgt wird, die den individuellen Erfahrungen aber nicht gerecht wird; problematisch
    ist also die Vergleichsgruppenlogik.146
    Zinsmeister problematisiert ebenfalls die Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung
    nach § 9 AGG. Sie sieht die praktische Relevanz für homosexuelle Mitarbeiterinnen
    und Mitarbeiter in Kirchen, deren Ungleichbehandlung nicht nur an § 9 AGG, sondern auch
    an § 8 AGG zu messen wäre:
    140 Baer (1997).
    141 Vgl. 3.1.4.
    142 Zinsmeister (2007), 113.
    143 Diese behaupten, dass eine Ungleichbehandlung nur dann vorliege, wenn diese eigentlich oder nur auf dem
    Vorliegen einer einzelnen Kategorie beruht bzw. diese eine Kategorie den Hauptzweck der Unterscheidung
    darstellt. Zu den einzelnen Ansätzen vgl. Zinsmeister (2007), 121 ff.
    144 Zinsmeister (2007), 128.
    145 Vgl. ausführlich Zinsmeister (2007), 133.
    146 Im Fall einer mittelbaren Diskriminierung wegen mehrerer Gründe sei für jedes verbotene Merkmal jeweils
    eine einzelne Vergleichsgruppe zu bilden und in Bezug darauf zu prüfen, ob ein legitimes Ziel für die
    Ungleichbehandlung vorliegt, das mit erforderlichen und angemessenen Zielen erreicht werden soll;
    Hey (2009)-Hey, § 4 AGG Rn. 7. Zu diesem Problem auch Bauer (2008), 52: Das geltende Diskriminierungsrecht
    sehe das Konzept der Vergleichsgruppenbildung vor. Schwierig ist dieses Modell der Vergleichsperson
    bei Fällen der intersektionalen Diskriminierung. Vgl. kritisch, aber überzeugend Burri/Schiek, S. 18.
    Auch Rudolf sieht ein Problem im Falle von „Intersektionalität“ beim Kausalitätsnachweis, soweit es dabei
    um die Bildung von Vergleichsgruppen gehe: Rudolf/Mahlmann (2007), § 6 Rn. 77.
    36
    „Der kirchliche Arbeitgeber müsste also nachweisen, dass die Mitarbeiterin ihre bisherige
    Tätigkeit aufgrund ihrer lesbischen Lebensweise nicht ausüben kann, weil für die Tätigkeit eine
    asexuelle oder heterosexuelle Lebensweise wesentlich, entscheidend und angemessen ist.“147
    3.2 Mehrdimensionale Diskriminierung in Regelungen
    außerhalb des AGG
    Recht gegen Diskriminierung findet sich nicht nur im AGG, sondern auch in zahlreichen
    weiteren Vorschriften. Daher stellt sich die Frage, inwieweit dort mehrdimensionale Diskriminierung
    Beachtung findet. Hier werden dazu die wichtigsten bundesgesetzlichen Regelungen
    untersucht.
    Das deutsche Recht kennt neben dem AGG noch weitere Normen, die sich mit der Benachteiligung
    wegen unterschiedlicher Kategorisierungen auseinandersetzen.
    Hierzu zählt auf Verfassungsebene Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG), der mit der Verfassungsreform
    von 1994 um einen zweiten Satz zum Schutz Behinderter vor Benachteiligungen
    ergänzt wurde. Schon hier wird ein Regulierungsproblem deutlich, das auch in der
    theoretisch-konzeptionellen Debatte eine Rolle spielte: die Hierarchisierung zwischen
    Diskriminierungs„gründen“. Nach Satz 1 gibt es Schutz vor Bevorzugungen und Benachteiligungen,
    nach Satz 2 nur vor Benachteiligungen. Der gleichstellungsfreundlich gemeinte
    Unterschied verdeutlicht, das in Deutschland ein vertieftes Verständnis für den genauen
    Charakter von Diskriminierung und die angemessenen Regulierungen, um vor ihr zu
    schützen, noch fehlen.
    Daneben finden sich auch Regelungen im einfachen Bundesrecht, die sich auf mehrere
    Kategorisierungen beziehen, teils auch – im Einklang mit der Europäischen Charta der
    Grundrechte148 – mehr Kategorisierungen anerkennen als das Grundgesetz. Dazu gehören
    im kollektiven Arbeitsrecht § 75 Abs. 1 BetrVG149 und § 67 Abs. 1 S. 1 BPersVG150 sowie § 27
    Abs. 1 SprAuG151 und im Recht des öffentlichen Dienstes der 2009 neu gefasste § 9 BBG152. Im
    Sozialrecht finden sich § 33c S. 1 SGB I153, § 36 Abs. 2 SGB III154 und § 19a S. 1 SGB IV155 und
    147 Zinsmeister (2008), 207.
    148 Dazu ausführlicher 3.3.1.
    149 Betriebsverfassungsgesetz vom 15.01.1972 in der Fassung v. 25.09.2001, BGBl I, S. 2518, zuletzt geändert durch
    Gesetz v. 29.07.2009, BGBl I, S. 2.424.
    150 Bundespersonalvertretungsgesetz vom 15.03.1974, BGBl I, S. 693, zuletzt geändert durch Gesetz v.
    05.02.2009, BGBl I, S. 160.
    151 Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz) vom 20.12.1988,
    BGBl I. S. 2312, zuletzt geändert durch Verordnung v. 31.10.2006, BGBl I, S. 2.407. Die Norm regelt: § 27 Grundsätze
    für die Behandlung der leitenden Angestellten: (1) Arbeitgeber und Sprecherausschuss haben darüber
    zu wachen, dass alle leitenden Angestellten des Betriebs nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit
    behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder
    wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer
    Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen
    Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.
    152 Bundesbeamtengesetz vom 05.02.2009, BGBl I, S. 160.
    153 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil vom 11.12.1975, BGBl I, S. 3015, zuletzt geändert durch Gesetz
    v. 07.07.2009, BGBl I, S. 1.707.
    154 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung vom 24.03.1997, BGBl I, S. 594, zuletzt geändert durch
    Gesetz v. 14.04.2010, BGBl I, S. 410.
    155 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung vom 23.12.1976,
    BGBl I, S. 3845 in der Fassung der Bekanntmachung v. 12.11.2009, BGBl I, S. 3.710.
    37
    § 3 Abs. 1 SG156. Sie alle normieren Benachteiligungsverbote aufgrund verschiedener „Merkmale“
    oder „Gründe“, die allerdings durch ein „oder“ verbunden werden und insofern
    nebeneinander stehen.
    Allerdings findet sich z. B. im Betriebsverfassungsrecht eine offene Liste der Kategorisierungen.
    § 75 BetrVG lautet:
    „Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen
    nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede
    Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft,
    ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung,
    ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung
    oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.“
    Diese Aufzählung der Differenzierungsverbote ist umfangreicher als die des GG oder des
    AGG. Genannt werden hier auch Abstammung, Nationalität und politische oder gewerkschaftliche
    Betätigung oder Einstellung. Insbesondere geht die Norm bezüglich der Herkunft
    weiter als das AGG: Mit dem Begriff der „sonstigen Herkunft” wird in Abgrenzung zur
    „ethnischen Herkunft“ insbesondere auch eine Benachteiligung wegen der örtlich regionalen
    oder sozialen Herkunft verboten.157 Das ist praktisch bereits wichtig geworden: Auf
    die Klage einer Bewerberin, die mit dem Vermerk „Ossi“ vom Arbeitgeber abgelehnt wurde,
    sah das Gericht den Anwendungsbereich des AGG als nicht eröffnet an.158 § 75 BetrVG sei
    demgegenüber anwendbar, begründet aber keine individualrechtlichen Schadensersatzoder
    Entschädigungsansprüche bzw. Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche.159
    Zudem ist die Aufzählung im BetrVG ausdrücklich nicht abschließend („insbesondere“)160.
    Im Übrigen fehlt all diesen Gesetzen jedoch eine Regelung wie § 4 AGG, die auf eine mehrdimensionale
    Benachteiligung eingehen würde. Auch in der Kommentarliteratur finden
    sich, soweit ersichtlich, hierzu keine Hinweise. Mehrdimensionalität ist dann nur noch
    punktuell Thema.
    3.2.1 Soldatinnen- und Soldatengleichbehandlungsgesetz
    Das Gesetz über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten (SoldGG)161 hat zum
    Ziel, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion,
    der Weltanschauung oder der sexuellen Identität für den Dienst als Soldatin oder Soldat zu
    verhindern oder zu beseitigen“ (§ 1 Abs. 1). Das Gesetz verweist in § 1 Abs. 2 SoldGG auf den
    Schutz vor Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts in Form von (sexueller) Belästigung162
    und auf den Schutz schwerbehinderter Soldatinnen und Soldaten. Daneben regelt
    § 4 SoldGG – ganz wie § 4 AGG – die Rechtfertigung bei „unterschiedlicher Behandlung
    156 Soldatengesetz vom 19.03.1956 in der Fassung der Bekanntmachung v. 30.05.2005, BGBl I, S. 1.482, zuletzt
    geändert durch Gesetz vom 05.02.2009, BGBl I, S. 160.
    157 BT-Drs. 16/1780, 56; ErfK-Kania, § 75 BetrVG Rn. 6.
    158 ArbG Stuttgart 17 Ca 8907/09, Urteil vom 15.04.2010.
    159 MüHaArbR-Oetker, § 13 Rn. 4.
    160 BeckOK-Werner, § 75 BetrVG Rn. 18.
    161 Art. 2 des „Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der
    Gleichbehandlung“ vom 14. August 2006, BGBl I S. 1.897, zuletzt geändert durch Gesetz v. 31.07.2008,
    BGBl I S. 1.629.
    162 Andere Formen geschlechtsspezifischer Diskriminierung werden im SGleiG geregelt, vgl. BT-Drs. 16/1780, 27.
    38
    wegen mehrerer Gründe“. Im Unterschied zu §§ 9, 10 AGG sieht das SoldGG keine Ausnahmeregelungen
    zur Rechtfertigung bei diskriminierendem Verhalten.163 Hier ergeben sich
    also keine im Vergleich zum AGG neuen Gesichtspunkte.
    3.2.2 Schutz vor Diskriminierung behinderter Menschen
    im SGB IX, BGG und BGleiG
    Zahlreiche gesetzliche Regelungen adressierten schon lange vor Inkrafttreten heutigen
    Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsrechts die Situation von Menschen mit Behinderung.
    Sie waren allerdings weithin von Gedanken der Fürsorge geprägt, was auch für
    bevormundende Formen von Mitleid stehen kann. Spätestens das Inkrafttreten der menschenrechtlichen
    „Behindertenrechtskonvention“164 hat dieses Verständnis gewandelt. Es
    ist umstritten, ob dies auch Änderungen des deutschen Bundesrechts nach sich ziehen
    muss.165 Im Folgenden geht es nur um die Frage, inwieweit in diesen Regeln mehrdimensionale
    Diskriminierung adressiert wird.
    Kern der bundesdeutschen Regelungen ist bislang das Sozialrecht.166 Das Neunte Sozialgesetzbuch
    „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ (SGB IX)167 benennt dabei
    ausdrücklich „Frauen“ und „Kinder“ als Zielgruppe. § 1 S. 2 SGB IX besagt:
    „Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter
    Frauen und Kinder Rechnung getragen.“168
    Das Sozialrecht benennt damit tatbestandlich zwei Ausschnitte mehrdimensionaler Diskriminierung
    an der Schnittstelle von Behinderung und Alter – sowie an der Schnittstelle von
    Behinderung und Geschlecht, allerdings nur mit Blick auf die – tatsächlich auch mehrheitlich
    von Nachteilen betroffenen – Frauen. Mit Blick auf die Teilhabe behinderter Frauen am
    Erwerbsleben finden sich weitere Regeln in § 33 Abs. 2 SGB IX und für die Rehabilitationsdienste
    § 21 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX, für schwerbehinderte Frauen §§ 71 Abs. 1, 83 Abs. 2 und 2a
    Nr. 2 SGB IX, aber auch §§ 104 Abs. 3 und 112 Abs. 3 SGB IX. Auch bei unterhaltssichernden
    bzw. anderen ergänzenden Leistungen (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) und bei der Betreuung
    durch Integrationsfachdienste (§ 112 Abs. 2 SGB IX) sollen die Belange behinderter Frauen
    besondere Berücksichtigung finden.
    Desgleichen erwähnt § 2 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG)169
    die „besonderen Belange behinderter Frauen“ und erlaubt besondere Maßnahmen zur
    163 Diskriminierungen aufgrund des Alters sind vom SoldGG nicht erfasst.
    164 Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen (Behindertenrechtskonvention).
    Sie ist in Deutschland seit 26. März 2009 verbindlich. Institutionell sind diese Fragen
    beim Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen verankert. Dieser stellt
    auch eine Liste der einschlägigen Regeln zur Verfügung, u. a. § 105a, § 554a BGB, § 483 ZPO, § 66, § 259 StPO,
    § 107 OWiG, § 186, § 191a GVG.
    165 Vgl. zur zögerlichen Umsetzung in Deutschland ausführlich Degener (2009), 8 ff.
    166 Der Bundesbeauftragte nennt dies nicht als Regelung gegen Diskriminierung (http://www.behindertenbeauftragter.
    de/cln_115/nn_1040392/DE/Gleichstellung/gleichstellung__node.html?__nnn=true, Zugriff
    24.05.10). Ein auf die Erfahrungen der Betroffenen rekurrierendes Konzept von Schutz vor Ausgrenzung
    würde jedoch Regeln zur Integration, Unterstützung, zum „Empowerment“ einbeziehen. Im SGB ist auch
    das Buch V mit den Regeln zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung von Bedeutung, daneben
    SGB VIII (Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung) und SGB XII (Eingliederungshilfeleistungen).
    167 Artikel 1 des Gesetzes vom 19.06.2001, BGBl I S. 1.046, zuletzt geändert durch Gesetz v. 30.07.2009, BGBl I 2495.
    168 Hierzu auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/5074, 95 sowie hierzu
    Zinsmeister (2007), 43 ff.
    169 Vom 27.04.2002, BGBl I, S. 1.467, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.12.2007, BGBl I, S. 3.024.
    39
    Förderung der Gleichberechtigung von behinderten Frauen bzw., im Einklang mit Art. 3
    Abs. 2 S. 2 GG und Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen.
    Insbesondere Träger des öffentlichen Dienstes sollen die besonderen Belange berücksichtigen
    (§ 7 Abs. 1 BGG) und die/der Bundesbeauftragte für die Belange behinderter Menschen
    sich dafür einsetzen, dass die unterschiedlichen Lebensbedingungen behinderter Frauen
    und Männer berücksichtigt und geschlechtsspezifische Benachteiligungen beseitigt werden
    (§ 15 Abs. 1 BGG).
    Daneben steht das Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung
    und in den Gerichten des Bundes (BGleiG)170. Es konzentriert sich zwar auf geschlechtsspezifische
    Diskriminierung. In § 1 S. 4 BGleiG erwähnt es allerdings ebenfalls die Berücksichtigung
    der „besonderen Belange behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen“.
    Die punktuelle Beachtung einer eingeschränkten Mehrdimensionalität spricht zunächst
    dafür, dass hier seitens des Gesetzgebers eine besondere Problemlage anerkannt worden
    ist. Allerdings erzeugen die Regelungen auch ein Problem, das in den theoretisch-konzeptionellen
    Auseinandersetzungen mit Intersektionalität eine Rolle spielt, denn sie arbeiten
    im „Dilemma der Differenz“171 und mit einer ontologisierend-homogenisierenden Regulierung,
    tragen also entgegen der Regelungsabsicht auch zum Problem der Diskriminierung
    durch Stereotypisierung bei. Die Heraushebung „der Frauen“ suggeriert ein einheitliches
    Problem, obwohl Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen konfrontiert sind und
    weitere in Deutschland wirksamen Kategorisierungen eine Rolle spielen. Zum Beispiel
    hängt die Versorgung behinderter Frauen auch davon ab, ob und in was für einer Form
    der Partnerschaft sie leben, ob sie Kinder haben und wer sich um diese kümmert, ob sie
    bestimmten Herkunftstraditionen verpflichtet sind oder Teil der Mehrheitsgesellschaft,
    über welchen Bildungshintergrund und über welche materiellen Ressourcen sie verfügen
    usw. Die Situation der Diskriminierung aufgrund von Behinderung ist also immer mehrdimensional,
    doch reduziert geltendes Recht sie auf einen Sonderfall Frauen. Die positive
    Anerkennung von Mehrfachdiskriminierung geht also mit der negativen, vereinheitlichenden
    und andere Kategorisierungen ausblendenden Stigmatisierung einher.
    3.3 Regelungen der EU
    Das AGG ist aus der Pflicht zur Umsetzung der europäischen Gleichbehandlungsrichtlinien
    entstanden. Zwar hat die konkrete Regelung des § 4 AGG zur mehrfachen Benachteiligung
    kein unmittelbares Vorbild im Europarecht. Doch finden sich mehrere Normen, die sich
    mit mehrdimensionaler Diskriminierung befassen.
    170 Vom 30.11.2001, BGBl I, S. 3.234, zuletzt geändert durch Gesetz v. 05.02.2009, BGBl I, S. 160.
    171 Dazu bereits 2.2.2.
    40
    3.3.1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union
    Die Grundrechtecharta ist mit dem Vertrag von Lissabon in Kraft getreten. Sie ist zwar kein
    Instrument der unmittelbaren Rechtsdurchsetzung für Einzelne, doch bindet sie die
    Anwendung und Auslegung europäischen Rechts und das europäische Handeln von Bund
    und Ländern. In der Charta ist – im Konvent-Verfahren unter damaliger Federführung des
    ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog – ein, insbesondere im Vergleich mit der
    EMRK172, umfangreicher Schutz der Gleichheitsrechte verankert worden. In Art 21 Abs. 1 der
    Grundrechtecharta173 heißt es:
    „Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der
    ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion
    oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu
    einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder
    der sexuellen Ausrichtung, sind verboten.“
    Die Formulierung geht also weiter als Art. 3 GG und auch als § 1 AGG, denn es werden mehr
    Kategorisierungen angesprochen und die Liste der aufgezählten Kategorisierungen ist
    nicht abschließend („insbesondere“). Allerdings stehen auch hier die Kategorisierungen
    nebeneinander, denn sie sind mit einem „oder“ verbunden. Die Formulierung „insbesondere“
    eröffnet aber die Möglichkeit, nicht nur weitere Kategorisierungen zu berücksichtigen,
    sondern auch, mehrdimensionale Diskriminierung angemessen zu adressieren.
    3.3.2 Die Gleichstellungsrichtlinien der EU
    Die vier Richtlinien zum Gleichbehandlungsrecht, die mit dem AGG in nationales Recht
    umgesetzt werden sollten174, sind die Richtlinien 2000/43/EG zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
    ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft
    („AntirassismusRL“)175, 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung
    der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (verkürzt „BeschäftigungsrahmenRL“)
    176, 2002/73/EG zur Änderung der RL 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung
    des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs
    zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die
    Arbeitsbedingungen (missverständlich „GenderRL II“)177 und 2004/113/EG zur Verwirklichung
    des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu
    und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (verkürzt „DienstleistungsRL“)178.
    Nur die BeschäftigungsrahmenRL hat die Bekämpfung von Diskriminierung entlang verschiedener
    Kategorisierungen zum Ziel (Religion/Weltanschauung, Behinderung, Alter,
    172 Dazu sogleich, 3.4.3.
    173 Vom 07.12.2000 in der Fassung v. 12.12.2007, ABl C 303 v. 14.12.2007 ff.
    174 Vor dem EuGH sind Verfahren anhängig, die mangelnde Umsetzung zum Gegenstand haben. Es geht um die
    Rechtsfolgen und die Rechtsdurchsetzung, vgl. z. B. Vorlage an den EuGH C-246/09, ABl C 244 v. 10.10.2009, 2.
    175 Vom 29.06.2000, ABl L 180 v. 19.07.2000, 22 ff.
    176 Vom 27.11.2000, ABl L 303 v. 02.12.2000, 16 ff. Diese Richtlinie bezieht sich nicht auf alle EU-rechtlich anerkannten
    Diskriminierungen.
    177 Vom 23.09.2002, ABl L 269 v. 05.10.2002, 15 ff. Hier wird Geschlecht als „Gender“ übersetzt, obwohl Gender
    ausweislich der Forschung in den Genderstudies als in sich interdependente Kategorisierung konzipiert ist.
    Dazu oben 2.2.2.
    178 Vom 13.12.2004, ABl L 373 v. 21.12.2004, 37 ff. Diese Richtlinie bezieht sich nur auf die Kategorisierung
    Geschlecht.
    41
    sexuelle Ausrichtung), die allerdings wieder nur nebeneinander genannt werden. Alle
    anderen beziehen sich im Normtext lediglich auf je eine Ungleichheitskategorisierung: Die
    AntirassismusRL auf rassistische Diskriminierung, die GenderRL II und die Dienstleistungs-
    RL auf geschlechtsspezifische Diskriminierungen. Im Normtext geben die Richtlinien
    keine Hinweise auf mehrdimensionale Diskriminierung. Anders ist dies in den Erwägungsgründen
    zu zwei der vier Richtlinien: In Erwägungsgrund 14 der AntirassismusRL und in
    Erwägungsgrund 3 der BeschäftigungsrahmenRL wird erklärt, dass „Frauen häufig Opfer
    von Mehrfachdiskriminierungen sind“, weshalb sich die EU um die Gleichstellung von
    Männern und Frauen bemühe.
    Wieder findet sich also die Ambivalenz, die auch schon deutsches Bundesrecht in Teilen
    kennzeichnet: Mehrdimensionale Diskriminierung wird mit Blick auf (nur) zwei Kategorisierungen
    gesehen. Sie wird hinsichtlich des Geschlechts zwar empirisch zu Recht als
    Benachteiligung vorrangig zulasten von Frauen benannt, was sprachlich und normativ
    aber ontologisierend-stereotypisierende („die Frauen“) und stigmatisierende Wirkungen
    hat.
    Diese gleichstellungsorientiert gemeinte, aber doch problematische Tendenz taucht auch
    in politischen Papieren der EU auf. Die Aufmerksamkeit der EU für mehrdimensionale
    Diskriminierung war in den letzten 10 Jahren erheblichem Wandel unterworfen. In einem
    Beitrag zur Durban-Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit
    und damit zusammenhängende Intoleranz 2001 schreibt die Europäische
    Kommission, dass im Nachgang der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking erkannt wurde,
    dass eine Wechselwirkung zwischen geschlechtsspezifischer Diskriminierung und Rassismus
    bestehe und dass die Kommission dem auf europäischer Ebene bei den Anstrengungen
    zur Bekämpfung des Rassismus Rechnung trage.179 Sie bezieht sich dabei auf die
    Gemeinschaftsstrategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern und das dazugehörige
    Aktionsprogramm180. Dabei gehe es
    „auch um die Durchsetzung der Menschenrechte der Frauen. Als einer von fünf eng miteinander
    verzahnten Tätigkeitsbereichen wird die Förderung der Geschlechtergleichstellung in
    Bezug auf die Rechte als Bürgerinnen und Bürger genannt – im Kontext der Durchsetzung
    der Menschenrechte und Grundfreiheiten für Frauen und Männer, unabhängig von Rasse,
    ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung. Ein besonderes Augenmerk der Kommission
    wird der Unterstützung von Sensibilisierungsmaßnahmen gelten, die auf das ‚Empowerment‘
    insbesondere von Frauen abzielen, die mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt
    sind, wie zum Beispiel Migrantinnen und Angehörige ethnischer Minderheiten.“ 181
    In den Empfehlungen an die an der Konferenz teilnehmenden Staaten bleibt das Papier
    dann jedoch auf die Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus konzentriert.182
    179 KOM(2001) 291 endg., 4.
    180 Entscheidung des Rates vom 20.12.2000 über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft betreffend die
    Gemeinschaftsstrategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern (2001–2005), ABl L 17 v. 19.01.2001,
    22 ff.; später um ein Jahr verlängert durch Entscheidung Nr. 1554/2005/EG des Europäischen Parlaments und
    des Rates vom 7. September 2005, ABl L 255 v. 30.09.2005, 9 f.
    181 KOM(2001) 291 endg., 10 f.
    182 KOM(2001) 291 endg., 15.
    42
    Dagegen fordert der Rat der Europäischen Union in seinen Schlussfolgerungen zur Weltkonferenz,
    dass
    „auch die Behandlung und Einbeziehung der Personen, die den am stärksten betroffenen
    Gruppen angehören und/oder vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind, sowie die
    Einbeziehung des Gleichstellungsaspektes in die Politiken und Maßnahmen zur Rassismusbekämpfung
    thematisiert werden“.183
    Noch etwas breiter formuliert das „Aktionsprogramm Gleichstellung von Frauen und
    Männern (2001–2005)“. Dort steht zwar die geschlechtsspezifische Gleichstellung im Vordergrund,
    doch wird eine „nach wie vor bestehende strukturelle Diskriminierung wegen
    des Geschlechts“ und insbesondere „die doppelte – und oft mehrfache – Diskriminierung,
    die zahlreiche Frauen trifft“ benannt.184 Eines der erklärten Ziele des Programms ist die
    Förderung eines besseren Verständnisses der Gleichstellungsfragen „einschließlich (…)
    mehrfacher Diskriminierung gegenüber Frauen, durch Prüfung der Wirksamkeit der
    Politiken und Praktiken anhand einer Vorabanalyse, einer Überwachung ihrer Durchführung
    und einer Bewertung ihrer Folgen“.185
    Der hieran anschließende EU-Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern
    (2006–2010)186 erklärt dann wieder nur mit Bezug auf zwei Kategorisierungen, dass er die
    „Bekämpfung von Mehrfachdiskriminierung vor allem von Immigrantinnen und weiblichen
    Angehörigen ethnischer Minderheiten“ zum Ziel hat, denn „bei benachteiligten
    Gruppen ist die Situation für Frauen häufig noch schlechter als für Männer“.187 Zur Erreichung
    der Ziele des Fahrplans werden allerdings dann auch Indikatoren genannt, die bei
    der Umsetzung berücksichtigt werden sollen. Sie verweisen auf das Alter als eine weitere
    relevante Kategorisierung neben dem Migrationshintergrund. So sollen Daten zu den
    Beschäftigungsraten nicht nur grundsätzlich nach Männern und Frauen differenziert
    werden, sondern beispielsweise auch innerhalb der Gruppe der älteren Beschäftigten nach
    Männern und Frauen oder nach Geschlecht und EU- oder Nicht-EU-Bürgerschaft, wobei
    Letztere scheinbar noch ausgearbeitet werden müssen.188
    Ganz breit und allgemein stellt die Kommission dann 2004 im „Grünbuch Gleichstellung
    sowie Bekämpfung von Diskriminierungen in einer erweiterten EU“189 fest, dass die Verabschiedung
    von Artikel 13 EGV Ausdruck der zunehmenden Erkenntnis gewesen sei, dass im
    Kampf gegen Diskriminierungen eine kohärente und integrierte Vorgehensweise gefunden
    werden musste, um hiermit u. a. auch Mehrfachdiskriminierung wirksam in Angriff
    nehmen zu können.190 Die Kommission nehme in einigen Mitgliedstaaten auf nationaler
    Ebene eine wachsende Tendenz wahr,
    183 Pressemitteilung der 2367. Tagung des Rates (Allgemeine Angelegenheiten) am 16. Juli 2001
    (http://www.consilium.europa.eu/uedoc...#_Toc521140723,
    Zugang am 04.05.2010).
    184 ABl L 17 v. 19.01.2001, 22.
    185 Art. 3 b), ABl L 17 v. 19.01.2001, 24.
    186 KOM (2006) 92.
    187 KOM (2006) 92, 4.
    188 „to be further developed“, KOM (2006) 92, 16.
    189 KOM(2004) 379.
    190 KOM(2004) 379, 7.
    43
    „Maßnahmen zur Förderung der Geschlechtergleichstellung gleichzeitig mit Maßnahmen zur
    Bekämpfung von Diskriminierungen wegen anderer in Artikel 13 EGV festgehaltenen Gründen
    durchzuführen. Diese Tendenz zeigt sich insbesondere bei rechtlichen Maßnahmen und der
    Einsetzung von einer einzigen Gleichstellungsstelle, die sich mit den verschiedenen Diskriminierungsgründen
    auf nationaler Ebene befasst. Mit der Entwicklung eines integrierten Ansatzes
    soll insbesondere der Problematik von Mehrfachdiskriminierungen begegnet werden. Außerdem
    will man auf diese Weise den Forderungen nach wirksamen Vorgehensweisen bei der
    Förderung der Gleichbehandlung entsprechen. Die Kommission ist sich bewusst, dass zahlreiche
    Arbeitgeber dazu übergehen, sich mit diesen Fragen in Zusammenhang mit ihren Strategien
    zur Förderung der Vielfalt und zur Bekämpfung von Diskriminierungen zu befassen.“ 191
    Auch Deutschland gehört mit der ADS, die mit dem horizontalen Ansatz arbeitet, zu diesen
    von der Kommission gelobten Ländern.
    Im Jahr 2007 taucht das Thema „Mehrfachdiskriminierung“ im „Beschluss des Europäischen
    Parlaments und des Rates zur Einführung des Europäischen Jahres der Chancengleichheit
    für alle (2007)“192 bereits an mehreren Stellen auf. Zwar liegt weiter ein besonderes
    Augenmerk auf dem Zusammentreffen von Sexismus und Rassismus: So sollen
    geschlechtsspezifische Unterschiede im Hinblick auf „Diskriminierung aus Gründen der
    Rasse oder ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung,
    des Alters oder der sexuellen Ausrichtung“ berücksichtigt werden.193 Aber grundsätzlich
    soll, so die Begründung (14),
    „im Rahmen des Europäischen Jahres [...] auch das Problem der Mehrfachdiskriminierung,
    d. h. der Diskriminierung aufgrund von zwei oder mehreren der Gründe, die in Artikel 13 des
    Vertrags aufgeführt sind, aufgegriffen werden. Damit soll auch eine ausgewogene Vorgehensweise
    gegen alle dort genannten Gründe gefördert werden.“ 194
    Weiterhin sei eine zentrale Zielsetzung des Europäischen Jahres, „für das Recht auf Gleichbehandlung
    und Nichtdiskriminierung sowie für das Problem der Mehrfachdiskriminierung
    [zu] sensibilisieren“ und die Botschaft des Rechts auf Gleichbehandlung zu verbreiten.
    195 Mehrdimensionale Diskriminierung wird hier als zentrales Thema von
    Antidiskriminierungsmaßnahmen gesehen.
    Der von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Bericht „Bekämpfung von
    Mehrfachdiskriminierung“196 hat ebenfalls mehrdimensionale Diskriminierung im Fokus.
    Zunächst wird in dem Bericht eine Begriffsklärung und Systematisierung der unterschiedlichen
    Ansätze zu mehrdimensionaler Diskriminierung sowie eine Analyse der Europäischen
    Union im Vergleich zu internationaler Rechtsprechung vorgenommen. Weiterhin
    wird aufgezeigt, wer von mehrdimensionaler Diskriminierung betroffen sein kann und
    wie diese sich auf die von ihr betroffenen Menschen auswirkt. Außerdem gibt der Bericht
    Handlungsempfehlungen für unterschiedliche Themenfelder: Es sollten beispielsweise
    Defiziten in Forschung und Datenerhebung zu mehrdimensionaler Diskriminierung ent191
    KOM(2004) 379, 25.
    192 Vom 17.05.2006, ABl. L 146 v. 31.05.2006, 1 ff.
    193 Art. 4, ABl. L 146 v. 31.05.2006, 3.
    194 ABl. L 146 vom 31.05.2006, 2.
    195 Art. 2 a), ABl. L 146 vom 31.05.2006, 3.
    196 Europäische Kommission (2007).
    44
    gegengewirkt werden, sowie an die Gesellschaft gerichtete Sensibilisierungsmaßnahmen
    und Bildungsmaßnahmen bestimmter Berufsgruppen ergriffen werden. Auch legt der
    Bericht nahe, den Diskriminierungsschutz bezüglich Alter, Behinderung, Religion/Weltanschauung
    und sexueller Ausrichtung auch auf Bereiche außerhalb von Beschäftigung und
    Beruf auszuweiten, und Nichtregierungsorganisationen mit horizontalem Ansatz zu fördern.
    Im Jahr 2008 legte die Kommission parallel zu dem Vorschlag einer weiteren Gleichbehandlungsrichtlinie197
    ihre Mitteilung „Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit:
    Erneuertes Engagement“198 vor. Die Mitteilung trifft zahlreiche Aussagen zur Bekämpfung
    von Diskriminierung insgesamt, ohne dabei zwischen verschiedenen Problemen zu hierarchisieren
    oder durch Nennung einzelner Kategorisierungen zu stereotypisieren. Die Kommission
    will den europäischen Rechtsrahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung, der
    immer noch unvollständig sei, durch Weiterentwicklung eines einheitlichen Rahmens
    voranbringen. Dabei bestehe ein beträchtlicher Bedarf an Daten bezüglich jeglicher Diskriminierungserfahrungen,
    welche für effiziente Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung
    unerlässlich seien.199 Mehrdimensionale Diskriminierung müsse in der Sensibilisierung
    der Bevölkerung insgesamt und in der Ausbildung bestimmter „Stakeholder“,
    darunter Gleichbehandlungsstellen, Richterinnen und Richter, Anwältinnen und Anwälte
    und nicht staatliche Organisationen und Sozialpartnerinnen und Sozialpartner, eine größere
    Rolle spielen. Die Kommission will diesbezügliche Maßnahmen unterstützen.200
    Aus diesen Formulierungen ergibt sich, dass in der EU eine steigende Aufmerksamkeit für
    mehrdimensionale Diskriminierung vorhanden ist. Die deutliche Beachtung von Rassismus
    und Sexismus201 deckt sich mit der Entwicklung der Analysen von Intersektionalität,
    die ebenfalls von einer begrenzten Problemlage – „sex, race, class“ – ausgingen202 und
    sukzessive weitere Achsen der Ungleichheit oder Interdependenzen einbezogen haben.
    Politisch und in den Empfehlungen zur Bekämpfung von Gleichstellung fordert die EU
    allerdings zunehmend einen „horizontalen Ansatz“203, der Mehrdimensionalität umfassend
    adressiert. Mittlerweile erhebt sie auch Daten zu diesem Problem204, wobei diese nach
    eigener Aussage aufgrund der geringen Fallzahlen keine präzisen Aussagen möglich
    machen.
    Von besonderem Interesse ist dazu auch der Bericht des European Network of Legal Experts
    in the field of Gender Equality. Burri und Schiek sind dabei für die Kommission205 der Frage
    nachgegangen, inwiefern die EU-Mitgliedstaaten und nationalstaatliche Regelungen die
    Benachteiligung von Frauen wegen weiterer Kategorisierungen als die geschlechtsspezifische
    berücksichtigen, ob sich Gerichtsentscheidungen identifizieren lassen, in denen
    mehrdimensionale Diskriminierung von Frauen adressiert wird und welche Empfehlungen
    sich für Forschungs- und politische Maßnahmen ergeben. Die Studie kommt zu dem Ergeb-
    197 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet
    der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung vom
    02.07.2008, KOM (2008) 426. Die RiLi soll für die Gleichbehandlung außerhalb des Arbeitsmarktes, also für
    Güter und Dienstleistungen gelten.
    198 Vom 02.07.2008, KOM (2008) 420.
    199 KOM (2008) 420, 8.
    200 KOM (2008) 420, 9.
    201 So auch Althoff (2006), 150 f.
    202 Dazu 2.1.
    203 Befürwortend Althoff (2006), 151.
    204 Zum Beispiel mittels einer Eurobarometer-Umfrage zu Diskriminierung, siehe Europäische Kommission (2008).
    205 Burri/Schiek (2009).
    45
    nis, dass eine einheitliche Adressierung von mehrdimensionaler Diskriminierung im
    EU-Recht und dessen einheitliche Umsetzung durch die Struktur der EU mit ihren einzelnen
    Mitgliedstaaten und deren jeweils eigenen Rechtssystemen bislang Probleme aufweisen.
    In der Rechtsprechung des EuGH werde die mehrdimensionale Diskriminierung von
    Frauen bisher nicht anerkannt206, in einigen nationalstaatlichen Entscheidungen auf unterschiedliche
    Weise thematisiert, allerdings auch oft nicht anerkannt.207 Die größten Hürden
    der Rechtsmobilisierung liegen laut Bericht in dem generellen Nichtwissen über mehrdimensionale
    Diskriminierung und im Zwang zur Vergleichsgruppenbildung bezüglich
    jeder einzelnen Kategorisierung. Praktische Auswirkungen hätte die Anerkennung von
    mehrdimensionaler Diskriminierung in einigen Staaten auf die Höhe der Entschädigungssumme
    und die Beweislastprobleme, die sich für Betroffene mehrdimensionaler
    Diskriminierung
    ergeben können. Allerdings sei es jedenfalls nicht hilfreich, spezifische Gruppen
    zu identifizieren, die von mehrdimensionaler Diskriminierung betroffen sind.208 Hier
    identifizieren Burri und Schiek einen Forschungsbedarf, der sozialwissenschaftliche und
    juristische Herangehensweisen verknüpft. Sie empfehlen zudem eine Veränderung der
    EU-Vorgaben hinsichtlich der Rechtsdurchsetzungshürden, insbesondere bezüglich der
    Vergleichsgruppenbildung. Zudem wünschen sie sich eine Klarstellung in den Richtlinien,
    um mehrdimensionale Diskriminierung vom Verbot der Diskriminierung mit umfasst zu
    sehen.209
    3.4 Regionale/globale Menschenrechte
    Die Menschenrechte adressieren sowohl auf globaler als auch auf regionaler – hier insbesondere
    europäischer – Ebene seit ihrer Entstehung ausdrücklich das Diskriminierungsverbot
    mit Blick auf bestimmte, historisch relevante Kategorisierungen. Teils wird menschenrechtlich
    auch die mehrdimensionale Diskriminierung adressiert.
    3.4.1 AEMR
    Art. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (VN) fixiert
    eine offene Liste von Diskriminierungskategorisierungen, thematisiert daneben aber
    mehrdimensionale Diskriminierung nicht.
    3.4.2 VN-Konventionen
    Alle Konventionen der VN verbieten die Diskriminierung aufgrund bestimmter, wieder
    regelmäßig nicht abschließend gelisteter Kategorisierungen. Drei der spezifisch gegen
    Diskriminierung gerichteten VN-Konventionen nehmen dabei ausdrücklich oder doch
    nach Auffassung des mit der Durchsetzung befassten Ausschusses auch Bezug auf andere
    Ungleichheitskategorien als jene, denen sie gewidmet sind.
    206 Burri/Schiek (2009), 8.
    207 In der Studie sind die Berichte aus den jeweiligen Mitgliedstaaten mit den betreffenden Entscheidungen enthalten.
    208 Burri/Schiek (2009), 20.
    209 Vgl. auch zu den weiteren Schlussfolgerungen, Burri/Schiek (2009), 24.
    46
    Die schon in den 1960er-Jahren beschlossene Konvention gegen Rassismus wird vom Ausschuss
    so interpretiert, dass, so die General Recommendation No. 25 210, insbesondere auch
    die geschlechtsbezogene Benachteiligung von Frauen beachtet werden soll. Es geht um
    „circumstances, in which racial discrimination only or primarily affects women, or affects
    women in a different way, or to a different degree than men”.211
    Daher will der Ausschuss „a more systematic and consistent approach to evaluating and
    monitoring racial discrimination against women“212 entwickeln. Dazu werden die Vertragsstaaten
    aufgefordert, Daten zu erheben, „which have been categorized by race or ethnic
    origin, and which are then disaggregated by gender within those groups“213, um rassistische
    Diskriminierung von Frauen zu erkennen, zu vergleichen und Maßnahmen zur
    Bekämpfung zu ergreifen.
    Des Weiteren sollen die Vertragsstaaten der 1976 beschlossenen „Frauenrechtskonvention“
    gemäß Art. 11 (1) e) CEDAW geeignete Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Frauen
    im Bereich der Beschäftigung ergreifen, um ein gleiches Recht auf soziale Sicherheit, insbesondere
    im Falle von höherem Alter und Invalidität, zu gewährleisten.214 Erneut wird hier
    mehrdimensionale Diskriminierung nur mit Blick auf zwei weitere Kategorisierungen
    adressiert: Alter und Behinderung.
    In der Behindertenrechtskonvention als der jüngsten und in diesem Sinne modernsten
    VN-Konvention findet sich lediglich eine Regelung, die zwei Kategorisierungen kombiniert:
    Art. 6 Behindertenrechtskonvention regelt die „mehrfache Diskriminierung“ hinsichtlich
    Frauen und Mädchen mit Behinderung.215 Allerdings greift die Präambel weiter,
    denn dort heißt es, dass
    „sich Menschen mit Behinderungen [schwierigen Bedingungen] gegenübersehen, die mehrfachen
    oder verschärften Formen der Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Hautfarbe,
    des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der
    nationalen, ethnischen, indigenen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt, des
    Alters oder des sonstigen Status ausgesetzt sind.“ 216
    210 Committee on the Elimination of Racial Discrimination, General Recommendation No. 25 (20/03/2000)
    on gender related dimensions of racial discrimination.
    211 Gen. Rec. No. 25, 1.
    212 Gen. Rec. No. 25, 3.
    213 Gen. Rec. No. 25, 6.
    214 Convention on the Elimination of all forms of Discrimination Against Women = Übereinkommen zur Beseitigung
    jeder Form von Diskriminierung der Frau, BGBl. II v. 03.05.1985, 648 ff. und Fakultativprotokoll,
    BGBl. II v. 06.12.2001, 1.238 ff.
    215 Im Wortlaut: Artikel 6 – Frauen mit Behinderungen: (1) Die Vertragsstaaten anerkennen, dass Frauen und
    Mädchen mit Behinderungen mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt sind, und ergreifen in dieser Hinsicht
    Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass sie alle Menschenrechte und Grundfreiheiten voll und gleichberechtigt
    genießen können. (2) Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen zur Sicherung der
    vollen Entfaltung, der Förderung und der Stärkung der Autonomie der Frauen, um zu garantieren, dass sie
    die in diesem Übereinkommen genannten Menschenrechte und Grundfreiheiten ausüben und genießen
    können.“ Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte
    von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen
    der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BGBl. II v. 31.12.2008,
    1419 ff.
    216 Behindertenrechtskonvention, Präambel p), BGBl. II v. 31.12.2008, 1422.
    47
    Weiterhin seien Frauen und Mädchen in stärkerem Maße durch Gewalt, Verletzung oder
    Missbrauch, Nichtbeachtung oder Vernachlässigung, Misshandlung oder Ausbeutung
    gefährdet.217 Daher sei „bei allen Anstrengungen zur Förderung des vollen Genusses der
    Menschenrechte und Grundfreiheiten durch Menschen mit Behinderungen die Geschlechterperspektive
    einzubeziehen.“218
    Hier zeigt sich, dass in diesen Debatten nicht nur das Geschlecht und dabei nicht nur Frauen
    (aber aus empirisch zutreffenden Gründen auch gerade diese) thematisiert werden
    können, sondern das gesamte Risiko mehrdimensionaler Benachteiligungen benannt
    werden kann.
    3.4.3 Konvention zum Schutze der Menschenrechte
    und Grundfreiheiten
    Im Rahmen europäischer Menschenrechte findet sich seit Langem umfassender, aber lange
    auch nur relativ zu anderen Konventionsrechten garantierter Schutz vor Diskriminierung
    in Art. 14 EMRK.219 Dieser gewährleistet die in der Konvention
    „anerkannten Rechte und Freiheiten […] ohne Diskriminierung insbesondere wegen des
    Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen
    Anschauungen, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen
    Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status.“
    Der Text nennt die Merkmale wie auch in Verfassungen und anderen Menschenrechtsnormen
    also nebeneinander und nimmt auf die Möglichkeit ihrer Verschränkung keinen
    Bezug.
    Durch das Zusatzprotokoll Nr. 12 zur Konvention vom 04.11.2000 wurde der Diskriminierungsschutz
    des Art. 14 EMRK insofern ausgeweitet, als dass er sich nicht mehr nur auf die
    Inanspruchnahme eines in der Konvention garantierten Rechts beschränkt. Vielmehr darf
    nun niemand unter keinerlei Vorwand mehr von einer öffentlichen Behörde diskriminiert
    werden. Deutschland hat das Zusatzprotokoll zwar unterzeichnet, aber bisher nicht ratifiziert.
    3.5 Zwischenfazit
    Insgesamt zeigt die Untersuchung der rechtlichen Regeln gegen Diskriminierung, dass auf
    mehrdimensionale Benachteiligung selten explizit eingegangen wird und oft nur vereinzelt
    und durchaus ambivalent das Zusammentreffen einzelner Kategorisierungen – meist
    Geschlecht mit Rassismus und mit Behinderung und Alter – benannt ist. Einzig die Behindertenrechtskonvention
    geht hier neue Wege.
    217 Behindertenrechtskonvention, Präambel q), BGBl. II v. 31.12.2008, 1422.
    218 Behindertenrechtskonvention, Präambel s), BGBl. II v. 31.12.2008, 1422.
    219 Vom 04.11.1950 in der Neufassung vom 17.05.2002, BGBl. II v. 27.05.2002, 1054 ff.
    48
    Im Vergleich mit den Menschenrechten fallen einige Aspekte des AGG auf, die Anlass für
    rechtspolitische Verbesserungen sein können. Insbesondere erscheint die Auflistung der
    Kategorisierungen, die durch das „oder“ parallel nebeneinander stehen, anders als in der
    Grundrechtecharta der EU nicht deutlich als offene Liste und verhindert damit die Berücksichtigung
    weiterer potenzieller Kategorisierungen, die im Raum sozialer Erfahrungen
    bereits bestehen oder sich entwickeln können. Die Verwendung einer nicht erschöpfenden
    Liste kann auch für die Anerkennung von Mehrfachdiskriminierung förderlich wirken.220
    Angemessener erscheint da zumindest im Ansatz die Regelung des § 75 BetrVG.
    Weiter ist, insbesondere in der EU, die mehrdimensionale Diskriminierung mittlerweile als
    zentrales Problem in der Antidiskriminierungsarbeit anerkannt worden.221 Zunehmend
    widmen sich die zuständigen Stellen der Datenerhebung und den Fragen der Rechtsdurchsetzung.
    Diese scheint für den Schutz vor Diskriminierung insgesamt zentral zu sein. Hier
    besteht in Deutschland Handlungsbedarf.
    220 Fredman (2005), 17 f. und bereits oben.
    221 Deutlichst: Europäische Kommission (2007). Die Studie hat zu anderen Ländern mehr Daten erhoben als zu
    Deutschland.
    49
    4.
    Rechtsdurchsetzung
    Im „Erneuerten Engagement“ der Europäischen Kommission heißt es 2008, die Nationalstaaten
    müssten sicherstellen, dass „die den Opfern von Diskriminierung zur Verfügung
    stehenden nationalen Rechtsmittel und die einschlägigen Sensibilisierungsmaßnahmen
    in der Praxis wirksam sind.“222 Es scheint jedoch spezifische Probleme im Zusammenhang
    mit der Rechtsdurchsetzung bei mehrdimensionaler Diskriminierung zu geben. Dabei ist
    eine umfassende und repräsentative Aussage schwer zu treffen, da gerichtliche Entscheidungen
    zu mehrdimensionaler Diskriminierung kaum zu finden sind.223 Das bedeutet
    nicht, dass es sie nicht gäbe. Doch werden sie, was sogleich auszuführen ist, bislang als
    solche nicht verhandelt. Daher soll anhand einiger gerichtlicher Entscheidungen nachfolgend
    verdeutlicht werden, welche Schwierigkeiten sich in Konstellationen mehrdimensionaler
    Diskriminierung ergeben können. Hier geht es nicht um die Schwierigkeiten, die
    sich materiellrechtlich stellen – Tatbestand, Umgang mit den Kategorisierungen, Neigung
    zum Denken in „Gruppen“224 und Vergleichsgruppenbildung –, sondern nur um die prozessualen
    Barrieren.
    4.1 Herausforderungen der Forschung
    Bei der Erfassung von Entscheidungen, die sich mit Konstellationen auseinandersetzen, in
    denen mehr als eine Ungleichheitskategorie eine Rolle spielt, zeigen sich in der Forschung
    auf verschiedenen Ebenen diverse Hindernisse.
    Zunächst wirkt sich die unterschiedliche Handhabung bei der Veröffentlichung von Entscheidungen
    aus. Dies betrifft insbesondere die Untergerichte, die keineswegs alle Entscheidungen
    in Datenbanken einspeisen. Zudem werden Vergleiche nicht öffentlich
    zugänglich dokumentiert. Um ein wirklich umfassendes Abbild der Rechtsprechung erstellen
    zu können, wäre eine Abfrage aller Gerichte erforderlich. Das lässt sich jedoch nur im
    Rahmen eines umfangreicheren Projekts leisten.
    Vorliegende Entscheidungen lassen sich dann nicht ohne Weiteres auf den Umgang mit
    mehrdimensionaler Diskriminierung befragen: Ob der „Fall“ als mehrdimensional wahrgenommen
    wird, hängt nicht nur von der Darstellung durch das Gericht ab, sondern auch
    222 KOM (2008) 420, 4.
    223 So auch der Befund im Workshop, vgl. Dokumentation im Anhang.
    224 Hier komme es zu einer Privilegierung innerhalb der benachteiligten Gruppe bei gruppenbezogenen Antidiskriminierungsstrategien:
    Sie tendieren dazu, die am wenigsten verletzlichen Gruppenmitglieder zu
    fördern, nämlich diejenigen, die sich trotz generell gegebener Gruppenbenachteiligung noch relativ am
    besten in Ausbildung und Beruf entfaltet haben; Däubler/Bertzbach-Blanke/Graue, Einleitung Rn. 235.
    50
    von der Wahrnehmung und den Vorannahmen der Forscherinnen und Forscher. Warum
    z. B. erwähnt das LArbG Berlin-Brandenburg in einer Entscheidung225 zunächst die Schwerbehinderung
    der Klägerin, geht im Weiteren aber nur noch auf ihre sexuelle Orientierung
    und mit keinem Wort mehr auf die Behinderung ein?
    Diese Erfassungshürden betreffen allerdings nur die Konstellationen, in denen überhaupt
    mehr als eine Ungleichheitskategorie von den Prozessteilnehmenden thematisiert wird.226
    Es ist jedoch anzunehmen, dass es ebenfalls Entscheidungen zu mehrdimensionalen Diskriminierungssituationen
    gibt, die als solche aber von keiner der Parteien im Prozessverlauf
    thematisiert werden, sondern sich alle auf nur eine Kategorisierung konzentrieren.
    Nach Einschätzung einiger Beratungseinrichtungen kann dies auch an der Selbstwahrnehmung
    der diskriminierten Person liegen, die die Diskriminierung nicht auf allen Ebenen
    erfasst bzw. erfassen kann.227 Allerdings muss ein Gericht dem nicht folgen. Das VG Frankfurt
    am Main hat sich in einer Entscheidung 2009 nicht allein auf die von der Klägerin
    vorgetragene geschlechtsspezifische Diskriminierung im Bewerbungsverfahren konzentriert,
    sondern die gesamte Personalauswahl überprüft und festgestellt, dass auch unzulässige
    Altersdiskriminierung eine Rolle spielte.228
    Die nachfolgende Darstellung beruht also auf einer Auswahl gerichtlicher Entscheidungen
    ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Die Abfrage einschlägiger Datenbanken ergab, dass
    bislang in der veröffentlichten Rechtsprechung deutscher Gerichte keine Entscheidung mit
    ausdrücklicher Erwähnung von mehrdimensionaler Diskriminierung vorliegt.229 Jedoch
    lassen sich bei eingehender Analyse einiger Entscheidungen Konstellationen erkennen, in
    denen die Klägerinnen und Kläger mehrdimensionaler Benachteiligung ausgesetzt waren.
    Offensichtlich bestehen bestimmte Hürden auf dem Weg zum Gericht.
    4.2 Hürden auf dem Weg zum und vor Gericht
    In der rechtssoziologischen Forschung ist bekannt, dass Rechtsdurchsetzung von bestimmten
    Zugangsbarrieren behindert wird. In Fällen der Diskriminierung wissen wir mit Blick
    auf sexualisierte Gewalt, dass eine Stigmatisierung der Opfer („blaming the victim“), ein
    „schlechter Ruf“ der Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte als „verständnislos“, „männlich“
    usw. und auch das Unwissen und die daraus resultierende Unsicherheit der Betroffenen
    Ursachen dafür sind, sogar in Fällen der gewalttätigen Benachteiligung keinen Rechtsschutz
    zu suchen. Ähnliches gilt in Fällen der Diskriminierung aufgrund der sexuellen
    Belästigung und anderer Diskriminierungen in der Erwerbsarbeit230, in denen die sozialen
    Bindungen und Hierarchien im Arbeitsverhältnis ebenfalls dazu beitragen, Rechte nicht
    225 LArbG Berlin-Bbg. 10 Sa 555/08, Urteil v. 21.07.2008.
    226 Die Schwierigkeit, solche Fälle von potenziellen mehrdimensionalen Benachteiligungskonstellationen zu
    finden, spielt auch im EU-Vergleich eine Rolle, s. Burri/Schiek (2009), 13.
    227 Vgl. den Bericht zum Expertinnen- und Experten-Workshop zur Expertise.
    228 VG Frankfurt 9 L 3454/09.F, Beschluss v. 09.12.2009.
    229 Abfrage der Datenbanken des BVerfG, BVerwG und BGH sowie juris und beck-online mit den Schlagworten
    „Mehrfachdiskriminierung“, „mehrfach“, „intersektionell/-al“, „mehrdimensional“, „multip“,
    „verschränkte“, „additiv“, „doppelt“ jeweils kombiniert mit „Diskriminierung“, „Benachteiligung“ und
    „Ungleichbehandlung“, „4 AGG“, „9 AGG“ und „27 AGG“.
    230 ADS (2010), 9.
    51
    individuell oder nur in letzter Konsequenz zu nutzen. Kollektive Rechtsdurchsetzung
    könnte hier strukturell etwas ändern.231 Auch für Lebensbereiche wie die Schule ist
    bekannt, dass Rechtsdurchsetzung ein eher ungeliebtes Mittel ist, Diskriminierung zu
    bekämpfen.232
    Hier stellt sich die Frage, ob es bei mehrdimensionaler Diskriminierung besondere Schwierigkeiten
    gibt. Rechtsberatung und Prozesskonstellationen spielen hierbei eine grundlegende
    Rolle. Doch auch bevor es überhaupt zu einem gerichtlichen Verfahren kommt,
    können sich schon Hürden bei der Rechtsdurchsetzung ergeben. Zunächst ist bereits die
    Tatsache, dass manche vermuten, dass sich gerade für Menschen, die von mehrdimensionaler
    Benachteiligung betroffen sind, automatisch die Hürden beim Zugang zur Rechtsdurchsetzung
    verstärken, eine Hürde: Vermutungen werden zu Prognosen. So meint auch
    die Bundesregierung in der Begründung zum Entwurf des AGG, dass sich Zugangsbarrieren
    im Falle einer Mehrfachdiskriminierung in besonderem Maße auswirken könnten.233
    Ob Menschen, die mehrdimensional diskriminiert werden, tatsächlich immer auf höhere
    Hürden treffen, ob gerade sie eher bereit sind, ihre Rechte durchzusetzen, wissen wir mangels
    vertiefter Studien zur Rechtsdurchsetzung derzeit nicht. Allerdings deuten die Zahlen
    zu den Klagen nach dem AGG darauf hin, dass eher weithin strukturell privilegierte Menschen
    Rechte gegen Diskriminierung einklagen. Die meisten Klagen werden wegen des
    Alters erhoben234 und in Fragen geschlechtsbezogener Diskriminierung sind zumindest
    wichtige Urteile oft von Männern erstritten worden.
    Zu beachten ist schließlich, dass Streitigkeiten, die im Rahmen eines außergerichtlichen
    Vergleichs beigelegt werden235, nur im Rahmen vertiefter Forschung zu finden sind und in
    dieser Expertise folglich nicht zugrunde liegen.
    Eine Hürde der Rechtsdurchsetzung bei mehrdimensionaler Diskriminierung kann in
    der Beratung, eine weitere in der Entscheidung von Anwältinnen und Anwälten für eine
    bestimmte Prozessstrategie liegen. Dies wurde auch im Rahmen des Expertinnen- und
    Experten-Workshops zu dieser Expertise thematisiert. In der Beratung sei es wahrscheinlich,
    dass Betroffene bereits vorauseilend nur eine Kategorisierung nennen, die in § 1 AGG
    ausdrücklich genannt wird, und sich auf nur auf die konzentrieren, die „deutlich“ zu sein
    scheint. Zudem sind Beratungseinrichtungen weithin nur auf eine Kategorisierung spezialisiert,
    was das Vorbringen ebenfalls filtert. Schließlich sind bestimmte Kategorisierungen
    mit Stigmata behaftet, die es erschweren dürften, entsprechende Diskriminierungen
    vorzutragen. So können Betroffene keineswegs überall sicher sein, in ihrer sexuellen Identität
    akzeptiert (und entsprechend mit einer Diskriminierungserfahrung verstanden) zu
    werden. Ebenso sind religiöse Überzeugungen nicht ohne Weiteres komfortabel zu artikulieren.
    Mangels einer breiten Antidiskriminierungskultur, in der ein öffentlicher Konsens
    über bestimmte Verletzungen bzw. Achtungsansprüche vorausgesetzt werden kann, sind
    derartige Befürchtungen rational. Soll die Rechtsdurchsetzung verbessert werden, ist auch
    hier anzusetzen.
    231 Pfarr/Kocher (1998), auch schon Baer (1995) m. w. N.
    232 Baer, (2010).
    233 BT-Drs. 16/1780, 30. Desgleichen Teilnehmende beim Workshop, vgl. Dokumentation.
    234 Vgl. die Auflistung in der AGG-Urteilsdatenbank (http://www.berlin.de/lb/ads/agg/urteile/index.html,
    Zugriff am 24.05.2010).
    235 ADS (2010), 9 f.
    52
    Daneben kann eine Hürde in der Rechtsdurchsetzung auch in der Art der Prozessführung
    liegen. So wurde auf dem Workshop auch thematisiert, dass die Zersplitterung der Rechtsgebiete
    und Regeln gegen Diskriminierung dazu führe, dass Anwältinnen und Anwälte
    kaum, ebenso wie Beratungseinrichtungen sicher im Umgang mit allen Diskriminierungen
    („horizontal“) seien. Schon das könne dazu führen, eine Klage auf Dinge zu stützen, in
    denen man sich auskennt.
    Des Weiteren handelt es sich hier um ein Perpetuum mobile, insofern das Fehlen von Rechtsprechung
    zu mehrdimensionaler Diskriminierung auch zu einem Fehlen von Klagen in
    dieser Sache führt, wenn und weil Anwältinnen und Anwälte davon ausgehen müssen, dass
    sich Gerichte mit solchen Fällen nicht auskennen, sie in Datenbanken und Kommentaren
    nicht zu finden sind und folglich nicht aussichtsreich eingeklagt werden können.236 Erfolglosigkeit
    bedingt dann Erfolglosigkeit, letztlich auch Schweigen und die Verleugnung der
    eigenen Person.237 Bislang ist also davon auszugehen, dass es eine strategische Konzentration
    auf nur eine Kategorisierung – trotz möglicher Diskriminierung wegen mehrerer Kategorisierungen
    – gibt.
    4.3 Die Höhe einer Entschädigung nach dem AGG
    Ein weiterer Aspekt, der sich auch auf die Rechtsdurchsetzung auswirkt, ist der Umgang
    mit Sanktionen. Die EU-Gleichstellungsrichtlinien geben vor, dass „die Sanktionen, die
    auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, wirksam, verhältnismäßig
    und abschreckend sein“ müssen.238 Bislang ist allerdings nur eine Entscheidung eines deutschen
    Gerichts bekannt geworden, in der eine Summe mit abschreckender Wirkung zugestanden
    wurde. In einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung wurden der Klägerin
    48.000 Euro zugesprochen.239 Insofern lässt sich bislang auch nicht sagen, wie die Bürgerinnen
    und Bürger die finanzielle Entschädigung für Diskriminierung einschätzen. Zu beachten
    ist hier, dass deutsche Leitmedien regelmäßig über Entscheidungen in den USA berichten,
    in denen Opfer angeblich Millionenbeträge erhielten. Dies sind allerdings regelmäßig
    Falschmeldungen, die offensichtlich negative Einschätzungen überzogener Schadensersatzpolitik
    fördern sollen.240
    Für die Fälle mehrdimensionaler Diskriminierung stellt sich die Frage, ob die Mehrdimensionalität
    eine Erhöhung der Entschädigungssumme zur Folge hat, haben würde und
    haben sollte. Dies wird in der Gesetzesbegründung und in der Literatur offensichtlich vor
    dem Hintergrund eines additiven Konzepts von Intersektionalität durchaus vertreten. Eine
    Persönlichkeitsverletzung aufgrund mehrerer Merkmale sei ein verstärkter Eingriff in die
    236 Dies ist bislang nicht erforscht, aber auch nicht abwegig, vgl. Däubler/Bertzbach-Däubler, § 4 Rn. 18.
    237 Hannett (2003), 80, verdeutlicht die Problematik mit folgendem Beispiel: „It implies that if you are black or
    Asian, you are male, and if you are a woman, you are white“.
    238 Siehe statt aller Art. 15 der Richtlinie 2000/43/EG, ABl. L 180 v. 19.07.2000, 26. Zur Systematik der Schadensersatz-
    und Entschädigungsregelungen des § 15 AGG vgl. z. B. Walker (2009), 5 ff.
    239 LArbG Berlin-Brandenburg 15 Sa 517/08, Urteil v. 26.11.2008.
    240 Opfer von Diskriminierung klagen in den USA z. T. im Rahmen des Civil Rights Act und erhalten im Fall des
    keinesfalls regelmäßigen Obsiegens die Anwalts- und Gerichtskosten, Ausgleichszahlungen und ggf. auch
    punitiven Schadensersatz. Individuell verbleibt bei den Opfern allerdings in aller Regel wenig.
    53
    Persönlichkeitssphäre.241 Schiek, die diese Fälle unterscheidet, plädiert bei additiver Diskriminierung
    für eine Erhöhung der Entschädigungssumme, im Falle von intersektioneller
    Diskriminierung hält sie jedoch eine Prüfung des Einzelfalls für notwendig.242 Gerichte
    haben sich dazu bislang nicht geäußert.243
    Ausweislich der Forschung zu Intersektionalität spricht für eine Erhöhung von Schadensersatzsummen
    im Fall mehrdimensionaler Diskriminierung, dass Menschen an der Schnittstelle
    mehrerer Achsen der Ungleichheit244 strukturell schlechter gestellt sind als andere.
    Gegen diese Position spricht allerdings, dass alle Ungleichheiten in sich interdependent zu
    verstehen sind245 und je nach Kontext Benachteiligungen erzeugen können. Zudem ergibt
    sich aus der Grundrechtsdogmatik und der Dogmatik der Menschenrechte auch, dass
    Diskriminierung nicht nach unterschiedlicher Intensität zu messen, sondern als Verletzung
    eines Achtungsanspruchs anzuerkennen ist. Daraus ließe sich folgern, dass Schadensersatz
    neben dem Ausgleich der tatsächlich erlittenen Einbußen im Rahmen des immateriellen
    Schadensersatzes zahlreiche Aspekte des Einzelfalls frei von jedem – dann eventuell
    auch wieder stereotypisierenden – Schematismus einbeziehen sollte.
    4.4 Kategorisierungen vor Gericht
    In der genaueren Durchsicht der bisher in Deutschland ergangenen gerichtlichen Entscheidungen
    zum AGG zeigen sich bestimmte Konstellationen, in denen mehr als ein
    „Grund“ einer Benachteiligung i. S. d. § 1 AGG thematisiert wird. So ergibt sich ein Bild der
    prioritären, damit aber auch oft eindimensional verkürzten Thematisierung bestimmter
    Konstellationen. Mithilfe der theoretisch-konzeptionellen Arbeiten zu Intersektionalität
    lassen sich diese als auch problematisch stereotypisierende Aufmerksamkeit verstehen246,
    nicht aber als Indikator für die empirische Realität von Benachteiligungen in der deutschen
    Gesellschaft.
    4.4.1 Geschlecht, Religion/Weltanschauung, „Rasse“/ethnische Herkunft
    Zahlreiche Entscheidungen, in denen mehrere Ungleichheiten thematisiert werden,
    betreffen das religiöse Kopftuch247. Teils zeigt sich, dass Gerichte die Problematik einer
    Ethnisierung sehen, aber sie nicht juristisch werden lassen; teils zeigt sich, dass Religion die
    Problematik des Sexismus überspielt.
    In einem Verfahren vor dem ArbG Köln248, das in zweiter Instanz mit einem Vergleich endete249,
    ging es um Religion und die Herkunft. Das Gericht gab der Klage auf Weiterbeschäftigung
    einer Arbeitnehmerin des Caritasverbandes statt, der gekündigt worden war, weil sie
    nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit bei der Arbeit ein Kopftuch trug. Die Klägerin trug
    selbst vor, dass ihr „allein durch ihre äußere Erscheinung“ der muslimische Glaube anzu241
    Unter anderem MüKoAGG-Thüsing, § 4 AGG Rn. 6; des Weiteren bereits 3.1.
    242 Schiek-Schiek, § 4 AGG Rn. 9, ähnlich Walker (2009), 10.
    243 Zur Erfassung der Gerichtsentscheidungen s. Teil 4.1.
    244 Dazu 2.2.1.
    245 Dazu 2.2.2.
    246 Dazu oben 2.3.
    247 Hier interessieren nur diejenigen, die nach Inkrafttreten des AGG ergangen sind.
    248 ArbG Köln 19 Ca 7222/07, Urteil v. 06.03.2008.
    249 LArbG Köln 3 Sa 785/08 v. 03.12. 2008.
    54
    sehen sei. Der Verband habe also bereits bei Einstellung wissen müssen, dass die Arbeitnehmerin
    muslimischen Glaubens sei. Er habe sie damals eingestellt und könne sie nun nicht
    kündigen. Das greift das Gericht auf: „Die Klägerin ist erkennbar türkischer Abstammung.
    Es liegt nahe, dass sie muslimischen Glaubens ist.“250 Der Begriff des AGG („ethnische Herkunft“)
    wird allerdings nicht benutzt. Diese Argumentation ist im Ergebnis vorteilhaft für
    die Klägerin. Sie arbeitet jedoch mit einer diskriminierenden Stereotypbildung: Nicht alle
    Menschen türkischer Abstammung sind muslimischen Glaubens, und das AGG wendet sich
    gerade dagegen, vom äußeren Erscheinungsbild auf Religion oder ethnische Herkunft zu
    schließen. Im Kern ging es in diesem Fall um ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers,
    das Frauen einer bestimmten Religion benachteiligt.
    In einem anderen Fall ging es um die Klage einer Lehramtsbewerberin, die wegen ihres
    Kopftuchs nicht in das Beamtenverhältnis eingestellt wurde. Im Tatbestand beschreibt das
    VG Düsseldorf251 die Klägerin als „Kind türkischer Eltern [...] muslimischen Glaubens“. Wiederum
    werden zwei Kategorisierungen – ethnische Herkunft und Religion – thematisiert,
    allerdings nicht ausdrücklich. Auch hier nutzt das Gericht also das AGG nicht umfassend,
    denn die Ethnisierung spielt in der Entscheidung für das Gericht keine Rolle mehr. Es geht
    allein um die Benachteiligung wegen der Religion, die mit dem Bekundungsverbot des
    Schulgesetzes Nordrhein-Westfalens als Ausdruck des staatlichen Neutralitätsgebots nach
    § 8 I AGG gerechtfertigt sei.
    In anderen Entscheidungen spielt Ethnisierung keine Rolle, aber das Geschlecht. Das LAG
    Düsseldorf252 hatte ebenfalls über die schulgesetzliche Regelung zu Kleidung zu entscheiden.
    Eine Lehrerin trug statt des Kopftuchs eine Baskenmütze und wurde abgemahnt, dies
    zu unterlassen. Das Gericht thematisiert eine mögliche Diskriminierung wegen der Religion
    und des Geschlechts, sieht aber beide nach § 8 I AGG als gerechtfertigt an. Ausdrücklich
    befasst sich das Gericht dann aber nur noch mit der Religion. Die das Urteil bestätigende
    Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)253 greift die geschlechtsspezifische Benachteiligung
    immerhin kurz, wenn auch mit problematischen Argumenten auf: Da die Regelung
    des Schulgesetzes religiöse Bekundungen unabhängig vom Geschlecht verbiete und
    nicht etwa speziell das von Frauen getragene islamische Kopftuch, liege keine Ungleichbehandlung
    wegen des Geschlechts vor.254 Hier wird verkannt, dass Benachteiligung nach
    dem AGG unabhängig von speziellen Regelungsintentionen gerade auch dann als mittelbare
    Diskriminierung vorliegt, wenn von einer geschlechtsneutralen Regelung ganz überwiegend
    Frauen betroffen sind.255
    Umgekehrt wird die Frage geschlechtsbezogener Diskriminierung dann auch benutzt, um
    das Kopftuch zu verbieten. Es sei, so einst das BVerfG, ein Symbol, „das die Abgrenzung zu
    Werten der westlichen Gesellschaft, wie individuelle Selbstbestimmung und insbesondere
    Emanzipation der Frau, ausdrückt“.256 Das zeigt sich in einer Entscheidung des ArbG
    250 ArbG Köln 19 Ca 7222/07, Rn. 6.
    251 VG Düsseldorf 2 K 6225/06, Urteil v. 05.06.2007.
    252 LAG Düsseldorf 5 Sa 1836/07, Urteil v. 10.04.2008.
    253 BAG 2 AZR 499/08, Urteil v. 20.08.2009.
    254 Ebenso in der wenig älteren Entscheidung BAG 2 AZR 55/09, Urteil v. 10.12. 2009, in dem es um Abmahnung
    und Kündigung einer Lehrerin geht. Mit gleicher Argumentation und gleichem Ergebnis bezüglich einer
    dienstlichen Weisung und betreffend Schulgesetz Baden-Württemberg: VGH Baden-Württemberg
    4 S 516/07, Urteil v. 14.03.2008, bestätigt von BVerwG 2 B 46/08, Beschluss v. 16.12.2008.
    255 Ausführlich Baer/Wiese (2008).
    256 So BVerfG 2 BvR 1436/02, Urteil v. 24.09.2003, Rn. 50.
    55
    Wuppertal257,
    indem die Klägerin vorträgt, „sie entspreche nicht dem Bild der unterdrückten
    Frau und verdiene seit Jahren als alleinstehende Frau ihren Lebensunterhalt.“258 Hier
    kommt es also zu einer Konstellation mehrdimensionaler Diskriminierung, in der die eine
    Ungleichheit gegen die andere ausgespielt wird.
    Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat allerdings für Referendarinnen befunden,
    dass ein Kopftuchverbot nicht gelten könne, wo der Staat ein Ausbildungsmonopol besitze
    und insofern keine Alternative für die Klägerin bestehe. Aussagen über eine mögliche
    mehrdimensionale Benachteiligung trifft das Gericht allerdings nicht; es spricht sogar
    lediglich die grundrechtliche Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) der Klägerin an,
    keine antidiskriminierungsrechtlichen Vorschriften.259
    4.4.2 Religion, ethnische Herkunft
    In anderen Fällen geht es nicht um das Kopftuch, sondern um das im AGG auch seitens des
    Gesetzgebers angelegte Zusammentreffen von Religion und anderen Kategorisierungen.
    Hier besteht offensichtlich große Unsicherheit, inwieweit Privilegierungen hinsichtlich
    eines „Grundes“ Benachteiligungen aus anderen „Gründen“ rechtfertigen können.260
    Deutlich wird dies in einem Verfahren vor dem LAG Hamburg auf Entschädigung wegen
    unzulässiger Benachteiligung im Bewerbungsverfahren, die sich unmittelbar auf Religion
    und mittelbar auf ethnische Herkunft bezogen habe.261 Der Beklagte, ein Landesverband
    des Diakonischen Werks und damit Teil der evangelischen Kirche, verlangt als Voraussetzung
    für die ausgeschriebene Stelle grundsätzlich die Zugehörigkeit zur evangelischen,
    bzw. mindestens zur christlichen Kirche.262 Auf die telefonische Nachfrage, welcher Religion
    sie angehöre, gab die Klägerin an, „sie praktiziere keine Religion, sei aber als Türkin
    gebürtige Muslimin“ und hielte einen Eintritt in die Kirche nicht für nötig, da die Stelle
    keinen religiösen Bezug aufweise.263 Die Klägerin trägt vor, dass sie wegen dieser Informationen
    eine Ablehnung erhalten habe und dadurch unmittelbar wegen ihrer Religion
    benachteiligt wurde. Zudem sei sie mittelbar wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert
    worden, weil die Anforderung, Mitglied einer christlichen Kirche zu sein, „zwar dem
    Anschein nach bezüglich ethnischer Gruppen neutral“ sei. „Tatsächlich könne diese Anforderung
    Personen mit einer Herkunft aus der Türkei in besonderer Weise benachteiligen, da
    von den dort geborenen Personen fast niemand Mitglied einer christlichen Kirche sei.“264
    Die beklagte christliche Einrichtung schließt eine Benachteiligung wegen der ethnischen
    Herkunft von vornherein aus, denn sie habe „letztendlich die fragliche Stelle an eine gebürtige
    Inderin vergeben“. Hinsichtlich der Religion sei die Anforderung, einer christlichen
    Kirche anzugehören, durch § 9 AGG gerechtfertigt.
    257 ArbG Wuppertal 4 Ca 1077/08, Urteil v. 29.07.2008.
    258 ArbG Wuppertal 4 Ca 1077/08, Rn. 10.
    259 Entscheidung bezieht sich auf das bremische Schulgesetz, BVerwG 2 C 22.07, Urteil v. 26.06.2008, Rn. 16 ff.
    260 Vgl. hierzu die Ausführungen zu § 9 AGG in 3.
    261 LAG Hamburg 3 Sa 15/08, Urteil v. 29.10.2008.
    262 Vgl. in der Entscheidung zitierten § 3 der „Richtlinie des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland“
    (www.ekd.de/download/loyalitaetsrichtlinie.pdf).
    263 Gesucht wurde ein/e Sozialpädagogin für ein Teilprojekt zu Schulungs- und Informationsangeboten im
    Bereich der beruflichen Integration von erwachsenen Migrantinnen und Migranten.
    264 LAG Hamburg 3 Sa 15/08, Rn. 26.
    56
    Das Gericht geht auf keines dieser Argumente ein. Die Ablehnung der Klägerin sei einzig
    und ausreichend dadurch gerechtfertigt, dass sie die berufliche Qualifikation für die Stelle
    („abgeschlossenes Studium“) nicht besitze. Das Interesse des Diakonischen Werkes an der
    Klägerin sei „kein ausreichendes Indiz für die Bereitschaft des Beklagten, von den aufgestellten
    Einstellungsvoraussetzungen abweichen zu wollen.“265 Diese Annahme ist nach der
    Darstellung des Tatbestands im Urteil nicht schlüssig. Vielmehr liegt nahe, dass das Diakonische
    Werk sein Interesse an der Bewerberin erst verlor, als diese angab, durch Geburt
    muslimischen Glaubens zu sein. Antidiskriminierungsrechtlich hätte sich dann die Schwierigkeit
    ergeben, mit Hierarchien innerhalb einer Kategorisierung umzugehen. Rechtfertigt
    es die Ausgrenzung einer Türkin, wenn eine Inderin eingestellt wird?
    4.4.3 Geschlecht, „Rasse“/ethnische Herkunft
    Das Zusammentreffen von Geschlecht und Ethnizität spielt in weiteren, in der Öffentlichkeit
    sehr eingängigen Fallkonstellationen eine Rolle. Beispiel ist der sogenannte „Disko-
    Fall“. Dem Kläger war der Zutritt zu einer Disko mit einer rassistischen Aussage verwehrt
    worden. Das AG Oldenburg266 beschreibt den Kläger als „männlichen Ausländer“ und beurteilt
    die Diskriminierung einer Person nach Herkunft oder Hautfarbe und Geschlecht als
    verachtenswert und sanktionswürdig.267 Die Entschädigung sei ihrem Zweck nach eine
    generalpräventive Maßnahme und als „Buße für den Benachteiligenden“ gedacht. Dem
    Kläger sei es jedoch um einen Präzedenzfall gegangen, was in die Bemessung der Entschädigungssumme
    einfließe.268
    Einerseits werden hier zwei Kategorisierungen als mehrdimensionale Diskriminierung
    thematisiert. Andererseits wird der Kontext sexistischer Einlasspolitiken nicht Thema.
    In einem anderen, nicht rechtskräftig entschiedenen Fall ging es um die Klage einer Frau
    wegen diskriminierender Handlungen ihres Arbeitgebers bezogen auf das Geschlecht
    und die ethnische Herkunft. Das ArbG Wiesbaden anerkannte eine Diskriminierung
    aufgrund des Geschlechts (Zuweisung eines nicht gleichwertigen Arbeitsplatzes nach
    Rückkehr aus dem Mutterschutz), nicht aber wegen der ethnischen Herkunft.269 Eine Statistik
    der Beschäftigten in Führungspositionen – aufgeteilt nach männlichen und weiblichen
    Beschäftigten mit Angabe des Migrationshintergrundes – oder das Vorenthalten von Informationen
    oder die Absage eines bereits angeordneten Coachings sind demgegenüber für
    das Gericht keine Indizien, die auf rassistische Diskriminierung schließen lassen.270 Hier
    zeigt sich weniger ein spezifisches Problem mehrdimensionaler Diskriminierung, sondern
    eher die Hemmung deutscher Gerichte, aufgrund der moralisch eindeutigen Wertung eine
    Verurteilung wegen Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft, also eben: wegen
    Rassismus, auszusprechen.
    265 LAG Hamburg 3 Sa 15/08, Rn. 67.
    266 AG Oldenburg E2 C 2126/07, Urteil v. 23.07.2008.
    267 AG Oldenburg E2 C 2126/07, Rn. 23.
    268 AG Oldenburg E2 C 2126/07, Rn. 23: „Hier muss der Kläger sich jedoch vorhalten lassen, dass er den Vorfall
    provoziert hat. Er hatte von vornherein auch vor, das Verhalten der Türsteher und des Betreibers zu testen
    und musste somit auch mit einer Abweisung rechnen. Der dadurch entstandene Schaden, die Verletzung
    seiner Persönlichkeit, ist demnach nicht so groß, als wenn jemand völlig unverhofft an einer Diskothek
    abgewiesen und öffentlich diskriminiert wird. Er konnte sich also in gewissem Maße auf die Diskriminierung
    vorbereiten – nachdem er sie ja förmlich erwartet hatte.“
    269 ArbG Wiesbaden 5 Ca 46/08, Urteil v. 18.12.2008.
    270 Sehr ausführlich dargestellt, ArbG Wiesbaden 5 Ca 46/08, Rn. 2–55.
    57
    4.4.4 Geschlecht, Behinderung, sexuelle Identität
    Mehrdimensionale Diskriminierung ist auch im Zusammentreffen von Geschlecht, Behinderung
    und sexueller Identität Thema vor Gericht geworden. Allerdings wird juristisch
    nicht alles relevant. Das LArbG Berlin-Brandenburg271 beschreibt die Klägerin zunächst mit
    den Worten: „Die homosexuelle Klägerin ist mit einem GdB von 90 schwerbehindert“,
    nimmt im weiteren Verlauf der Entscheidung aber lediglich Bezug auf die Benachteiligung
    aufgrund der sexuellen Identität, ohne noch einmal auf Geschlecht oder eine Behinderung
    der Klägerin einzugehen.
    4.4.5 Geschlecht, Alter
    Zudem finden sich Entscheidungen zum Zusammentreffen von Geschlecht und Alter. In der
    erwähnten Entscheidung des VG Frankfurt272 gibt das Gericht dem Antrag auf Erlass einer
    einstweiligen Anordnung der Antragstellerin wegen fehlerhafter Personalauswahl statt.
    Das Gericht sieht in der Auswahlentscheidung, in der die Antragstellerin trotz mindestens
    gleicher Eignung wie die ihres Mitbewerbers und hoher fachlicher sowie bemerkenswert
    ausgeprägter sozialer Kompetenzen nicht berücksichtigt wurde, einen Verstoß gegen
    Frauenfördermaßnahmen des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes und damit gegen
    das Benachteiligungsverbot u. a. des AGG. Zudem liege in der Entscheidung eine Benachteiligung
    der Antragstellerin aufgrund ihres Alters. Eine Auflistung der altersbezogenen
    Daten aller Bewerberinnen und Bewerber im Besetzungsbericht des Präsidenten des OLG
    sei ohne sachlichen Bezug und ohne Erkenntniswert. Zu vermuten sei, dass Präsident und
    Ministerium in nicht unerheblicher Weise auf dieses Merkmal abstellten. Die Liste sei ein
    Indiz im Sinne des § 22 AGG.
    Das Gericht hat hier das AGG insgesamt im Blick. Es untersucht – obwohl die Antragstellerin
    nicht vorträgt, dass das Bewerbungsverfahren gegen altersspezifische Benachteiligungsverbote
    verstößt – eine Information, die die Antragstellerin wegen fehlender Kenntnis der
    Unterlagen gar nicht vorbringen konnte. Allerdings werden beide Kategorisierungen dann
    getrennt voneinander
    behandelt, also die spezifische Mehrdimensionalität des Zusammentreffens
    von Alter und Geschlecht, die Frauen bei typisch weiblichen Biografien nachteiliger
    trifft als Männer, nicht gesehen.
    4.4.6 Zwischenfazit
    Insgesamt verdeutlichen die Entscheidungen, dass Gerichte einzelne oder auch mehrere
    Diskriminierungskategorisierungen in mehrdimensionalen Sachverhalten nicht erkennen
    oder dann juristisch nicht anerkennen und dass eine umfassende Untersuchung wie in der
    zuletzt erwähnten Entscheidung bislang die Ausnahme ist.
    Es ist zu vermuten, dass die Systematik der Beweiserleichterung des § 22 AGG nicht zur
    Anwendung kommt. Die Norm enthält eine Senkung des Beweismaßes mit anschließender
    Verlagerung der Beweislast, womit eine Benachteiligung nicht zur vollen Überzeugung des
    271 LArbG Berlin-Bbg. 10 Sa 555/08, Urteil v. 21.07.2008.
    272 VG Frankfurt 9 L 3454/09.F, Beschluss v. 09.12.2009. Bezüglich der gleichen Kategorisierungen vgl. ArbG
    Stuttgart 29 Ca 2793/07, Urteil v. 05.09.2007, in dem das Gericht die geschlechtsspezifische Diskriminierung
    anerkennt, das Unternehmen sich aber von der Vermutung der altersbezogenen Benachteiligung entlasten
    kann.
    58
    Gerichts nachgewiesen werden muss, sondern das Gericht von der Wahrscheinlichkeit der
    Indizien überzeugt werden muss.273 Damit reagiert sie nach gemeinschaftsrechtlichen
    Vorgaben auf die Beweisprobleme der benachteiligten Person, weil für diese insbesondere
    die Gründe für eine Ungleichbehandlung nur schwer zu beweisen sind.274
    Momentan lässt sich in der Rechtsprechung zu mehrdimensionaler Diskriminierung nicht
    erkennen, dass Gerichte flächendeckend kompetent mit dem AGG umzugehen wüssten.
    Dies mag auch mit der in den Medien weithin negativen Berichterstattung über das AGG
    zusammenhängen. Gründe liegen des Weiteren in den genannten Hürden der Rechtsdurchsetzung.
    Daraus ergeben sich Folgerungen für die Aus- und Fortbildung von Juristinnen
    und Juristen wie auch für die politische Kommunikation, die dem Stellenwert des
    Antidiskriminierungsrechts deutlicher gerecht werden müssen.
    273 Schiek-Kocher, § 22 Rn. 14 ff.
    274 Rudolf/Mahlmann (2007), § 3 Rn. 130.
    59
    5.
    Handlungsempfehlungen
    Aus der Untersuchung der theoretischen Debatten zu Intersektionalität und dem juristischen
    Umgang mit mehrdimensionaler Diskriminierung lassen sich einige Schlussfolgerungen
    ableiten. Diese beziehen sich hier vorrangig auf die Kernarbeitsbereiche der ADS,
    also auf Forschung, Öffentlichkeitsarbeit und allgemeine Beratung275 sowie Rechtsetzung
    und Rechtsdurchsetzung.
    5.1 Forschung
    In der Praxis wird immer wieder deutlich:
    „Genaue Daten sind unentbehrlich, um die Zahl und Art erfahrener Diskriminierungen zu
    bewerten und um Maßnahmen vorzubereiten, anzupassen, zu überwachen und zu bewerten.
    Für alle Diskriminierungsgründe besteht ein beträchtlicher Bedarf an Daten. Die verfügbaren
    Daten variieren stark je nach Diskriminierungsgrund und Mitgliedstaat, wodurch die
    Vergleichbarkeit der Daten erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird.“276
    Daher ist auch Forschung zu mehrdimensionaler Diskriminierung unerlässlich. Wie
    gezeigt steht diese in Deutschland teilweise noch am Anfang und ist in sehr unterschiedlichem
    Maße institutionalisiert. Jedoch wird in den Gender Studies, Queer Theorien, postkolonialer
    Theorie, Migrationsforschung, Disability Studies, Diversity Studies etc. zum
    Thema geforscht. Derart kritische, transdisziplinäre Forschung sollte also gefördert werden,
    da hier auch die methodologischen Voraussetzungen, über die eigenen disziplinären
    sowie wissenschaftlichen Grenzen hinauszublicken, bereits erarbeitet worden sind. Die
    Förderung von entsprechenden Forschungsansätzen in allgemeinen Programmen der
    Wissenschaftsförderung wäre daher ein sinnvoller Baustein in der Arbeit gegen Diskriminierung,
    insofern Wissenschaft eben auch Wissen schafft. Gerade in diesen Bereichen sind
    Zahlen mächtig277 und eignen sich gut für öffentlichkeitswirksame Darstellungen und
    damit Sensibilisierung, können aber auch essenzialisierend reduzieren. Das zeigt sich auch
    in Problemen der Rechtsdurchsetzung, wo (gute!) Studien als Beweis vor Gericht bei mittelbarer
    Diskriminierung verwendet werden können.
    275 Die Beratung von direkt Betroffenen ist ein Thema, das wir hier nur streifen. Dabei werden weitere Aspekte
    von Bedeutung sein, die nicht Gegenstand dieser Untersuchung waren.
    276 KOM(2008) 420, 8.
    277 Datenmangel könne Diskriminierung unsichtbar machen und führe zu geringen Anreizen, Maßnahmen
    gegen Diskriminierung zu ergreifen. Europäische Kommission (2007), 47 f.
    60
    Daneben bedarf es besserer methodischer Kenntnisse über die Erhebung von Daten zu
    mehrdimensionaler Diskriminierung. Es besteht ein besonders eklatanter Mangel an interkategorialer
    Forschung.278 Bei Datenerhebungen müsste nicht nur Diskriminierung, sondern
    auch mehrdimensionale Diskriminierung systematisch berücksichtigt werden. Dabei
    geht es allerdings auch um einen Methoden-Mix. Es waren nicht zufällig soziale Bewegungen
    und damit vielfach Menschen, die von mehrdimensionaler Diskriminierung betroffen
    sind, die Intersektionalität thematisierten und eindimensionale Forschung und Politiken
    für ihre Normannahmen und Ausschlüsse kritisierten. Weiterhin besteht die Gefahr, dass
    das Wissen Betroffener häufig nicht anerkannt wird. Zwar kann Betroffenheit auch als
    Filter wirken, was dazu beiträgt, dass auch in der Rechtsdurchsetzung mehrdimensionale
    Diskriminierung oft verkannt wird. Auch sollten hier stereotype und bevormundende
    Zuschreibungen vermieden werden.279 Schließlich müssen bestimmte Formen des Wissens,
    nämlich numerische Daten und Statistiken, ernst genommen, aber nicht als einzige Quelle
    gesetzt werden. Insbesondere liefern biografische Texte oder Fallstudien aufschlussreiche
    Informationen über mehrdimensionale Diskriminierung. Dann kann Expertise von Betroffenen
    oder denjenigen, die diese beraten, auch Teil einer partizipativen Forschung werden.
    Sonst wird Marginalisierung reproduziert, da die Wissenschaft selbst auch von Achsen der
    Ungleichheit und entsprechenden Exklusionen geprägt ist. Es empfiehlt sich daher, auf
    Partizipation und angemessene Methoden besonders zu achten.
    Weitere Verbesserungen in der Forschung können sich auf Daten über Zahl und Auswirkung
    von Diskriminierung beziehen, die durch einzelstaatliche statistische Ämter im
    Rahmen des Statistischen Programms der Gemeinschaft erhoben werden. Dazu kommt die
    systematische Erhebung von Beschwerdedaten unter Berücksichtigung von mehrdimensionaler
    Diskriminierung.280
    5.2 Öffentlichkeitsarbeit, Information und Beratung
    Öffentlichkeitsarbeit ist nach § 27 Abs. 3 AGG eine der zentralen Aufgaben der ADS. Die
    Information
    zu mehrdimensionaler Diskriminierung muss darauf zielen, eine möglichst
    breite Öffentlichkeit sowie spezifische Akteure aus dem Feld zu erreichen.281 Angesichts
    großer Vorbehalte gegenüber dem AGG und dessen Umsetzung stellt das eine große Herausforderung
    dar.
    Vermittelt werden sollen die große Bandbreite an Diskriminierung und ein komplexes und
    damit zwingend auch mehrdimensionales Verständnis von Diskriminierung, auch wenn
    die begründete Konzentration auf einzelne Kategorisierungen in der Forschung und politischen
    Kommunikation nötig sein kann. Dazu gehört, Diskriminierung als Problem der
    Mehrheitsgesellschaft zu verstehen, denn es handelt sich nicht um einzelne böswillige
    Taten, sondern auch um eine asymmetrische Verteilung von Anerkennung, Ressourcen
    und Chancen entlang mehrerer Achsen der Ungleichheit, oder: nicht nur um individuelle,
    sondern auch institutionelle Diskriminierung. Der horizontale Ansatz, den die ADS
    278 Beispiele sind Studien wie in den USA von McCall (2001) oder in Großbritannien von Longhi/Platt (2008) zum
    „pay gap“.
    279 Siehe auch GLADT (2009).
    280 Qualitätskriterien zu Erhebung und Verarbeitung von Daten bei Makkonen (2007).
    281 Informationen könnten mittels Fachbeiträgen, Studien- und Fortbildungsmaterialien, einer Handreichung
    und Vorträgen vermittelt werden.
    61
    bereits verfolgt, trägt dazu bei, der Hierarchisierung von Diskriminierungskategorisierungen
    entgegenzuwirken. Unbedingt vermieden und aktiv bekämpft werden muss außerdem
    die Funktionalisierung mehrdimensionaler Diskriminierung, denn Heterosexismus und
    Sexismus sind ebenso wenig ausschließlich oder vorwiegend im Islam oder in türkischen/
    arabischen Communities präsent wie Rassismus in queeren oder feministischen Communities.
    Die Zuschreibung und Festschreibung von Identitäten und stereotypisierende Bilder
    sind wie gezeigt nicht nur Vereinfachungen, sondern führen zu Essenzialisierungen und
    Normierungen. Da Sprache kategorisiert, trägt die ADS die Verantwortung, in ihrer
    Öffentlichkeitsarbeit reflektierte Begriffspolitiken zu praktizieren, zu verbreiten und anzuregen
    – so dass gleichzeitig möglichst viele Adressatinnen und Adressaten erreicht werden.
    Dazu gehören einerseits Akteure, zu deren Aufgaben es gehört, sich gegen Diskriminierung
    zu engagieren und die bisher noch nicht weitgehend von der Bedeutung dieser Aufgabe
    überzeugt werden konnten. Verantwortliche in Politik, Schulen, Gewerkschaften und
    als Arbeitgeber_innen müssen für Intersektionalität sensibilisiert werden, brauchen Wissen
    über mehrdimensionale Diskriminierung und Kompetenzen zur Durchsetzung wirksamer
    Maßnahmen dagegen. Information für Juristinnen und Juristen nimmt eine Schlüsselfunktion
    ein, da von deren Handeln insbesondere die Entwicklung der Rechtsprechung
    abhängt.
    So gilt es, in der Arbeit gegen Diskriminierung mit Blick auf die in § 1 AGG aufgezählten
    Begriffe Geschlecht, sexuelle Identität, Alter, Behinderung, „Rasse“ und ethnische Herkunft
    sowie Religion und Weltanschauung auch dafür Sorge zu tragen, dass in der Rechtspraxis
    ein angemessener, nicht stigmatisierender und Rechtsschutz nicht beeinträchtigender
    Umgang mit Begriffen gepflegt wird.
    Juristisch bietet sich die Verwendung des Begriffs „Gründe“ an, denn das AGG will Benachteiligungen
    „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts
    usw.“ bekämpfen. Auch die weiteren Regelungen des AGG nehmen wörtlich Bezug auf die
    in § 1 AGG genannten „Gründe“. Damit gehen jedoch Probleme einher: „Gründe“ lassen an
    „Begründung“ denken, was wiederum als Frage nach den Motiven oder „Hintergründen“
    interpretiert werden könnte.282 Dem ist nicht zuletzt die europäische Rechtsprechung
    entgegengetreten, die seit Langem urteilt, um Motive oder Absichten dürfe es beim Diskriminierungsschutz
    nicht zentral gehen.283 Zudem lassen „Gründe“ an Ursachen denken, für
    die Menschen dann auch verantwortlich sind, was hier aber dazu führen würde, dass angenommen
    würde, dass Benachteiligte Schuld an ihrem Schicksal tragen („blaming the
    victim“). Wenn z. B. Behinderung als „Grund“ für Diskriminierung bezeichnet wird, besteht
    die Gefahr, die tatsächliche oder zugeschriebene Behinderung als Ursache einer Diskriminierung
    zu konstruieren und damit beeinträchtigten Menschen die Verantwortung für
    eine Benachteiligung zuzuschieben. Der „Grund“ für ihre Diskriminierung liegt jedoch in
    bestimmten „Achsen der Ungleichheit“, interdependenten Kategorisierungen, intersektional
    je unterschiedlich. Dabei spielen nicht nur Vorstellungen „normaler“ Körper und Fähigkeiten
    eine Rolle, sondern auch weitere Vorstellungen, die sich mit Geschlechterrollen,
    Alter usw. verbinden. Folglich muss juristisch im engeren Sinne zwar auf den Wortlaut des
    AGG Bezug genommen werden, doch sprechen wichtige Argumente dagegen, in der Arbeit
    gegen Diskriminierung sonst von „Gründen“ zu sprechen.
    282 Dagegen regelt das AGG selbst die Rechtfertigung einer Unterscheidung im Ausnahmefall.
    283 EuGH C-177/88, Urteil vom 08.11.1990 (Dekker), dazu auch Schiek-Schiek, § 3 AGG Rn. 16
    62
    Teilweise findet sich im juristischen Sprachgebrauch auch der Begriff „Merkmale“284.
    Diesem Begriff wohnt wörtlich das „Aufmerken“ inne, ein „Bemerken“ im Sinne eines Anerkennens.
    Doch sind Merkmale semantisch dominant anders besetzt: Diskriminierung
    scheint da an etwas anzuknüpfen, was Menschen innehaben, was sie charakterisiert, was
    einer ihrer Wesenszüge ist. Dies fördert beispielsweise wieder eine Vorstellung von Behinderung
    als etwas, was Menschen sind, was im Widerspruch zu einem kulturellen und auch
    im internationalen Recht anerkannten Behinderungsbegriff285 steht, der besagt, dass Menschen
    durch gesellschaftliche Normen zu Behinderten gemacht werden: Nicht eine Sehbehinderung
    verhindert den Zugang zu Informationen, die im Internet publiziert werden,
    sondern die nicht barrierefreie Programmierung der Seiten behindert Menschen. Merkmale
    stehen also für eine essenzialisierende oder ontologisierende286 Vorstellung von
    Dimensionen der Diskriminierung, also auch für Unveränderbarkeit und Universalität.
    Damit besteht außerdem wie beim Begriff „Grund“ die Gefahr, die Ursache und Verantwortung
    bei der diskriminierten Person zu verorten, anstatt deutlich zu benennen, wo
    Ungleichheit durch Strukturen verfestigt ist und wie Verantwortliche gerade auch an
    diesen etwas ändern können. Schließlich erschwert es der Begriff „Merkmal“, zu erkennen,
    dass Diskriminierung mithilfe von Zuschreibungen erfolgt und eine Identifikation mit
    dieser Zuschreibung nicht zwingend ist.
    Neben Menschen in Entscheidungspositionen und Juristinnen und Juristen gehören auch
    von Diskriminierung Betroffene zu wichtigen Adressatinnen und Adressaten der ADS. Um
    diese zu informieren und zu empowern braucht es eine enge Zusammenarbeit mit NGOs
    und Beratungseinrichtungen. Der Austausch mit und die Unterstützung von Beratungseinrichtungen
    mit horizontalem Ansatz, die also selbst Expertise kategorisierungsübergreifend
    zur Verfügung stellen, gehören zu den Aufgaben der ADS. Ebenso jedoch die
    Vernetzung von spezialisierten Stellen, die, um bei mehrdimensionaler Diskriminierung
    kompetent beraten zu können, im laufenden kollegialen Austausch mit anderen Beratungsstellen
    sein sollten. Wegen Vorbehalten, Tabuisierungen und auch Diskriminierung
    innerhalb der Antidiskriminierungslandschaft muss eine produktive Kommunikation
    aktiv gefördert werden.
    Es gilt, der allgemeinen Öffentlichkeit beziehungsweise der Öffentlichkeit in konkreten
    Feldern wie Bildung, Medien, Rechtsprechung, Beratung usw. niedrigschwellig, kostenlos,
    flächendeckend, mehrsprachig287 und eben vor allem unter Berücksichtigung von allen
    AGG-Kategorisierungen Informationen zugänglich zu machen. Das ist auch erforderlich,
    um dem bislang in den bürgerlichen Leitmedien eher negativen Image des Gesetzes etwas
    entgegenzusetzen. Dazu eignet sich beispielsweise auch Öffentlichkeitsarbeit, die nicht
    nur Problemfälle kommuniziert, sondern auch erfolgreiche konkrete Maßnahmen und
    auch Klagen gegen mehrdimensionale Diskriminierung bekannt macht.
    284 Schiek-Schiek, § 1 AGG Rn. 4 ff., Rust/Falke-Rust, § 1 AGG Rn. 1 ff., Bauer u. a., § 1 Rn. 13 ff., Däubler/Bertzbach-
    Däubler, § 1 AGG Rn. 13, Rudolf/Mahlmann (2007), § 1 Rn. 35.
    285 Behindertenrechtskonvention, Präambel (c).
    286 Vgl. dazu 2.2.2.
    287 ADS (2010), 12 f.
    63
    5.3 Rechtsetzung
    Im Hinblick auf die Rechtsetzung ergibt sich für das AGG der bereits in den Anhörungen
    des Gesetzgebungsverfahrens vereinzelt geäußerte Handlungsbedarf, um mehrdimensionale
    Diskriminierung umfassend bekämpfen zu können.
    Zunächst würde eine offene Liste in § 1 AGG dazu beitragen, auch mehrdimensionale Diskriminierung
    angemessen berücksichtigen zu können. § 75 BetrVG ist hier ein positives
    Beispiel. Schon jetzt gibt es Fälle, in denen stereotypisierende Kategorisierungen („Ossi“,
    „Ausländer“) nicht adäquat adressiert werden. Sinnvoll erschiene eine Formulierung wie
    „insbesondere“, die auch der Rechtsprechung die Möglichkeit lässt, das Recht fortzuentwickeln
    und auf „neue“ oder nicht bedachte Kategorisierungen zu reagieren. Um Missbrauch
    zu vermeiden, sollte eine entsprechende Änderung in der Gesetzesbegründung
    erläutert werden. Denn Diskriminierung knüpft nicht an beliebige Differenzen an, sondern
    an historisch verfestigte Ungleichheiten hinsichtlich Anerkennung, Ressourcenverteilung
    und Chancen. Besonders problematisch ist derzeit die Verbindung der Kategorien mit
    einem „oder“ in § 1 AGG. Diese Formulierung suggeriert ein Nebeneinander, keine Verschränkung.
    Eine Änderung würde hier auch zu einer Sensibilisierung für die Problematik
    beitragen, nicht nur bei Richterinnen und Richtern und Rechtsbeiständen. Dies hätte
    vermutlich positive Auswirkungen auf die Rechtsdurchsetzung.
    Des Weiteren sollte darauf hingewirkt werden, jeder Form der Hierarchisierung zwischen
    verschiedenen Diskriminierungen durch unterschiedliche Anwendungsbereiche innerhalb
    des AGG und durch unterschiedliche Rechtfertigungen – insbesondere § 9 AGG –
    entgegenzutreten.
    Auch mit Blick auf die Rechtsfolgen besteht offenkundig Handlungsbedarf, da die europäische
    Verpflichtung zu wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen
    bislang in Deutschland nicht umgesetzt wird. Deutliche Entscheidungen mit spürbaren
    Schadensersatzsummen sind bislang nicht zu finden. Hier muss eine dogmatisch überzeugende
    rechtstechnische Lösung gefunden werden. Im Hinblick auf mehrdimensionale
    Diskriminierung sprechen überwiegende Gründe dafür, nicht additiv zu agieren und
    pauschal eine Erhöhung von Schadensersatz- oder Schmerzensgeldzahlungen zu erwarten.
    Vielmehr sollten die Umstände des Einzelfalls entscheiden. Wichtig ist dann allerdings
    umso mehr, dass diese kompetent beurteilt werden.
    5.4 Rechtsdurchsetzung
    Mit Blick auf mehrdimensionale Diskriminierung gibt es, soweit diese Expertise dies aufweisen
    kann, besondere Hürden. Allerdings wäre auch hier vertiefende rechtssoziologische
    Forschung zur Rechtsmobilisierung sinnvoll und für die weitere Überzeugungsarbeit
    bei Gerichten und in der Anwaltschaft hilfreich, damit der Abbau von Hürden auf empirischen
    Daten und nicht auf stereotypisierenden Vermutungen fußen kann. Dabei sollten
    Zusammenhänge zwischen dem gehäuften Vorkommen von Diskriminierung durch staatliche
    Institutionen und mangelndem Vertrauen in Gerichte berücksichtigt werden.
    64
    Um das Perpetuum mobile zu durchbrechen, dass fehlende Klagen zu fehlender Rechtsprechung
    zu fehlender Thematisierung in der Prozessstrategie führen, bedarf es auch der
    Förderung von Einrichtungen, die sich mit Rechtsdurchsetzung – auch mit strategischer
    Rechtsdurchsetzung – befassen. Da die Erfahrung der Beratungseinrichtungen zeigt, dass
    das Anliegen von Betroffenen oft eher psychosoziale Beratung und Information über die
    Rechtslage ist, aber selten den Gang vor Gericht zur Folge hat, sollte es die Beförderung
    strategischer Prozessführung geben. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass es die
    Gefahr der strategischen Prozessführung gibt, nur potenziell „erfolgreiche“ Klagen von
    Verbänden unterstützt zu sehen288, und dann die Menschen mit „weniger spektakulären“
    Erfahrungen keine Unterstützung erfahren. So bliebe mehrdimensionale Diskriminierung
    weiterhin vor Gericht unsichtbar.
    Weitere Schwierigkeiten ergeben sich in der Praxis im Umgang mit der Beweisführung bei
    mittelbarer Diskriminierung und auch mit der Beweiserleichterung nach § 22 AGG. Gerade
    bei mehrdimensionaler Diskriminierung wird derzeit in der Praxis erwartet, einen
    Anfangsverdacht für mehrere Diskriminierungen zu erbringen, was abschreckend wirkt
    und auch eingedenk des § 4 AGG unangebracht ist. Zudem ist bislang unklar, welche statistischen
    Daten zeigen können, dass mehrdimensionale Diskriminierung vorliegt, weil
    eventuell diskriminierende Folgen nur für eine sehr kleine Gruppe Mehrfachzugehöriger
    belegt werden können, quantitative Daten aber auch nur ein mögliches Beweismittel sind.
    Hier bedarf es insgesamt der Klarstellung. Wieder sind aufklärende Öffentlichkeitsarbeit
    und die Kompetenzerweiterung bei Gerichten und der Anwaltschaft sowie bei Beratenden
    wichtig. Alltagsnahe Vorverständnisse, die Gruppen homogenisieren, müssen abgebaut
    werden, damit nicht jeweils die meist privilegierten zur Norm gemacht werden. Dies betrifft
    allerdings generell Diskriminierung und so auch mehrdimensionale Diskriminierung.
    Gerichte können nur so auch selbst die relevanten Dimensionen vollständig erfassen.289
    Neben der Durchsetzung des individuellen Diskriminierungsverbots des AGG stehen
    schließlich die Konzeption und Implementation struktureller Maßnahmen. Intersektionalität
    ist ein Konzept, das gerade auf institutionelle und strukturelle Diskriminierung zielt.
    Das AGG bietet mit den positiven Maßnahmen hier ein Instrument an. Bei der Ausgestaltung
    müsste die Existenz der mehrdimensionalen Diskriminierung berücksichtigt werden290.
    Dazu wäre bei bereits vorhandenen Maßnahmen zu prüfen, wer genau von der
    Maßnahme profitiert und welche impliziten Normen und Privilegien damit reproduziert
    werden291. Auch sind hier Missverständnisse und problematische Funktionalisierungen zu
    vermeiden. Arbeitgeber_innen, die eine Stelle mit einer mehrfach marginalisierten Person
    besetzen, erfüllen nicht etwa mit einem Schlag ein „Soll“, sondern müssen die Bekämpfung
    jedweder Diskriminierung weiter verfolgen. Hier zeigt sich auch wieder die Bedeutung der
    Öffentlichkeitsarbeit, die sich an Akteure in Entscheidungspositionen richtet.
    288 Dern (2008), 221 f.
    289 Dazu VG Frankfurt 9 L 3454/09.F, Beschluss v. 09.12.2009, und 4.4.5.
    290 Fredman (2005), 19.
    291 So könnte eine Studie erfragen, welche Frauen exakt von Maßnahmen der Frauenförderung profitiert
    haben, da hier in Deutschland im öffentlichen Dienst und in einigen Gemeinwohleinrichtungen die meisten
    Erfahrungen vorliegen.
    65
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    74
    Anhang
    Dokumentation des Workshops
    zur Diskussion der Expertise
    „Mehrfach-, mehrdimensionale und
    intersektionale Diskriminierung
    im Rahmen des AGG“
    am 16. April 2010 in Berlin
    Prof. Dr. Susanne Baer, LL. M.
    Melanie Bittner
    Anna Lena Göttsche
    Dokumentation erstellt von Kerstin Kühn
    75
    Inhaltsverzeichnis
    1. Hintergründe und Ziele des Workshops .................................................. ........................... 76
    2. Theoretischer Teil: Konzepte von Intersektionalität, mehrdimensionale
    Diskriminierungen .................................................. .................................................. ............. 77
    2.1 Präsentation der Zwischenergebnisse................................ ........................................ 77
    2.2 Feedbackrunde und Diskussion .................................................. ................................ 80
    2.2.1 Forschung über Ungleichheiten im deutschen Kontext............................ 80
    2.2.2 Entpolitisierung?................................. .................................................. ............ 80
    2.2.3 Welche Begriffe? – Zum Begriff Diversity......................................... ............ 80
    2.2.4 Kontextbezogenheit der Begriffe .................................................. ................ 81
    2.2.5 Welcher Begriff für das Recht?............................................ ........................... 81
    2.2.6 Intersektionalität zwischen Mehrfachdiskriminierung
    und Privilegierung .................................................. ......................................... 82
    2.2.7 „Achsen der Ungleichheit“ besonders passend zum Recht?..................... 83
    2.2.8 Gruppismus und Kategorien .................................................. ......................... 83
    3. Juristischer Teil: Rechtsgrundlagen zu mehrdimensionaler Diskriminierung,
    ausgewählte Rechtsprechung, Probleme der Rechtsdurchsetzung ............................. 85
    3.1 Präsentation der Zwischenergebnisse .................................................. ..................... 85
    3.2 Feedbackrunde und Diskussion .................................................. ................................ 87
    3.2.1 Noch einmal: Begriffe „Mehrfachdiskriminierung“ und
    „mehrdimensionale Diskriminierung“.................................. ...................... 87
    3.2.2 Erfassung von Rechtsprechung zum Thema ............................................... 87
    3.2.3 Hürden und Filter beim Zugang zum Recht ................................................ 88
    3.2.4 Filter im Antidiskriminierungsrecht .................................................. .......... 88
    3.2.5 Sichtbarkeit von mehrdimensionaler Diskriminierung im Recht ........... 89
    3.2.6 Mehrdimensionale Diskriminierung im internationalen Recht ............. 90
    4. Diskussion in Arbeitsgruppen, Präsentation der Ergebnisse .......................................... 91
    4.1 AG Intersektionalität zwischen Mehrfachdiskriminierung
    und Privilegierung .................................................. .................................................. ..... 91
    4.2 AG Mehrdimensionale Diskriminierung in der Rechtsprechung erkennen,
    welche Fragen kommen warum nicht vor Gericht? ................................................ 92
    4.3 AG Wissen und Rahmenbedingungen der Wissensproduktion ........................... 92
    5. Anhang: Ablauf des Workshops .................................................. ......................................... 94
    76
    1.
    Hintergründe und Ziele
    des Workshops
    Am 16. April 2010 fand im Rahmen der Erarbeitung der Expertise „Mehrfach-, mehrdimensionale
    und intersektionale Diskriminierung im Rahmen des AGG“ ein Workshop statt, in
    dem Zwischenergebnisse der Arbeit im interdisziplinären Team von Prof. Dr. Susanne Baer,
    LL. M., mit den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Melanie Bittner und Anna Lena Göttsche
    am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität
    zu Berlin im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vorgestellt und
    diskutiert wurden. Ziel des Workshops war es auch, die Perspektive des Forschungsteams
    durch den Austausch mit Teilnehmenden mit unterschiedlichen disziplinären und praktischen
    Hintergründen zu erweitern.
    Ausgangspunkt der Expertise „Mehrfach-, mehrdimensionale und intersektionale Diskriminierung
    im Rahmen des AGG“ ist eine Begriffsklärung, was genau unter mehrdimensionaler
    Diskriminierung verstanden wird und verstanden werden sollte. Der rechtliche Teil
    der Expertise konzentriert sich auf eine Bestandsaufnahme zu Konzepten und zu Regeln
    und Rechtspraxis mehrdimensionaler Diskriminierung. Er soll aufzeigen, was sich aus den
    vorhandenen Konzepten zu Intersektionalität für das Antidiskriminierungsrecht und
    dessen Durchsetzung, also auch für die Praxis der Arbeit gegen Diskriminierung lernen
    lässt. Deutlich wird in der Arbeit an der Expertise auch, dass und welche Inklusions- und
    Exklusionsmechanismen sowie Normierungen bei der Herstellung, Aufbereitung und
    Verwendung des Wissens über mehrdimensionale Diskriminierung wirken.
    77
    2.
    Theoretischer Teil:
    Konzepte von Intersektionalität,
    mehrdimensionale Diskriminierungen
    Im ersten theoretisch-konzeptionellen Teil der Expertise und auch des Workshops geht und
    ging es um die unterschiedlichen Begriffe und Konzepte von Intersektionalität.
    2.1 Präsentation der Zwischenergebnisse
    Befund: unklare Konzepte und Begriffe
    I „Intersektionalität“
    I Diskriminierung:
    „Mehrfachdiskriminierung“
    (Recht bzw. Jura)
    „mehrdimensionale Diskriminierung“
    „verstärkende Diskriminierung“
    „intersektionale Diskriminierung“
    „multiple discrimination“
    „compound discrimination“
    „overlapping discrimination“
    1
    Gliederung des theoretischen Teils
    1) Aspekte zur Differenzierung von
    Intersektionalitätskonzepten
    2) Viel diskutierte Intersektionalitätskonzepte
    3) Formen mehrdimensionaler Diskriminierung
    2
    1) Aspekte zur Differenzierung von
    Intersektionalitätskonzepten
    I Was wirkt zusammen?
    I Verhältnis zu „Kategorien“?
    I Vergleichbarkeit „Kategorien“?
    I Welche „Kategorien“?
    Herausforderungen
    I Komplexität
    I Profilierung? Entpolitisierung?
    3
    2) Viel diskutierte Intersektionalitätskonzepte
    I „Interdependenzen“
    I „Intersektionalität“
    I „Achsen der Ungleichheit“
    4
    78
    2) Viel diskutierte Intersektionalitätskonzepte:
    Interdependenzen
    I Katharina Walgenbach, Gabriele
    Dietze, Antje Hornscheidt, Kerstin
    Palm
    I Z. B. Dominanzverhältnisse, Subjektpositionen,
    Identitätskategorisierungen
    „statt von Interdependenzen zwischen
    Kategorien von interdependenten
    Kategorien auszugehen“
    I Antikategorial: (sprachliche) Konstruktion
    von Kategorien
    I Vergleichbarkeit von „Kategorien“?
    „kontextabhängig und historisch
    variabel“, Transparenz und Begründung
    bei Auswahl, „keine ‚richtige‘
    Analyse“
    5
    2) Viel diskutierte Intersektionalitätskonzepte:
    Interdependenzen
    Fazit:
    I Reflexion sprachlicher Benennung
    I „Genuiner Kern“ = Wer ist die Norm?
    6
    2) Viel diskutierte Intersektionalitätskonzepte:
    Intersektionalität
    I Kimberlé Crenshaw
    I Strukturell: Herrschaftssysteme,
    soziale Positionen
    Politisch: Antidiskriminierungspolitiken
    Identitäten, Identitätspolitiken,
    Disempowerment
    I Intrakategorial: Binnendifferenzierung
    von Kategorien
    I Vergleichbarkeit der Kategorien?
    I Race – gender (– class), Transparenz der
    Priorisierung
    7
    2) Viel diskutierte Intersektionalitätskonzepte:
    Intersektionalität
    Fazit:
    I Intersectional discrimination im
    engeren Sinn
    I Auch: double-discrimination
    I Blick auf Antidiskriminierungspolitiken
    I Transformationspotenzial von
    Intersektionalität
    I Koalitionen
    I Notwendigkeit spezifischer
    Maßnahmen
    8
    2) Viel diskutierte Intersektionalitätskonzepte:
    Achsen der Ungleichheit
    I Cornelia Klinger, (Gudrun-Axeli
    Knapp)
    I Ungleichheiten/Verhältnisse
    I Interkategorial: strategische Nutzung
    von Kategorien (programmatisch)
    I Prägen nachhaltig Ungleichheit
    „nahezu aller Gesellschaften“
    I Klasse, Geschlecht, „Rasse“/Ethnizität
    9
    2) Viel diskutierte Intersektionalitätskonzepte:
    Achsen der Ungleichheit
    Fazit:
    I V. a. für institutionelle Diskriminierung
    I Additives Modell mehrdimensionaler
    Diskriminierung
    I Thematisiert Grade des Betroffenseins
    I Ermöglicht Produktion quantitativer
    Daten (Nachfrage für Sensibilisierung
    und Gerichtsverfahren, auch Rechtsdurchsetzung)
    10
    79
    3) Formen mehrdimensionaler Diskriminierung
    I Mehrfache Diskriminierung/multiple
    discrimination
    I Verstärkende Diskriminierung/
    compound discrimination (Mehrfachdiskriminierung)
    I Intersektionale Diskriminierung
    11
    3) Formen mehrdimensionaler Diskriminierung:
    mehrfache/multiple
    I Verschiedene Zeitpunkte/Orte und
    verschiedene Kategorien
    I Erkennt erhöhte Wahrscheinlichkeit
    von Diskriminierung je nach sozialer
    Position an
    I Bsp.: Diskriminierung einer Frau mit
    Behinderung beim Zugang zu Karriere
    (gender) und einem Gebäude (Behinderung)
    I Gleiche Person/Institution, die diskriminiert?
    12
    3) Formen mehrdimensionaler Diskriminierung:
    verstärkende Diskriminierung
    Compound discrimination:
    I „doppelte Diskriminierung“,
    „dreifache Benachteiligung“ u. a.
    I Begriffe v. a. in politischen und rechtlichen
    Kontexten
    I Additives Verständnis, teilweise Multiplikation
    I Bsp.: Segregation des Arbeitsmarkts
    bezogen auf gender und race
    erschwert den Zugang einer Migrantin
    mehrfach
    13
    3) Formen mehrdimensionaler Diskriminierung:
    intersektionale
    I Begriff v. a. in akademischem Kontext
    I Ein Zeitpunkt/Ort, erst spezifisches
    Zusammenwirken unterschiedlicher
    Kategorien führt zu Diskriminierung
    I Bsp.: muslimische Kopftuchträgerinnen,
    (junge) Schwarze Männer beim
    Zugang zu Klubs
    14
    3) Aspekte zur Differenzierung mehrdimensionaler
    Formen von Diskriminierung
    Fazit:
    I Anzahl der Kategorien?
    I Kategorien getrennt oder intersektional?
    I Ebenen: individuell, institutionell,
    strukturell?
    I Relevante Kategorien immer identifizierbar?
    Overlapping discrimination?
    15
    Feedbackrunde
    I Welche Konzept und Begriffe?
    I Welcher Oberbegriff?
    I Verwendung in welchen Kontexten?
    I Weitere Konzepte? Diversity?
    I Weitere Formen von Diskriminierung?
    16
    80
    2.2 Feedbackrunde und Diskussion
    Die Präsentation wurde im Anschluss intensiv diskutiert. Dabei kamen sehr viele interessante
    Fragen und Thesen, Erfahrungen und Perspektiven zur Sprache. Die folgende Darstellung
    versucht, wichtige Aspekte zusammenfassend festzuhalten.
    2.2.1 Forschung über Ungleichheiten im deutschen Kontext
    Alle drei im Workshop präsentierten Konzepte hätten das Verdienst, die Frage nach dem
    Zusammenwirken unterschiedlicher Kategorien, entlang derer Ungleichheiten produziert
    werden, nach Deutschland gebracht zu haben. Die Ansätze seien Ausdruck einer globalen
    sozialen Bewegung. Es sei wichtig, diese für den deutschen Kontext aufzugreifen und auf
    diesen anzuwenden. Die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Zusammenwirken
    von Ungleichheiten erfolge in Deutschland meist in den Genderstudies. Das bewirke, dass
    die Kategorie Gender oft (bewusst oder unbewusst) als vorrangige Kategorie gesehen
    werde.
    Die Teilnehmenden waren sich einig, dass alle Kategorien jeweils mit allen anderen verschränkt
    seien. Es gebe keine „Masterkategorie“. Die Verschränkung von Kategorien könne
    allerdings unterschiedlichste Effekte haben. Sie sei auf keinen Fall bloß additiv zu verstehen.
    2.2.2 Entpolitisierung?
    Der Forschung über mehrdimensionale Diskriminierung werde innerhalb der Genderstudies
    z. T. der Vorwurf gemacht, sie führe zu einer nicht mehr handhabbaren Komplexität
    und damit zur Entpolitisierung der Genderstudies. Forschenden werde z. T. vorgeworfen,
    sie wollten sich mit diesem Thema nur profilieren. Dem lasse sich entgegenhalten, dass es
    sich bei den Genderstudies auch um Grundlagenforschung handele, die nicht auf unmittelbare
    politische Verwertbarkeit ziele. Auch die theoretische Beschäftigung mit Intersektionalität
    berge neue, wichtige Potenziale. Die Komplexität sei zudem Abbild der komplexen
    gesellschaftlichen Realität und daher auch für die Genderstudies unumgehbar. Fraglich sei
    allerdings, inwieweit diese Komplexität rechtlich abbildbar sei, wo das Recht ebenso wie
    die etablierte Politik doch auf Vereinfachung durch Verallgemeinerung setze.
    2.2.3 Welche Begriffe? – Zum Begriff Diversity
    Für die Forschung zu gesellschaftlichen Ungleichheiten ergäben sich Präferenzen für
    Konzepte der Intersektionalität, der Interdependenzen oder auch der Achsen der Ungleichheit
    u.a. Das sei keine begriffliche, sondern eine inhaltliche Frage. Die Begriffe an sich seien
    semantisch alle annehmbar. Entscheidend sei, Zusammenhänge zwischen Kategorien
    nicht nur als additiv zu beschreiben.
    Neben den drei präsentierten Konzepten verdiene der Begriff Diversity (manchmal auch:
    Diversität) Aufmerksamkeit: Er sei im Umlauf, was eine Positionierung erforderlich werden
    lasse. Zudem stehe er im sachlichen Zusammenhang mit Mehrfachdiskriminierung bzw.
    Mehrfachzugehörigkeit. Fraglich sei, ob es gelingen könne, dem Begriff einen neuen Sinn
    bzw. Akzent zu geben, denn derzeit sei problematisch, dass „Diversity“ häufig in einem
    81
    Sinn verwendet werde, der von vorgängigen Differenzen ausgehe, also das Problem der
    Diskriminierung festschreibe, nicht aber Macht- und Ungleichheitsstrukturen fokussiere.
    In Großbritannien sei die Rede von „Heterogenität“, was in den Erziehungswissenschaften,
    aber auch z. B. für unterschiedliche Lerntypen verwendet werde, ebenfalls nur Unterschiede
    beschreibe und auch nicht auf Machtverhältnisse verweise. Der Begriff „Diversity“ komme
    zwar aus der Privatwirtschaft und dem Management, doch sei dies nicht die einzige
    Art, den Begriff zu verstehen. In der Praxis des Managing Diversity durch privatwirtschaftliche
    Akteure in Deutschland gebe es Beispiele, in denen Machtstrukturen und Diskriminierungen
    thematisiert würden. Zudem gebe es auch eine Initiative zur Erstellung eines
    Diversity-Manifests, die den Begriff machtkritisch verstehe. Auch Diversity Studies könnten
    ein Beispiel dafür sein, dass „Diversity“ zur Bezeichnung unterschiedlicher Machtstrukturen
    verwendet wird. Der Vorteil liege darin, dass „Diversity“ hervorhebe, dass es keine
    Master oder Metakategorie gibt. Der Nachteil liege aber darin, zu suggerieren, alle Kategorien
    seien gleich. Zwingend sei dies nicht. Zum Beispiel folgten die „Diversity Studies“ an
    der Alice Salomon Hochschule Berlin dem Vorbild der Cultural Studies in Großbritannien;
    „cultural“ werde in Deutschland jedoch tendenziell mit nationaler Herkunft assoziiert und
    berge die Gefahr der Kulturalisierung von Ungleichheiten und Diskriminierung. Behandelt
    würden dagegen an der ASH auch Aspekte wie Migration, Flucht, Klasse und Behinderung.
    2.2.4 Kontextbezogenheit der Begriffe
    Unterschiedliche Fachsprachen, Vorannahmen, Dogmatik und Traditionen wissenschaftlicher
    Disziplinen und auch unterschiedliche Praxisfelder bedingten, dass verschiedene
    Begriffe für verschiedene Kontexte gefunden werden müssten. Es gehe daher auch um
    „Übersetzungen“ der Konzepte in verschiedene Kontexte.
    2.2.5 Welcher Begriff für das Recht?
    In der Rechtssprache gebe es aktuell keinen Begriff für das Phänomen, das mit Intersektionalität/
    Interdependenzen/Achsen der Ungleichheit/Diversity im oben genannten Sinne
    beschrieben wird. Es bestehe also Raum, einen solchen neu einzuführen. Bei der Suche
    nach einem sinnvollen Begriff sei maßgeblich zu berücksichtigen,
    I inwiefern ein infrage kommender Begriff durch Assoziationsketten „vorbelastet“ sei
    und welchen Einfluss dies auf die praktische Verwendung z. B. in der Rechtsprechung
    haben könnte. Er dürfe auf keinen Fall die Rechtsprechung durch entsprechende Assoziationen
    dazu einladen, in „Fallen“ von Fehlrechtsprechung im Antidiskriminierungsrecht,
    wie z. B. das Erfordernis eines Vorsatzes zur Diskriminierung oder der Forschung
    nach Motiven der Verantwortlichen, zu tappen.
    I dass sich ein Begriff in die vom Gesetzgeber geprägte Rechtssprache einfügen müsse,
    um seine Akzeptanz in Rechtswissenschaft und Rechtspraxis zu erhöhen. Daher solle er
    vorzugsweise nicht lateinisch und kein Anglizismus sein. Andere Vorschläge müssten
    sich an die Rechtspolitik richten.
    Diese beiden Kriterien seien eventuell auch wichtiger als die konzeptionell-theoretische
    Genauigkeit.
    82
    Die Begriffe „Mehrfachdiskriminierung“ und „mehrdimensionale Diskriminierung“
    erschienen der Fachrunde für die rechtliche Umsetzung des Konzepts im Prinzip gut geeignet.
    Es wurden Bedenken geäußert, der Begriff „Mehrfachdiskriminierung“ könne ein rein
    additives Verhältnis der mehrfachen Diskriminierungen nahelegen. Der Begriff „mehrdimensionale
    Diskriminierung“ betone stärker als „Mehrfachdiskriminierung“, dass es sich
    nicht lediglich um ein additives Verhältnis von Diskriminierung handele. Beide Begriffe
    lüden nicht per se zu gruppistischem Denken ein.
    Die Begriffe „intersektionale“ und „interdependente“ Diskriminierung eigneten sich nach
    Ansicht der Teilnehmenden aufgrund ihres lateinischen Wortstamms weniger gut.
    Der Begriff „verstärkende Diskriminierung“ berge die Gefahr, dass Gerichte dies als Aspekt
    des subjektiven Tatbestandes missverstehen könnten, der im Gleichstellungsrecht gerade
    keine Rolle spielt, da die Folge (und nicht die Motivation) der diskriminierenden Handlung
    ausschlaggebend ist.
    Problematisch sei der im Recht (nicht gesetzlich, aber in der rechtswissenschaftlichen Literatur
    und in der Rechtsprechung) verwendete Begriff des Diskriminierungs-„Merkmals“. Er
    wecke biologistische Assoziationen. Ebenso sei die Verwendung des Begriffs „soziale Lagen“
    problematisch, denn er kann die Assoziation einer „Gruppe“ wecken.
    2.2.6 Intersektionalität zwischen Mehrfachdiskriminierung
    und Privilegierung
    Für ein Verständnis von Diskriminierung sei eine Auseinandersetzung mit Privilegierung
    wichtig. Allerdings sei fraglich, ob es immer auch um eine privilegierte Position gehe.
    Konzepte zur Beschreibung von mehrdimensionaler Diskriminierung gäben dazu wenig
    Auskunft. So sei offen, ob die soziale Lage einer weißen Frau intersektional/interdependent
    sei, oder nur eine Lage, in der von der gesetzten Norm „abweichende“ Positionen nachteilig
    wirken. Werden alle Positionen analog benannt, bestehe die Gefahr, dass alle als „Opfer“
    gälten und keine „Täter_innen“ übrig blieben. Dies stehe im Widerspruch zum Anliegen
    der Konzepte, auf spezifische Benachteiligungen als Folge komplexer Ungleichheiten und
    unterschiedlicher sozialer Positionen aufmerksam zu machen, indem beispielsweise auch
    Privilegien (und eben nicht nur) Diskriminierung von schwulen Männern oder von weißen
    Frauen oder von jungen Menschen etc. zum Thema gemacht werden würden. So gehe es
    z. B. Crenshaw mit ihrem Konzept der Intersektionalität ausschließlich um die Benennung
    von dem, was an der „Straßenkreuzung“ von Benachteiligungen und damit bei mehrdimensionalen
    Diskriminierungen passiere, nicht um die Benennung von Differenzen unabhängig
    von Hierarchien.
    Für das Recht, das Diskriminierung als Benachteiligung versteht, seien prinzipiell nicht die
    Privilegien, sondern nur die marginalisierten, also nachteilig „abweichenden“ sozialen
    Lagen zu benennen. Das spezifische Zusammenwirken von zwei (oder mehr) „abweichenden“
    Positionen könne in bestimmten Fällen jedoch auch „relativierend“ wirken. Zum Beispiel sei
    dies der Fall, wenn stereotypisierend rassistisch markierte Frauen weniger häufig als rassistisch
    markierte Männer Ausweis- oder Drogenkontrollen unterzogen werden.
    83
    2.2.7 „Achsen der Ungleichheit“ besonders passend zum Recht?
    Der Ansatz der „Achsen der Ungleichheit“ von Klinger und Knapp könne durch seinen
    Ausgangspunkt, die Ungleichheit, rechtlich besonders anschlussfähig an das Konzept der
    Benachteiligung (welche eine Ungleichbehandlung voraussetzt) und an menschenrechtliche
    Diskurse sein. Er fokussiere allerdings primär nur Gender, Klasse und „Rasse“/Ethnizität
    und es werde nicht klar, wie dieser Ansatz mit ungleichen Betroffenheiten umgehe. Hier
    sei zu beachten, dass auch das in Deutschland umfangreich geregelte Sozialrecht als Teil
    des Antidiskriminierungsrechts betrachtet werden könne, nämlich als spezifisches Antidiskriminierungsrecht
    zur Regelung des Umgangs mit der Kategorie Klasse.
    2.2.8 Gruppismus und Kategorien
    In der Auseinandersetzung mit Diskriminierung sei der Unterschied zwischen Gruppen
    und Kategorien wichtig. Das Gruppendenken sei gerade auch im Recht weit verbreitet. Das
    zeige sich auch an den Begriffen, die als problematische Beschreibung essenzialistischer
    Gruppenmerkmale funktionierten („Gründe“, „Merkmale“). Die Konzepte der Mehrfachzugehörigkeit
    forderten das Loslassen vom Gruppendenken. Die Ungleichheitskategorien
    seien als Konstruktionen zu verstehen. Die Identifizierung mit Kollektiven, die im Gruppendenken
    liege, bedeute vor allem im Hinblick auf historische Prozesse eine Stigmatisierung
    und Demütigung für die betroffenen Individuen. Antidiskriminierungsrecht müsse deshalb
    das Individuum sehen, nicht kollektivieren. Hierzu lade der Intersektionalitätsansatz
    ein. Insbesondere Crenshaw habe mit ihm auf die Gefahren der gängigen „single issue“-
    Politiken (nach „Gruppen“interessen) hingewiesen, welche Schwarze Frauen marginalisierten.
    Fraglich sei allerdings, ob dies eine „neue Gruppe“ schaffe, doch werde diese bei
    Anwendung der Intersektionalitäts- bzw. Interdependenzansätze ständig hinterfragt und
    so dauernd dekonstruiert. Fraglich sei, ob die „alte Gruppe“ nicht auch ohne Schaffung
    jeglicher „neuer, kurzfristiger Gruppen“ dekonstruiert werden könne. Hier sei der Ansatz
    der Interdependenz mit dem Potenzial der stetigen Hinterfragung von Kategorien sehr
    produktiv.
    Gruppendenken sei nicht immer per se problematisch. Andererseits ist es aus Sicht eines
    Individuums auch positiv und stärkend, sich selbst als Teil einer Gruppe wahrzunehmen
    und auch so wahrgenommen zu werden. Dies stehe im Spannungsfeld damit, dass kollektive
    Fremdzuschreibungen regelmäßig die Möglichkeit und den Wunsch, (zumindest
    auch) als Individuum wahrgenommen zu werden, erschweren.
    Es sei fraglich, ob es im Recht um die Auflösung von Kategorien gehen könne, weshalb es
    sehr fraglich sei, ob antikategoriale Ansätze juristisch tragen. Die Kategorien seien jedenfalls
    bislang Teil des rechtlichen Instrumentariums. Die in Art. 3 Abs. 3 GG und § 1 AGG
    genannten Kategorien seien benannt, um ein kollektives Stigma für Entscheidungen zu
    erzeugen, in denen die genannten Kategorien benutzt würden. Damit würden die Regelungen
    Kategorien als Achsen der Ungleichheit benennen und nicht Differenzen oder Unterschiede.
    84
    Die gängige Verwendung des Wortes „Diskriminierungsmerkmal“ in der Rechtspraxis
    wecke biologistische Assoziationen. Die in § 1 AGG und Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG als verbotene
    Kategorisierung genannte „Rasse“ perpetuiere überholte Vorstellungen von der Existenz
    menschlicher „Rassen“.
    Die in § 1 AGG genannte „ethnische Herkunft“ trage ihrerseits zu Ethnisierung, Kulturalisierung
    und der Stärkung der Idee von kulturellen „Volksgruppen“ bei. Das aktuelle Urteil
    des Arbeitsgerichts Stuttgart1 wecke große Bedenken. Es sei kontraproduktiv, dass das
    Antidiskriminierungsrecht der offensichtlich wegen ihrer ostdeutschen Herkunft diskriminierten
    Klägerin keine passendere Möglichkeit an die Hand gebe, als die ostdeutsche als
    eine „ethnische“ Herkunft zu definieren.
    Gruppendenken könne zu Minderheitendenken führen, was problematische Verteilungskonkurrenzen
    beflügeln könne. Minderheitendenken im Recht begründe zudem die
    Schwierigkeit, bestimmen zu müssen, wer „dazugehört“ und deshalb ein Recht innehabe.
    Es zwinge oft zur Definition einer „Vergleichsgruppe“, die dann als Norm gesetzt werde.
    Was diese „Gruppe“ nicht habe, könne im Rahmen von Gleichbehandlungsansprüchen
    auch nicht die „Minderheit“ erlangen. Das sei nicht adäquat.
    1 ArbG Stuttgart, Urteil vom 15.04.2010, Aktenzeichen 17 Ca 8907/09; die Klägerin war wegen ihrer ostdeutschen
    Herkunft gekündigt worden.
    85
    3.
    Juristischer Teil: Rechtsgrundlagen zu
    mehrdimensionaler Diskriminierung,
    ausgewählte Rechtsprechung,
    Probleme der Rechtsdurchsetzung
    In einem zweiten Teil des Workshops wurden die Zwischenergebnisse der Auseinandersetzung
    mit Rechtsgrundlagen und Rechtspraxis präsentiert und diskutiert.
    3.1 Präsentation der Zwischenergebnisse
    Juristischer Teil der Expertise
    „Mehrfach-, mehrdimensionale und
    intersektionale Diskriminierung im
    Rahmen des AGG“
    Gliederung des juristischen Teils
    I Rechtsgrundlagen
    I Rechtsprechung
    I Probleme der Rechtsdurchsetzung
    1
    Rechtsgrundlagen
    I AGG
    I EU
    I Regionale/globale Menschenrechte
    I Deutsches Gesetzesrecht außerhalb
    AGG
    2
    Rechtsgrundlagen
    I AGG - Normtext:
    § 4 AGG:
    „Erfolgt eine unterschiedliche Behandlung
    wegen mehrerer der in § 1 genannten
    Gründe, so kann diese unterschiedliche
    Behandlung nach den §§ 8 bis 10 und
    20 nur gerechtfertigt werden, wenn sich
    die Rechtfertigung auf alle diese Gründe
    erstreckt, derentwegen die unterschiedliche
    Behandlung erfolgt.“
    3
    86
    Rechtsgrundlagen
    I AGG – Normtext
    § 27 Abs. 5 AGG:
    „Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
    und die in ihrem Zuständigkeitsbereich
    betroffenen Beauftragten der Bundesregierung
    und des Deutschen Bundestages sollen
    bei Benachteiligungen aus mehreren der in
    § 1 genannten Gründe zusammenarbeiten.“
    4
    Rechtsgrundlagen
    I AGG – Begründung (BT-Drs. 16/1780)
    Zu § 4:
    „Die Vorschrift stellt klar, dass jede
    Ungleichbehandlung für sich auf ihre Rechtfertigung
    hin zu prüfen ist. Ist eine unterschiedliche
    Behandlung möglicherweise im
    Hinblick auf einen der in § 1 genannten
    Gründe gerechtfertigt, liegt darin nicht
    zugleich die Rechtfertigung einer Benachteiligung
    wegen eines anderen in § 1
    genannten – ebenfalls vorliegenden –
    Grundes. Die Regelung berücksichtigt den
    Umstand, dass bestimmte Personengruppen
    typischerweise der Gefahr der Benachteiligung
    aus mehreren nach § 1 unzulässigen
    Gründen ausgesetzt sind.“
    5
    Rechtsgrundlagen
    I AGG
    I Stellungnahmen zum Regierungsentwurf
    I Kommentare
    I Sonstige Literatur
    6
    Rechtsgrundlagen
    I EU
    I Normtexte RiLi
    I Erwägungsgründe der RiLi
    I Politische Papiere
    I Kommentare
    I Literatur
    7
    Rechtsgrundlagen
    I Regionale/globale Menschenrechte
    I Texte, z. B. CEDAW und CRPD
    I Comments und Literatur
    8
    Rechtsgrundlagen
    I Deutsches Gesetzesrecht außerhalb
    des AGG
    I Bund
    z. B. § 4 SoldGG, § 2 BGG,
    § 1 S. 4 BGleiG
    I Länder
    z. B. § 10 LGBG
    9
    Rechtsprechung
    I „Explizit“
    I Keine Entscheidung deutscher
    Gerichte
    I Keine Entscheidung des EuGH
    10
    Rechtsprechung
    I „Implizit“
    I Deutsche Gerichte z. B. zu Geschlecht
    + ethnische Herkunft (+ Religion)
    I EuGH z. B. zu Geschlecht + Alter/
    Behinderung
    11
    87
    Rechtsprechung
    I Probleme der Datenerhebung
    I Umfassende Datenerhebung möglich?
    I Hindernisse z. B.:
    Selbstwahrnehmung
    Prozesstaktiken
    Sichtbarkeit in Entscheidung (Nichterwähnung
    oder Nichtwahrnehmung)
    12
    Probleme der Rechtsdurchsetzung
    I Verstärkte Hürden?
    Z. B. Gesetzesbegründung der BReg
    I Prozessstrategien
    Konzentration auf nur einen Grund
    I Sanktionen und ihre Höhen
    RiLi: „Die Sanktionen (...) müssen
    wirksam, verhältnismäßig und
    abschreckend sein“
    13
    3.2 Feedbackrunde und Diskussion
    Auch diese Befunde wurden von den Teilnehmenden intensiv diskutiert.
    3.2.1 Noch einmal: Begriffe „Mehrfachdiskriminierung“
    und „mehrdimensionale Diskriminierung“
    Der Begriff „Mehrfachdiskriminierung“ fördere eventuell die Assoziation eines additiven
    Verhältnisses von Diskriminierungen. Der Begriff „mehrdimensionale Diskriminierung“
    sei eine echte Alternative.
    3.2.2 Erfassung von Rechtsprechung zum Thema
    Schwierig sei, die Rechtsprechung zum Thema möglichst umfassend zu erheben. Die
    Problematik beim Erfassen der Fälle ergebe sich daraus, dass die Gerichte sich mit dem
    Zusammentreffen mehrerer Kategorisierungen nicht auseinandersetzen bzw. dies nicht
    erwähnen. Mit den Schlagworten „Mehrfachdiskriminierung“, „mehrdimensionale
    Diskriminierung“
    oder „Intersektionalität“ sei keine Entscheidung zu finden. So müssten
    eigentlich alle Entscheidungen berücksichtigt werden, in denen von einer Diskriminierung
    wegen mehrerer Kategorisierungen die Rede sei, unabhängig davon, ob und wie
    diese Kategorisierungen spezifisch in ihrem Zusammenwirken berücksichtigt würden.
    Auch das bloße Nebeneinander von Kategorisierungen ohne Verknüpfung oder das Konzentrieren
    auf eine Kategorisierung im Laufe der Begründung sei relevant für die Untersuchung.
    Schwierig sei der Umgang mit der Entscheidung des AG Oldenburg2. Der zugrunde liegende
    Fall sei nach einer Auffassung intersektionale Diskriminierung, obwohl das Gericht sich
    hierzu nicht explizit einlasse. Andere meinten, dies treffe die Konstellation der Einlassverweigerung
    für „ausländisch“ aussehende Männer nicht.
    2 AG Oldenburg v. 23. Juli 2008, Aktenzeichen E2 C 2126/07 – Diskobesuch; es handelt sich um die Klage wegen
    Diskriminierung wegen des Zusammenspiels von zugeschriebenem Geschlecht und zugeschriebener
    ethnischer
    Herkunft beim Zugang zu einer Diskothek.
    88
    3.2.3 Hürden und Filter beim Zugang zum Recht
    Zu fragen sei, warum die Lebensrealität des Zusammenwirkens von Kategorisierungen in
    der Rechtswissenschaft und -praxis bislang nicht angekommen sei. Nur so ließen sich
    mögliche Hürden beim Zugang zum Recht aufdecken. Dazu gehöre auch die Frage, wer
    sich an Beratungsstellen wende und wer sich an sie tatsächlich wenden könne und für
    welche Fälle von mehrdimensionaler Diskriminierung Beratungsstrukturen existierten
    bzw. nicht existierten.
    Weiter seien die allgemeinen Hürden zur Rechtsmobilisierung wie Illegalisierung und
    Sprache speziell darauf zu untersuchen, ob sie in Fällen von mehrdimensionaler Diskriminierung
    verstärkt oder besonders wirksam seien. So ließe sich vermuten, dass sich Betroffene,
    die Erfahrung mit Diskriminierung durch staatliche Stellen gemacht hätten, nicht an
    staatliche Beratungsstellen und auch nicht an als staatlich wahrgenommene Gerichte
    wenden.
    Es sei anzunehmen, dass manche Betroffene eine Kategorisierung für sich in den Vordergrund
    stellten und eine Diskriminierungserfahrung möglicherweise selbst nicht als Mehrfachdiskriminierung
    bezeichneten. Dazu trage auch bei, dass viele Beratungsstellen nicht
    auf mehrdimensionale Diskriminierung ausgerichtet seien. Die meisten Beratungsstellen
    spezialisierten sich auf bestimmte Kategorisierungen und verfolgten keinen horizontalen
    Ansatz. Das Büro in Leipzig sei nach wie vor die Ausnahme. Auch sei zu fragen, woran sich
    die Namen der Beratungseinrichtungen und die Beratung selbst orientiere. Auch dies
    könne verhindern, dass Mehrdimensionalität zur Sprache komme.
    Ähnliches gelte für die Rechtsberatung. Spezielle Kenntnisse zu Antidiskriminierungsrecht
    seien nicht Teil der Ausbildung. Auch seien nicht alle Fälle von Diskriminierung im
    AGG geregelt; Regelungen zu Klasse fänden sich z. B. im Sozialrecht ebenso wie viele Regelungen
    zu Behinderung. Das erzeuge getrennte Spezialisierungen bei den Anwält_innen,
    was eine mehrdimensionale Behandlung der Fälle erschwere.
    3.2.4 Filter im Antidiskriminierungsrecht
    Es liege nahe, dass auch Regelungen des AGG selbst – als „Filter“ – dazu beitragen, dass
    bisher anscheinend keine Fälle von mehrdimensionaler Diskriminierung vor Gericht verhandelt
    würden.
    Das könne mit daran liegen, dass der Anwendungsbereich des AGG je nach Kategorisierung
    unterschiedlich ist (§ 19 AGG). Dies könne zur „Filterung“ bzw. zum Fokussieren auf eine
    Kategorisierung beitragen. Auch seien Richter_innen unsicher im Umgang mit einem Fall,
    der als mehrdimensionale Diskriminierung vorgetragen wird, insbesondere da es noch
    keine Urteile gebe, an denen sie sich orientieren könnten. Rechtsanwält_innen könnten
    unter Umständen vorschlagen, sich auf eine Kategorisierung zu konzentrieren, die im
    Prozess Erfolg versprechender sei.
    Zudem könne sich der Nachweis einer Diskriminierung wegen mehrerer Kategorisierungen
    als (noch) schwieriger darstellen als der wegen einer Benachteiligung. So sei der statistische
    Beweis beispielsweise bei mehrdimensionaler Diskriminierung mangels differenzie89
    render Daten stark erschwert. Fraglich sei allerdings, welche Daten hier tatsächlich
    erforderlich wären. Unklar sei, ob die Regelung in § 4 AGG, welche besagt, dass bei einer
    Ungleichbehandlung wegen mehrerer Kategorisierungen die Ungleichbehandlung hinsichtlich
    jeder Kategorisierung gerechtfertigt sein müsse, dazu beitrage, dass die Kategorisierungen
    einzeln und nicht in der Spezifik ihres Zusammenwirkens betrachtet und abgehandelt
    würden. Dass sich der Blick durch die isolierte Betrachtung der einzelnen
    Kategorisierungen verengen könne, schien den Teilnehmenden plausibel. Andererseits
    plädiere auch die sozialwissenschaftliche Literatur zum Thema mehrdimensionale Diskriminierung
    für Differenzierungen, gerade um dem Phänomen gerecht zu werden. Differenzierung
    bedeute also nicht zwangsläufig Verengung des Blicks. Prozessual könne es auch
    vorteilhaft sein, mehrdimensionale Diskriminierung als solche im Prozess zu benennen.
    Die beklagte Person müsse für jede einzelne der möglichen Diskriminierung zugrunde
    liegende Kategorisierung sowie für deren spezifisches Zusammentreffen den Entlastungsbeweis
    erbringen, wenn Indizien im Sinne des § 22 AGG vorliegen. Sie müsse sich gemäß
    § 4 AGG für jede der verbotenen Kategorisierungen rechtfertigen. Es sei denkbar, dass die
    immaterielle Entschädigung in Fällen von mehrdimensionaler Diskriminierung, die eine
    besonders schwere Persönlichkeitsverletzung bedeuten, höher ausfällt.
    Aus diesen „Filtern“ im AGG könne sich sowohl für die Beratung als auch für die Prozessführung
    ergeben, nur eine Kategorisierung zu thematisieren.
    3.2.5 Sichtbarkeit von mehrdimensionaler Diskriminierung im Recht
    Die Fachrunde diskutierte dann die Bedeutung der Sichtbarkeit von mehrdimensionaler
    Diskriminierung im Recht.
    Zunächst müsse gesehen werden, dass die Fälle, an denen Crenshaw ihr Konzept der Intersektionalität
    entwickelte, in den USA damals schon Fehlurteile gewesen seien. Es habe
    Diskriminierung im Sinne des geltenden Rechts vorgelegen. Crenshaws Intervention bezog
    sich auf die Interpretation oder Auslegung, nicht auf die Normtexte. Auch im AGG könne in
    Fällen von Mehrfachdiskriminierung der Tatbestand der Benachteiligung problemlos
    erkannt werden; das Gesetz müsse nur richtig ausgelegt werden. Es ginge darum, dafür ein
    Verständnis von mehrdimensionaler Diskriminierung zu schaffen; das sei die große
    Herausforderung.
    Recht habe auch eine symbolische Dimension. Es sei daher wünschenswert, mehrdimensionale
    Diskriminierung im Recht als solche abzubilden. Erfahrungen in einer Beratungsstelle
    mit vermittelnden Gesprächen zwischen Diskriminierenden und Betroffenen zeigten,
    dass Gesprächsparteien, die auf mehrdimensionale Weise diskriminieren, ihre Praxis
    häufig damit verteidigten, es handele sich dabei nicht um Diskriminierung. Zur Begründung
    diene eine isolierte Betrachtung der einzelnen Diskriminierungen: Nicht alle Menschen,
    die in derselben sozialen Lage seien, also alle Menschen mit Behinderung, alle
    Lesben, alle Muslime usw., würden diskriminiert. Dem müsse und könne das Recht entgegentreten.
    Dies ermögliche auch den Betroffenen eine rechtliche Anerkennung ihrer spezifischen
    Erfahrung. Es verhindere, dass Betroffene im Interesse ihrer Rechtsdurchsetzung
    eine verkürzte Darstellung ihrer Erfahrung vorbringen. Die Erkenntnis, dass es sich um
    rechtlich verbotene mehrdimensionale Diskriminierung handele, gegen die Betroffene
    Rechte mobilisieren könnten, wirke klärend, könne durch das strukturelle Verständnis
    90
    unter Umständen emotionalen Abstand erleichtern und Stärke vermitteln („Empowerment“).
    Die Komplexität mehrdimensionaler Diskriminierung könne andererseits jedoch
    auch das Gefühl vermitteln, der Zugang zum Antidiskriminierungsrecht sei noch schwerer
    als ohnehin schon. Das könne ein Ohnmachtsgefühl der Betroffenen auch verstärken. Das
    Recht schaffe und perpetuiere so immer auch Demarkationslinien und Kategorien. Ob das
    Recht Kategorien als starr oder flexibel ansehe, entfalte auch außerhalb des Rechts starke
    Wirkung auf das Verständnis der Allgemeinheit von (Mehrfach-)Diskriminierung.
    3.2.6 Mehrdimensionale Diskriminierung im internationalen Recht
    Für die Ebene des internationalen Rechts wurde noch einmal auf die General Recommendations
    und Abschlussdokumente internationaler Konferenzen (z. B. Durban, Peking) hingewiesen,
    die die Auslegung von Menschenrechtspakten auch im Hinblick auf das Zusammenwirken
    mehrerer Kategorisierungen erläutern.
    91
    4.
    Diskussion in Arbeitsgruppen,
    Präsentation der Ergebnisse
    Am Ende des Workshops stand eine Diskussion in Arbeitsgruppen, deren Erkenntnisse
    nochmals im Plenum diskutiert wurden.
    4.1 AG Intersektionalität zwischen Mehrfachdiskriminierung
    und Privilegierung
    Mehrfachdiskriminierung und Privilegierung seien nicht immer einfach voneinander
    abzugrenzen. Zum einen verliefen die Linien quer zu denen des üblichen Verständnisses
    von Diskriminierung und Privilegierung. So könne in spezifischen Situationen (wie beim
    Einlass in eine Diskothek) eine an sich privilegierte männliche Position im Zusammenhang
    mit der nicht weißen Position zu Zuschreibungen und einer mehrdimensionalen Diskriminierung
    führen. Allerdings ließe sich der Fall des AG Oldenburg auch als „Normalfall“ von
    Rassismus verstehen. Männer würden oft als „Normalfall“ von Betroffenen von Rassismus
    und Frauen als „Normalfall“ von Betroffenen von Sexismus gesehen. Entscheidend werde
    mehrdimensionale Diskriminierung im Diskotheken-Fall, wenn sich sowohl weiße Männer
    als auch Schwarze Frauen in der Diskothek befunden hätten. Allerdings spielten hier auch
    weitere Aspekte eine Rolle. So gebe es auch auf den ersten Blick positive Zuschreibungen
    und Stereotype mit negativen Auswirkungen (z. B. führe die Zuschreibung an Schwarze
    Frauen zwar dazu, dass sie in die Disko eingelassen werden, aber diskriminierend sexualisiert
    und exotisiert werden).
    Derzeit werde viel über das Zusammenwirken der Kategorien Geschlecht, race und sexuelle
    Orientierung geschrieben und in der Praxis gearbeitet, was auch die Zusammensetzung
    der Fachrunde widerspiegelte. Weitere Kategorien sollten dabei nicht marginalisiert werden.
    Eine enge Rückkopplung zwischen Wissenschaft, Beratung und Gerichten sei wichtig, um
    die spezifischen Erfahrungen und Reichweite der Wirkung von mehrdimensionaler Diskriminierung
    zu erfassen.
    Es gebe sehr viele Fälle von mehrdimensionaler Diskriminierung (z. B. auch „profiling“
    durch öffentliche Stellen wie die Polizei) und es sei erstaunlich, wie wenig das Thema vor
    den Gerichten präsent sei.
    92
    4.2 AG Mehrdimensionale Diskriminierung in der
    Rechtsprechung erkennen, welche Fragen kommen
    warum nicht vor Gericht?
    Auf der Suche nach Rechtspraxis müsse immer nach der Kombination von Kategorisierungen
    und nach üblichen juristischen Wörtern zur Verknüpfung (z. B. „Motivbündel“) gesucht
    werden.
    Urteile zu mehrdimensionaler Diskriminierung könnten als Stichproben analysiert werden,
    da keine Repräsentativität zu erzeugen sei. Beratungsstellen könnten Fälle aus ihrer
    Arbeit zur Verfügung stellen, die vor Gericht gegangen sind.
    Das Fehlen von gerichtlichen Auseinandersetzungen mit mehrdimensionaler Diskriminierung
    in Urteilen liege am „framing“ durch Betroffene, Beratungsstellen und Rechtsberatung.
    Auch die gerichtliche Arbeitsweise, für die Entscheidung nicht mehr relevante Fragen
    offenzulassen (Prozessökonomie), könne ein Grund sein. Vorstellbar sei, dass ein
    Gericht eine Diskriminierung wegen einer Kategorisierung bejahe und sich dann mit dem
    Vorliegen eines zweiten Diskriminierungsaspekts oder der komplizierten Frage des Zusammenspiels
    nicht mehr beschäftige. Dies sei allerdings eine problematische, unzureichende
    Feststellung der Tatsachen. Es sei andererseits erstaunlich, wenn doch die Diskriminierung
    wegen mehrerer verbotener Kategorisierungen nach einer in der Rechtswissenschaft
    herrschenden Meinung die Entschädigungshöhe mit beeinflussen könne.
    Es gebe einige Ansätze, wie Jurist_innen und Beratungsstellen für mehrdimensionale
    Diskriminierung sensibilisiert werden könnten. Es könnten Auslegungshilfen verfasst
    werden. Praxiswirksam könnte auch die Verschlagwortung als „mehrdimensionale Diskriminierung“
    in juristischen Datenbanken auch von solchen Fällen sein, in denen das Gericht
    sich nicht unter diesem Begriff damit auseinandersetzt. Diese Idee basiert auf dem Gedanken,
    dass Rechtsanwält_innen ihre Argumentationsstrategie stark nach schon entschiedenen
    Urteilen ausrichteten; wenn sie hierzu nichts fänden, sei es weniger wahrscheinlich,
    dass sie ihre eigene Argumentation darauf aufbauten.
    Sinnvoll sei eine Ergänzung im Gesetzestext von § 1 AGG, welcher die verbotenen Kategorisierungen
    auflistet, mit den Worten „und deren Verknüpfung“.
    4.3 AG Wissen und Rahmenbedingungen
    der Wissensproduktion
    Das Bedürfnis und die Bedeutung von Wissensproduktion über mehrdimensionale Diskriminierung
    gingen darauf zurück, ein Phänomen benennen zu wollen, um die Realität
    aufzugreifen und ihr Ausdruck zu verleihen. Akteure hierbei seien Menschen in der Wissenschaft,
    den Medien, der Politik und dem Recht. Wichtig sei jedoch vor allem, dass
    Betroffene Raum fänden, über ihre Erfahrungen zu sprechen.
    Die Benennung mehrdimensionaler Diskriminierungen berge auch Gefahren für die
    Betroffenen. Sie könne durch erhöhte Sichtbarkeit zu mehr Verletzungen führen. Daher
    gebe es mehr oder weniger geeignete Orte (Orte und „Unorte“) für die Thematisierung von
    93
    mehrdimensionaler Diskriminierung. Ein idealer Ort sei eine interdisziplinäre, transparente
    Beratungsstruktur. Es bestünden Zweifel, ob der Ort „Recht“ ein geeigneter Ort sei.
    Eine wesentliche Forderung zur Bekämpfung von Diskriminierung sei weiterhin die nach
    effektiven Informationskampagnen, die Betroffene über ihre Rechte informieren.3
    Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes solle durch wissenspolitische Einwirkung auf
    die Medien zu einem offeneren, respektvollen Klima für die Diskussion von mehrdimensionaler
    Diskriminierung beitragen. Zudem solle sie die Aufklärung des Rechtsstabs betreiben.
    Das Thema mehrdimensionale Diskriminierung fordere das Alltagsverständnis und
    Normalitätsannahmen derart heraus, dass es nicht den üblichen juristischen Debatten in
    Kommentarliteratur und Fachzeitschriften überlassen werden dürfe. Es müsse transdisziplinär
    angegangen werden. So könne dazu beigetragen werden, weitere Orte zu schaffen,
    die ein der Thematisierung von mehrdimensionaler Diskriminierung angemessenes Klima
    haben.
    3 Es wurde auf die Onlinedatenbank von AGG-Urteilen der Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) von Berlin
    hingewiesen, die in Kooperation mit dem Lehrstuhl Prof. Dr. Susanne Baer mit Maria Ketteler entstanden
    ist und zum Ziel hat, Gerichtsentscheidungen darzustellen, ohne die Kenntnis juristischer Fachbegriffe
    vorauszusetzen.
    94
    5.
    Anhang:
    Ablauf des Workshops
    11.00 h Begrüßung, Vorstellungsrunde
    11.30 h Präsentation des theoretischen Teils der Expertise:
    Konzepte von Intersektionalität, verschiedene Formen
    mehrdimensionaler Diskriminierung
    Feedbackrunde
    13.00 h Mittagessen
    13.45 h Präsentation des juristischen Teils der Expertise:
    Rechtsgrundlagen zu Mehrfachdiskriminierung,
    ausgewählte Rechtsprechung, Probleme der Rechtsdurchsetzung
    Feedbackrunde
    15.00 h Kaffeepause
    15.15 h Diskussion in Arbeitsgruppen
    Kurzpräsentation der Ergebnisse im Plenum
    16.45 h Ausklang des Workshops im Café Weltgeist
    Dieses PDF ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Antidiskriminierungsstelle
    des Bundes; es wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt.
    Dieses Dokument wurde im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
    (ADS) erstellt. Der Inhalt des Dokuments wird vollständig von den Autoren verantwortet
    und spiegelt nicht notwendigerweise die Position der ADS wider.
    Herausgeber:
    Antidiskriminierungsstelle
    des Bundes
    Glinkastraße 24
    10117 Berlin
    www.antidiskriminierungsstelle.de
    Kontakt:
    Zentrale: 03018 555-1855
    Beratung: 03018 555-1865 (Mo bis Fr, 9–12 Uhr und 13–15 Uhr)
    Fax: 03018 555-41865
    Besuchszeiten nach Vereinbarung
    E-Mail: poststelle@ads.bund.de
    Gestaltung:
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    Stand:
    August 2010

  2. #2
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    Soziale Bewegungen im Dialog - Migration und Antirassismus

    Im Juni widmet sich die Reihe "Soziale Bewegungen im Dialog" der antirassitischen migrantischen Bewegung:


    Außerdem gibt es folgende Sendungen zu hören:

    • Medien mit Akzenten (Sa. 07.06., 17h)
    • Migrantische Communities & politisches Handeln (Fr. 20.06., 19h)
    • Das Erzählcafé zum Nachhören (Mo. 30.06., 20h)
    • Feminismen nicht-weiß (Fr. 04.07., 19h)

  3. #3
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    De ce nu se publica cati sunt romani?









    Kriminalität


    Zahl der Einbrüche in Südbaden steigt rapide

    Sie brechen Türen auf und schlagen Scheiben ein: Einbrecherbanden machen verstärkt Südbaden unsicher. Wer sind die Täter, was macht die Polizei und wie können sich die Bürger schützen?

    • Einbrecher machen Südbaden unsicher (Symbolbild). Foto: Igor Stevanovic
    • Einbrecher machen Südbaden unsicher (Symbolbild). Foto: Igor Stevanovic


    1 / 2



    Beinahe täglich melden die Polizeiposten in Südbaden Einbrüche in Privathaushalte. Auch eine aktuelle Statistik des Polizeipräsidiums Freiburg zeigt, dass Südbaden vermehrt derartige Straftaten erlebt. Vor allem in der Stadt Freiburg sowie in den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen sind die Zahlen enorm gewachsen – während in den Kreisen Lörrach und Waldshut die Lage derzeit etwas entspannter ist.

    Diese Unterschiede beschäftigen laut Polizeidirektor Berthold Fingerlin das Freiburger Polizeipräsidium bereits seit Monaten. Denn die Banden ziehen offenbar nach Norden. Auch ist zu beobachten, dass die Täter sich zunehmend in den Schwarzwald vorwagen, wie Einbrüche in Badenweiler und Titisee-Neustadt zeigen. Zuvor waren insbesondere grenznahe Orte am Oberrhein wie Neuenburg und Breisach betroffen.

    Wer sind die Täter?
    Bei den Tätern handelt es sich um drei Hauptgruppen: Zum einen die aus der Region stammenden, einheimischen Einbrecher und -banden. Jedoch weitaus mehr wird von "reisenden Tätern" eingebrochen. Diese Verbrecherbanden kommen aus dem benachbarten Frankreich über den Rhein, verüben hier einen Einbruch und flüchten wieder zurück. Diese Banden seien meist rumänischer oder albanischer Herkunft, sagt die Polizei. Sie weiß aber auch von georgischen Tätern, die in Banden auftreten und die seit kurzem Südbaden ebenfalls unsicher machen.
    http://www.badische-zeitung.de/zahl-...-90217149.html
    Ultima modificare făcută de MirsuCatalin; 08.09.2014 la 15:34.

  4. #4
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    O victorie pentru campania Gândul - LET'S CHANGE THE STORY. Daily Mail îşi RECUNOAŞTE o parte din MINCIUNILE anti-români

    de Alina Matis Publicat la: 24.02.[COLOR=#0494e1 !important]2014 [/COLOR]15:26 Ultima actualizare: 10.03.[COLOR=#0494e1 !important]2014 [/COLOR]04:15


    Demersul Gândul de restabilire a adevărului despre românii din Europa a cunoscut, luni, o victorie: schimbând abordarea, Daily Mail a publicat un mesaj în care recunoaşte minciunile publicate în 31 decembrie 2013 despre invazia românilor în UK. Aceste neadevăruri au fost scoase la iveală printr-o campanie realizată de Gândul, împreună cu un jurnalist britanic. De la publicarea anchetei, au existat şi alte victorii: un membru al Guvernului britanic a recunoscut minciunile din retorica anti-români; pe numele Daily Mail a fost deschisă o anchetă la organismul de autoreglementare a presei scrise britanice, descoperirile noastre au fost promovate inclusiv de actorul Hugh Grant şi de ziarul The Guardian şi sute de români s-au mobilizat şi au contribuit la campania „Let's change the story”. Totul, în descurs de două luni de la un articol fals, care a încheiat un an de retorică periculoasă anti-români în Marea Britanie.


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    La mai bine de la o lună de la ancheta publicată de gândul care demonta rând cu rând articolul de final de an publicat de tabloidul britanic Daily Mail cu privire la invazia românilor în Regat, publicaţia este forţată să recunoască pentru prima dată că a publicat neadevăruri despre români. Prin reticenţa de a-şi asuma vina şi de a admite toate neadevărurile, gestul pare mai degrabă o strategie de a contracara ancheta deschisă pe numele Daily Mail la Press Complaints Commission, organismul de autoreglementare a presei scrise britanice, ca urmare a descoperirilor făcute de gândul, împreună cu un jurnalist britanic.
    Daily Mail, care este cel mai citit ziar [COLOR=#0494e1 !important]online din lume, [/COLOR]a publicat un mesaj în acest sens în rubrica de Clarificări şi Corecţii, în care spune că „i s-a adus la cunoştinţă” că realitatea din România şi Bulgaria era alta decât cea descrisă în articolul care anunţa invazia muncitorilor din estul Europei în Regatul Unit, de la 1 ianuarie [COLOR=#0494e1 !important]2014: „Suntem bucuroşi să clarificăm că unele dintre zborurile suplimentare (din România şi Bulgaria spre UK, despre care ziarul scria că sunt chiar şi cu 100% mai multe decât înainte, pe fondul „exodului”) au fost introduse înainte de 1 ianuarie”. [/COLOR]


    CONTEXT: PE SCURT, CUM S-A AJUNS AICI

    Sursa: Daily Mail
    Un „mea culpa” cu jumătate de gură
    Totuşi, ziarul nu îşi asumă vina, arătând în continuare cu degetul spre sursele reporterilor săi. De asemenea, Daily Mail nu a scos de pe site şi nici nu a modificat articolul din 31 decembrie, redistribuit de peste 58.000 de ori.
    "Bucuria" publicaţiei de a-şi corecta greşelile s-au redus la un scurt paragraf, publicat cu font mic la finalul textului, în care sunt redate unele dintre descoperirile anchetei realizate de gândul şi de jurnalistul britanic Jon Danzig, cu privire la numărul de autocare şi de zboruri care, spuneau jurnaliştii britanici, pregăteau invazia românilor şi bulgarilor: „UPDATE: Reporterii noştri din Bucureşti şi Sofia au fost informaţi de agenţi de turism şi de site-uri din aceste două ţări că existau foarte puţine locuri în cursele aeriene sau autocarele cu destinaţia Londra pentru începutul de an. Am fost, ulterior, informaţi, însă, că unii cititori au reuşit să găsească un număr mai mare de zboruri care plecau din Bucureşti şi Sofia la începutul lui ianuarie, cu preţuri de la 122 de lire (articolul spunea că biletele ajung până la 3.000 de lire dus şi că media biletului low cost era de 300 de lire). Înţelegem că existau şi locuri libere în autobuzele cu destinaţia Londra din acea perioadă. Suntem bucuroşi să clarificăm că unele dintre zborurile suplimentare au fost introduse înainte de 1 ianuarie”.

    Sub articolul orginal. Sursa: Daily Mail
    Astfel de corecţii timide, în care publicaţia nu îşi asumă vina şi nu îşi prezintă scuze, sunt o tactică frecventă prin care Daily Mail încearcă să îşi dovedească bunele intenţii pentru a închide anchete pe numele său.

    Sursa: Political Scrapbook, unul dintre cele mai importante site-uri politice din Marea Britanie
    Luna trecută, Daily Mail ne transmitea: „Nu avem de ce să vă cerem scuze. Nu suntem de părere că articolul e incorect”
    Toate aceste argumente au fost aduse la cunoştinţa ziarului întâi de gândul şi Jon Danzig, pe urmă şi de ancheta declanşată ulterior împotriva Daily Mail la Press Complaints Commission, organismul de autoreglementare a presei scrise britanice.
    Deşi Daily Mail recunoaşte doar parţial - şi fără să o descrie în aceşti termeni - că a comis un derapaj foarte grav de la normele deontologice, mesajul publicat luni este o schimbare importantă de abordare, prin comparaţie cu răspunsurile primite de la reprezentanţii ziarului când gândul şi Jon Danzig le-a atras atenţia asupra aceloraşi descoperiri pe care le publică, pe scurt acum. „Nu suntem de părere că articolul este incorect şi înşelător şi nu vedem niciun motiv să vă cerem scuze”, spunea ziarul în urmă cu mai bine de o lună, dând vina pe sursele din România şi Bulgaria care i-au dezinformat pe reporteri. Întrebat de gândul cum explică toate neconcordanţele descoperite la o verificare atentă a articolului lor, un purtător de cuvânt al Daily Mail ne-a spus, într-un e-mail semnat de „Managing Editor” (fără nume): „Jurnaliştii noştri s-au documentat la faţa locului în Sofia şi Bucureşti şi au fost asistaţi de jurnalişti locali şi translatori. Am relatat ceea ce li s-a spus la acel moment”.

    E-mail către Jon Danzig

    E-mail către gândul
    Dincolo de corecţiile publicate azi de tabloidul britanic, cea mai îngrijorătoare descoperire a anchetei publicate de gândul rămâne neabordată de reprezentanţii Daily Mail. Mare parte din cei citaţi în articol ne-au spus că nu au vorbit cu Daily Mail şi că citatele din ziar nu le aparţin. De amintit, în acest context, că pe numele Daily Mail există mai multe plângeri la Press Complaints Commission (PCC), organismul de autoreglementare a presei scrise din Marea Britanie, pe baza anchetei publicate de gândul, care a fost promovată inclusiv de actorul Hugh Grant şi de fostul purtător de cuvânt al lui Tony Blair, Alastair Campbell. Investigaţia deschisă de PCC nu a fost încă soluţionată. Ironia face ca preşedintele comitetului responsabil de codul editorilor din cadrul PCC să fie tocmai Paul Dacre, de la Daily Mail. Mai mult, unul dintre directorii companiei care deţine atât PCC, cât şi organismul care va înlocui PCC, IPSO, este Peter Wright, editor emerit al Mail Group.
    Gândul a demonstrat că articolul de final de an al campaniei antiromâneşti din Marea Britanie este FALS. Acum e rândul tău: susţine şi distribuie campania pentru restabilirea adevărului despre români! Cerem, în continuare, ca articolul să fie retractat integral!

    http://www.gandul.info/international...omani-12138407

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